Liftfahrten, Partikelsysteme und mehr: TIME OUT .08

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Die Kunstuniversität Linz und Ars Electronica stehen seit vielen Jahren in enger Verbindung. Im Rahmen der Ausstellungsreihe „TIME OUT“ stellt das Ars Electronica Center jungen MedienkünstlerInnen der Studienrichtung „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ nicht nur Ausstellungsraum für ihre Arbeiten zur Verfügung, sondern auch die eigentlich Infrastruktur des Hauses, wie etwa den Lift oder den Deep Space 8K. Das Experimentieren mit der vorhandenen Infrastruktur und die kreative Nutzung der Hausanlagen stehen dabei im Vordergrund.

Ob Film, Ton, Programmierung oder Interfacetechnologie, die Studienrichtung „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ lässt ihren Studierenden viel Freiraum, sich kreativ auszudrücken. So abwechslungsreich wie das Studium selbst sind auch die daraus entstehenden Arbeiten – eine Auswahl davon wird ab 16. März 2018 im Ars Electronica Center unter dem Titel „TIME OUT .08“ präsentiert. Der diesjährige Fokus: Arbeiten für den Deep Space 8K und Bodenprojektionen für den Lift. Im Interview erzählt Studienleiter Gerhard Funk mehr.

Die Serie TIME OUT zeigt in regelmäßigen Abständen Arbeiten der Studienrichtung „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ der Kunstuniversität Linz. Kannst Du die Studienrichtung ein bisschen erklären?

Gerhard Funk: Zeitbasierte und Interaktive Medien ist ein Bachelorstudium für zukünftige MediendesignerInnen und -künstlerInnen. Zentrales Anliegen ist es, die Ausformulierung, Präzisierung und Präsentation eigener Ideen, sowie die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden und ihre Ausdrucksfähigkeit zu fördern. Die digitalen Medien spielen dabei, auch in Verbindung mit den analogen Medien, eine wesentliche Rolle.

Es ist ein breit angelegtes Studium für vielseitig Interessierte,  die sich intensiv und umfassend mit digitalen Medien beschäftigen wollen. Dabei lernen die Studierenden in kreativer Form ihr Denken und Fühlen mit audiovisuellen Mitteln auszudrücken, die durch die Möglichkeiten der Interaktion über zum Teil selbst gestaltete Interfaces erweitert werden. Dafür gibt es ein umfassendes Lehrveranstaltungsangebot  zu Kamera, Ton, Programmierung, Interfacetechnologie – um nur ein paar zu nennen. Wichtig ist uns dabei immer die Verknüpfung von Theorie, Technik und Gestaltung der digitalen Medien.

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Credit: Vanessa Graf

Die Qualität der entstehenden Arbeiten ist dabei sehr hoch. Ich komme gerade aus Teheran zurück, wo wir, 12 Studierende, mein Assistent Holunder Heiß und ich,  im Rahmen des internationalen Medienkunstfestivals TADAEX (Teheran Annual Digital Art Exhibition) eine sehr erfolgreiche und viel beachtete Ausstellung in der bekannten Mohsen-Galerie gezeigt haben. Bei der Abschlussveranstaltung des Festivals war die Performance von drei unserer Studierenden mit dem „Lightstorm“ der abschließende Höhepunkt. Ãœbrigens waren fast alle Kunstwerke, die wir ausgestellt haben, bereits bei einer TIME OUT Ausstellung im Ars Electronica Center zu sehen. Gerfried Stocker, der künstlerische Leiter der Ars Electronica,  war einer der maßgeblichen Personen, die uns den Weg in den Iran eröffnet haben. Initiator der Unternehmung war aber unser iranische Student aus Teheran, Ashkan Nematian. Es war nicht leicht, die Ausstellung in den Iran zu bringen, aber die Erfahrungen, die wir dabei gemacht haben, waren großartig.

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Credit: Robert Bauernhansl

Bei TIME OUT .08 wird der Lift im Ars Electronica Center bespielt. Was kann man hier erleben?

Gerhard Funk: Seit der Eröffnung des Ars Elektronica Centers im Jahr 1996 gibt es einen Lift mit einer Bodenprojektion, die sich mit der Auf- und Abwärtsbewegung des Lifts verändert. Ich kann mich noch an eine Arbeit erinnern, bei der man durch den Körper eines Menschen „gefahren“ ist. Dieses Angebot, mit unserer Studienrichtung neue Videos für den Lift zu erstellen, haben wir natürlich sehr gerne angenommen, denn es ist immer wunderbar, wenn die Ergebnisse studentischer Arbeit auch außerhalb der Kunstuniversität gezeigt werden. Dafür bin ich dem Ars Electronica Center sehr dankbar.

In der Lehrveranstaltung „Ideen, Skizze und Konzept“ haben die Erstsemestrigen viele Ideen für ein Liftvideo entwickelt. Gemeinsam wurden daraus vier Vorschläge ausgewählt und als Videos umgesetzt. Es sind fünf grundverschiedene Liftfahrten entstanden.

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Credit: Robert Bauernhansl

Kannst Du uns schon ein paar Details verraten?

Gerhard Funk: Aus meiner Sicht ein besonderes Highlight ist die Arbeit „Muskelmann“. Man kann sich darauf freuen, in dieser Liftfahrt von einem Gewichtheber hochgehoben zu werden, vom Keller bis in das letzte Geschoß. Man kann ihm zusehen, was für einer Anstrengung es bedarf, einen Lift mit ein paar Personen hochzuheben. Die Produktion war im Videostudio sehr aufwendig – der Gewichtheber musste bei den Filmaufnahmen wirklich einige Arbeit leisten, weil er immer wieder eine schwere Glasplatte hochstemmen musste. Die Kamera wurde oben montiert und hat ihn gefilmt.

Auch die Arbeit von Yazdan Zand ist spannend. Man sieht großformatige Portraitvideos von Personen, die wie durch die Beschleunigung des Lifts so angeblasen werden, dass sich die Haut nach hinten zieht und spannt. Die Lippen ziehen sich hoch und die Haut wird nach hinten bewegt. Dazu besorgte sich Yazdan einen Laubbläser und blies anderen Studierenden mitten ins Gesicht. Die Fahrt nach unten ist das Gegenteil, der Laubbläser bläst von hinten und man sieht, wie die Haare nach vorne bewegt werden.

Ein weiteres Highlight ist eine reine 3D-Arbeit, fast wie ein Höllensturz. Es ist ein dunkler Schacht, in dem 3D-animierte Figuren durch den Raum stürzen, fallen und schweben. Man bewegt sich im Lift selbst in diesem Schacht um die Figuren.

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Credit: Vanessa Graf

Mit welchen Themen befassten sich die Studierenden bei den Arbeiten für den Deep Space?

Gerhard Funk: Es fällt auf, dass es diesmal gleich drei Programme gibt, die sich mit Partikelsystemen beschäftigen. Partikelsysteme haben immer etwas Faszinierendes an sich und sind ein beliebtes Versuchsfeld für Studierende. Die drei Beispiele sind in der Absicht und im Ergebnis aber sehr verschieden. Neu ist diesmal, dass wir auch eine erzählerische 2D-Animation ohne Interaktionsmöglichkeit zeigen, die ein ernstes Thema aufgreift und dabei die große Projektionsfläche des Deep Space nützt. Wir wollen damit auch die Inhalte, die normalerweise im Deep Space gezeigt werden, erweitern.

Es gibt zum Beispiel eine Arbeit, bei der man am Boden steht und Partikel strömen vorbei. Es ist ein ganz eigenes Erlebnis, in diesem Partikelstrom zu stehen und zu sehen, wie sie sich teilen und wieder schließen. Für Kinder, aber sicherlich auch für Erwachsene besonders attraktiv ist die Arbeit mit dem Feuerwerk. Hier geht es darum, möglichst viele luftballonartige Gebilde zu zertreten. Dadurch werden Feuerwerksraketen abgeschossen – wenn viele Menschen gleichzeitig laufen sieht man an der Wand ein sehr realistisches Feuerwerk.

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Credit: Vanessa Graf

Warum glaubst Du haben sich so viele Studierende mit Partikelsystemen auseinandergesetzt?

Gerhard Funk: Wenn man Partikelsysteme verwendet, gibt es zwei Grundmechanismen: Die Attraktoren, die Partikel anziehen, und andererseits Elemente, die die Partikel abstoßen, also sozusagen eine negative Kraft. Wenn man damit arbeitet, bekommt man sehr weiche, fließende Bewegungen, die immer wieder faszinierend sind. Bei einer entsprechenden Anzahl von Partikeln entstehen interessante Formen. Ich glaube, dieses weiche, organische Fließen – das ist das, was den Reiz von Partikelsystemen ausmacht.

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Credit: Vanessa Graf

Nach welchen Kriterien wählst Du die Arbeiten für TIME OUT aus?

Gerhard Funk: Bei den Liftvideos haben wir, wie bereits erwähnt, gemeinsam in der Gruppe die besten Ideen ausgewählt, wobei wir darauf achten mussten, dass sie in einer kurzen Produktionszeit umsetzbar sind. Die Arbeiten, die wir im Deep Space zeigen, sind das Ergebnis meiner Lehrveranstaltung im Deep Space, die auch offen ist für interessierte Studierende aus anderen Studienrichtungen. Es ist eine kleine Werkschau von Arbeiten mit durchaus unterschiedlicher Komplexität bei der das primäre Auswahlkriterium darin bestand, dass die Arbeiten im Deep Space lauffähig sind.

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Gerhard Funk (geb. 1958) studierte Mathematik und Kunsterziehung in Linz und promovierte 1989 in theoretischer Computer Science. Nach seiner Tätigkeit als AHS-Lehrer für Bildnerische Erziehung, Mathematik und Informatik und seiner Assistenten- und Forschungstätigkeit am RISC Linz wechselte er 1993 an die Kunstuniversität Linz, wo er die universitätsweite Ausbildung im Bereich der digitalen Medien aufbaute und die E-Learningplattform „Digital Media for Artists – DMA“ entwickelte. Seit 2004 ist er Professor am Institut für Medien und leitet das von ihm gemeinsam mit Joachim Smetschka konzipierte Bachelorstudium „Zeitbasierte und Interaktive Medien“

Die Ausstellung TIME OUT .08 wird am 16.03.2018 im Ars Electronica Center eröffnet. Mehr Informationen erfahren Sie auf unserer Webseite.

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