TEA Collective Wisdom – Ars Electronica in Taiwan

(13.10. – 23.12.2012, National Taiwan Museum of Fine Arts Taichung, Taiwan)

Ausstellungskatalog als download (PDF)

Pressekonferenz: 11.10.2012, 14:oo im Ministerium für Kunst und Kultur in Taipeh

Eröffnung: 12.10.2012, 18:00 // Symposium: 13.10.2012

Zum wiederholten Male ist Ars Electronica mit einer Ausstellung im NTMOFA in Taichung zu Gast. Diesmal wurden 17 Arbeiten zum Thema „Collective Wisdom“ zusammengesucht, die seit der Entwicklung des Internets in den 90er Jahren und bis heute in kollektiver Art und Weise mit einem Publikum entstanden sind. In Form eines Symposiums wird weiters ein geschichtlicher Überblick über die Entwicklung von Crowdart untersucht, zeitgenössische Arbeiten von Künstler/innen zu dem Thema im Detail vorgestellt und aktuelle Tendenzen diskutiert.Collective Wisdom ist die erste Ausstellung der Ausstellungsreihe TEA des NTMOFA und bedeutet TEA = Technology + Entertainment + Art.

Verfolgen Sie unsere Ausstellung bis 23. Dezember über ARS WILD CARD hier mit.

 

Foto by David Sun

Partizipative künstlerische Praxis über das Internet – Notizen zur Ausstellung

Dass ein Kunstprojekt auf Partizipation von verschiedenen Personen aufbaut, ist nicht erst eine Erfindung des Internets. Aber es ist das Internet und besonders das Social Web, das Partizipation an künstlerischen Prozessen einer noch nie dagewesenen Anzahl von Menschen ermöglicht.

Mit dem Internet wurde ein Medium geschaffen, das für KünstlerInnen und deren künstlerische Arbeiten eine neue Herausforderung und neue Möglichkeiten künstlerischen Ausdrucks bietet. Die Herausforderung der Kommunikation mit vielen Unbekannten veranlasste bereits Künstler wie Douglas Davis (US) in den 70er Jahren zu der Performance „The Last Nine Minutes: Live Performance for International Satellite Telecast“ bei der documenta VI in Kassel, Deutschland. War die Performance von Douglas Davis noch im Live Einweg- Kommunikations-Stiel der herkömmlichen Fernsehgewohnheiten und Telekommunikationsmöglichkeiten, so realisierte Davis im Jahr 1994 die Arbeit „The World’s First Collaborative Sentence“ und schuf wahrscheinlich das erste Netzkunstwerk, welches von einem unbekanntem Kollektiv über das Internet kollaborativ erarbeitet wurde.

„ Ich dachte sofort an die Tastatur, das Mittel zur Interaktion, die es beim Computer gibt, aber nicht bei Video oder anderer ›flacher Kunst‹. Der riesige Unterschied zwischen dem Fernsehen und dem Web ist die Tastatur: damit kann man alles sagen, alle Möglichkeiten, sich auszudrücken, stehen einem damit zur Verfügung. Das bedeutet, dass eine intensivere und persönliche Verbindung zwischen mir und dem Publikum entstehen kann. Warum sollte man also nicht die ganze Welt dazu bekommen, zusammen einen Satz zu schreiben. […][1]

Das Auslagern von Tätigkeiten an eine undefinierte und umfangreiche Personengruppe über das Internet, also das sogenannte System des crowdsourcing, wurde auch von Künstlerinnen und Künstlern in unterschiedlicher Weise angenommen. Kreieren, sammeln, distribuieren und kommunizieren sind die wesentlichen Tätigkeiten, die KünstlerInnen von ihrem online Publikum erledigen lassen. Was jedoch interessiert die KünstlerInnen und Künstler daran, dass Sie ihren kreativen Schaffensprozess gemeinsam mit so vielen unbekannten Personen teilen?

Aggregation

Die Arbeiten von Aaron Koblin (US) binden das Publikum als schaffende oder sammelnde Personen ein: „Malen Sie ein Schaf, das nach links sieht“, rief er im Jahr 2006 für sein Projekt „The Sheep Market“ über Amazon´s Mechanical Turk auf, gerade zwei Jahre nachdem diese Plattform gelauncht wurde. Bezahlte Arbeitsprozesse bilden auch die Basis  seines Kunstwerkes „Ten Thousand Cents“ aus dem Jahr 2008, das in Zusammenarbeit mit Takashi Kawashima (JP) entstand. Jeder sogenannte Mitarbeiter über Amazon´s Mechanical Turk wurde mit einem US Cent belohnt, wenn er/sie ein zehntausendstel einer 100USDollar Scheins nachzeichnete. Da der Künstler einerseits Arbeitsaufträge zur Realisation seines Werkes über das Internet an eine unbekannte „Arbeiterschaft“ über eine professionelle Arbeitsmarkt Plattform ausschreibt und andererseits diesen Prozess sichtbar macht, hinterfragt er damit nicht nur Themen wie Veränderungen von Arbeitsprozessen und des Arbeitsmarktes allgemein sondern im Besondern auch den Wandel einer künstlerischen Praxis aufgrund der neuen Technologien und Medien.

Aaron Koblin´s „Ten Thousand Cents“ und „The Sheep Market“

Im Sinne der Aggregation von James Surowiecki, der im Jahr 2004 sein Buch „The Wisdom of Crowds: Why the Many Are Smarter Than the Few and How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, Societies and Nations“ veröffentlichte, sind bei Aaron Koblin nicht die einzelnen Beiträge des Publikums von Interesse, jedoch der Zusammenschluss, die Anhäufung und Vereinigung der einzelnen Beiträge zu einem gemeinsamen Ganzen. So auch die Arbeit „Swarm Sketch“ aus dem Jahr 2005 des australischen Künstler Peter Edmunds, das als erstes gemeinsames online Zeichenexperiment bisher gilt: Der Künstler schreibt jede Woche ein Wort aus und das Publikum kann online einen Strich pro Bild pro Woche beitragen (bereits 206.421 individuelle Linien-Beiträge gestalteten bis dato 442 Bilder).

„Swarm Sketch“ von Peter Edmunds

Ideogenetic Machine“ (2011) von Nova Jiang (NZ) ist ein weiteres Projekt, das nach Beiträgen sammelt, um ein gemeinsames Ganzes und etwas Neues zu gestalten. Auch bei diesem Projekt wird der Fokus nicht auf den einzelnen Beitrag gesetzt, sondern auf den Zusammenschluss derselben: Die Künstlerin bittet in der Ausstellung, dass man als Silhouette ein Teil eines Comic Strips werden kann und somit gemeinsam mit dem Publikum über den Zeitraum der Ausstellung eine Geschichte erzählt.

„Ideogenetic Machine“ von Nova Jiang. Foto von Eyebeam.

 

Unbewusste Partizipation

Ist das Sammeln von Beiträgen bei den hier oben erwähnten Beispielen ein Akt, der von den Künstlern gesetzt wurde und der ein bewusstes Partizipieren des Publikums ermöglicht, so stellt das ‚Archiv Internet‘ auch das unbewusste Partizipieren von Personen frei. KünstlerInnen holen sich Informationen in Form von Bild-, Ton-, Schrift- oder Filmbeiträgen aus dem Netz und fügen diese Teile zu ihrem künstlerischen Werk zusammen. So auch die herausragende Arbeit „Face to Facebook“ (2011) der italienischen Künstler Paolo Cirio und Alessandro Ludovico. Sie nutzen das Fehlen von adäquaten Strukturen zu Copyrights und das Ausbleiben einer Bewusstseinsbildung zu Urheberschaften im Internet und zeigen uns auf, wie wir mit dem Veröffentlichen von Informationen umgehen. „Face to Facebook“ hat eine Million Profilbilder und Identitäten auf Facebook wahllos mittels einer selbst geschriebenen Software gestohlen und diese auf einer eigens eingerichteten dating website und über eine Gesichtserkennungssoftware miteinander in Verbindung gebracht. Mittlerweile musste die Partnervermittlungs-Website offline gestellt werden und Facebook klagte die Künstler. In der Ausstellung selbst kann der gesamte Prozess und die Kommunikation rund um das Kunstwerks nachempfunden und nachgelesen werden.

„Face to Facebook“ von Paolo Cirio und Alessandro Ludovico

Ähnlich dazu das Projekt von Kyle McDonald (US) „People Staring at Computers“ (2011), wenn es um die Grenzen zur Privatheit und Öffentlichkeit von Informationen bzw. unbewusster Partizipation von Personen geht. Man stelle sich vor, dass alle Vorzeige-Geräte in zwei gut besuchten Apple-Stores in New York mit einer selbst geschriebenen Software heimlich ausgestattet wurden, die auf den zum Verkauf angebotenen Computern jede Minute die integrierten Kameras aktiviert und Bilder von jenen Personen automatisch gemacht werden, die dieses Gerät gerade ausprobieren. Die Fotos der Personen, die auf den Computer starren, wurden an einen zentralen Server geschickt und auf einer Website ausgestellt. Zusätzlich wurde am letzten Tag der Intervention auf den Geräten der beiden Apple Verkaufsräume die automatisch produzierten Bilder ausgestellt. Apple als auch der United States Secret Service schalteten sich ein und das Kunstwerk wurde von einer Online Community weitergetragen und aufgrund der vielen Diskussionen bis dato am Leben erhalten.

„People Staring at Computers“ des ehemaligen Artist in Resindence des Ars Electronica Futurelabs  Kyle McDonald

 

Hello World! or: How I Learned to Stop Listening and Love the Noise“ von Christopher Baker (US) wurde ermöglicht, da sich der Künstler bei youtube und Facebook bediente und mehr als 5.000 Video-Tagebücher zu einer Installation verarbeitet. Das Interesse von Christopher Baker liegt zwar in den einzelnen Geschichten, die von mehr als 5.000 Personen vorgetragen werden und die der Künstler auserwählte. Jedoch erst dieser Zusammenschluss an bewegten Bildern und Soundfragmenten zu einer raumgreifenden Sound- und Videoinstallation lässt ein Bild und Gefühl im Betrachter/in der BetrachterIn entstehen, dass die Masse an Beiträgen präsentiert und sowie die Faszination als auch Ohnmacht zur Größe des Internets auf sehr poetische Art und Weise kommuniziert.

„Hello World!“ von Christopher Baker

Mittels unbewusster Partizipation von Personen arbeitet auch das Projekt „Twistori“ (2010) von Amy Hoy (US) und Thomas Fuchs (AT). Es handelt sich dabei um eine selbstgeschriebene Software, die tausende Twittereinträge nach Begriffen wie love, hate, think, believe, feel oder wish weltweit und in Echtzeit abfragt und auf einer Webplattform in Form von Newstickern präsentiert. Die Künstler selbst sprechen von einem sozialen Experiment, das Sie mit diesem Projekt eingehen, um einen Eindruck davon zu bekommen, was Menschen in aller Welt lieben, hassen, denken, glauben, fühlen oder sich wünschen. Auch dieses Projekt zeigt das (im wahrsten Sinne des Wortes) unendliche Interesse der Künstler an ungefiltertem Wissen zu Basisbedürfnissen und Alltagsleben.

„Twistori“ von Amy Hoy und Thomas Fuchs

Meinungsvielfalt und Diversität

Meinungsvielfalt und eine Diversität an Beiträgen ist ein weiteres Merkmal, warum sich KünstlerInnen dafür entscheiden, dass Sie mit einem unendlich großen Kollektiv an Personen online zusammenarbeiten möchten und dafür diverse social media Plattformen benützen. Aufbauend auf den Thesen des englischen Science-Fiction Pioniers H.G. Wells , der im Jahr 1938 bereits vom World Brain sprach, also von einer Ansammlung von Einzelwissen zu einem kollektivem Wissen, sowie basierend auch auf Veröffentlichungen von Paul Otlet, der seit 1934 die Vision eines Weltwissens-Netzes für alle hatte und ein Archiv des Weltwissens schaffen wollte zur Sicherung des Friedens, kann man verstehen, dass die Entwicklung von Wikipedia seit 2001 nur eine logische Folge war. Mit dem Web 2.0 und den technologischen Möglichkeiten wie Peer-to-Peer, also der Rechner-Rechner Verbindung innerhalb eines Netzwerkes seit dem Jahr 1999, wurden somit neue Standards gesetzt, was die Beteiligung und Meinungsvielfalt im Netz betraf.

Bereits im selben Jahr schuf der Künstler Scott Draves (US) das Projekt „Electric Sheep“. Er schrieb eine Software, die über das Internet verteilt wurde und mittlerweile über 450.000 Computer zu einem gemeinsamen ‚Supercomputer‘ verbindet. Basierend auf dem System eines Screensavers, der frei zum Download angeboten wird und einem entsprechendem Algorithmus, der vom Künstler vorgegeben ist, haben die Computer und Personen hinter den Rechnern Einfluss auf die Gestaltung der Animationen, oder kurz Electric Sheeps genannt.

„Electric Sheep“ als Rauminstallation von Scott Draves

Das Kunstwerk „Exquisite Clock“ (2009) von João Henrique Wilbert (BR)/FABRICA (IT), erinnert im Namen an die Ursprünge der partizipativen Kunst. ‚Exquisite Corps‘ order ‚Cadavre Exquis‘ nannten bereits die Surrealisten im Paris der 20er Jahre ihr künstlerisches Gesellschaftsspiel, das mehrere Personen erlaubt über ein gefaltetes Papier ein gemeinsames Kunstwerk zu schaffen. João Henrique Wilbert greift das System des Spiels auf und entwickelt neue Regeln. Um der Zeit ein Bild zu geben, sammelt er Bilder aus dem Alltag, die eine Nummer von Null bis Neun beschreiben. Er speichert die Bilder auf einem Server und stellt zufällig vom System ausgewählte Bilder auf seiner Website online nebeneinander. Die einzige Konstante ist die aktuelle Uhrzeit, auf der der Auswahlprozess der Bilder begründet ist.

„Exquisite Clock“ von João Henrique Wilbert

Zwei weitere Projekte, die von der Unterschiedlichkeit und Kreativität der beitragenden Personen profitieren, sind die Arbeiten des Ars Electronica Futurelabs (AT). „Shadowgram“(2010)  ist wie eine soziale Skulptur, die lebt und anwächst, solange das Publikum in der Ausstellung ihre Meinung und ihren Schatten zu einem Thema abgeben. Wie auf einer Bühne stehen die teilnehmenden Personen und werden von einer Kamera erfasst. Der Leuchtkasten im Hintergrund sorgt nicht nur für die entsprechende Ausleuchtung der Szene um Schattenbilder zu generieren, sondern verleiht Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit der Interpretationsgesten des Publikums zum Thema. Die Schatten der Personen werden anschließend auf Klebefolie automatisch ausgeschnitten und mittels Sprechblasen hinterlässt das Publikum seine Nachrichten in der Ausstellung.

Ars Electronica Futurelab´s „Shadowgram“ fragte in Taiwan „Was ist die Basis Ihrer Energie? Wo nehmen sie diese her?“

Im Gegenteil dazu die Smartphone-Applikation „Ars Wild Card“, die als kreativer Workshop im Stillen nach Beiträgen der BesucherInnen in der Ausstellung fragt. Das Publikum ist eingeladen mittels ihres Smartphones selbst gemachte Fotos zu den Kunstwerken online zu hinterlegen. Auch eine Kommentar-Funktion erlaubt das Hinterlassen von Nachrichten zu den Bildern. Gezeigt werden einerseits alle Beiträge auf einer Webplattform und andererseits können die beitragenden Personen Ars Wild Cards- Postkarten vorort ausdrucken und sogar nach Hause mitnehmen. Das Anwachsen der ausgedruckten Ars Wild Cards in der Ausstellung visualisiert, dass das Publikum nicht mehr nur Betrachter, sondern aktiver Teil der Ausstellung ist.

Shu Min Lin erklärt, wie Ars Wild Card funtioniert. Foto David Sun.

Dezentralisierung

Zwei Faktoren sind laut den Kuratoren Susanne Jaschko und Lucas Evers` Ausstellung und Katalogstatements „el proceso como paradigma  / process as paradigm“ (LABoral 2010) dafür verantwortlich, dass heute der Zugang sowie die Partizipation an Kunstwerken im Ansteigen ist: Einerseits sei das Kunstsystem durchrüttelt aufgrund des Fehlens von Strukturen bezüglich Urheberschaft sowie simplen Strukturen bezüglich Copyrights. Andererseits sei im Kunstbetrieb ein genereller Wandel vom Betrachter hin zum „involvierten Agenten“ zu bemerken. War vor den 90er Jahren des vorigen Jahrtausends der Zugang zur Kreation, Kommunikation oder zur Distribution von Kunst an eine große Anzahl von kunstinteressierten Personen schwer möglich, so wurde mit den neuen Technologien und dem Internet ‚Alltags-Medien‘ geschaffen, die es der KünstlerIn und dem Künstler nun erleichtern, ihr Publikum zu erreichen. Eine Art der Selbstermächtigung fand statt, eine Situation, in der die Kunst schaffenden Personen einen Schritt unabhängiger wurden von z. bsp. Galerien, Kunstmarkt oder diversen Institutionen.

Die breite weltweite Streuung des Internets ermöglicht u.a. auch das Bearbeiten von Orten, die unter Landflucht leiden. Ein Projekt, das ohne Internet nicht realisiert hätte werden können, ist „Buscando al Sr. Goodbar“ (2009) von Michelle Teran (CA). Die Künstlerin wurde von Techformance in Spanien beauftragt, um eine Intervention im öffentlichen Raum (in der Region Murcia) zu planen und durchzuführen. Michelle Teran sammelte dafür ausgewählte Videobeiträge, die von Personen aus der Region auf youtube gepostet wurden. Eine Bustour führte die Künstlerin mit ihrem Publikum an jene Orte, an denen die youtube videos entstanden und hochgeladen wurden (ein entsprechend automatisiertes Geotagging der Videobeiträge auf youtube ermöglicht ein Zurückführen der digitalen Daten an einen konkreten physischen Ort in der Stadt). Während der Bustour konnte das Publikum den realen Ort des Geschehens begutachten und traf auch die UrheberInnen der Videos vorort.

„Buscando al Sr. Goodbar“ von Michelle Teran. Foto von David Sun.

 

Die Aktionen „Trash Track“ und „Forage Tracking“ des SENSEable City Lab´s am MIT in Boston sind weitere Projekte, bei denen Arbeitsprozesse ausgelagert werden, die normalerweise in der Verantwortung von Politik oder Stadtverwaltung stehen. Wurde bei „Trash Track“ der eigentliche Müll mit kostengünstigen GPS Sensoren ausgestattet, so war die Untersuchung bei Forage Tracking in Sau Paulo Brazil per GPS Sensor verknüpft mit den MüllsammlerInnen in der Stadt. In beiden Projekten wurde eine Software geschrieben, die die Wege des Abfalls oder der SammlerInnen visualisiert und analysiert. Partizipation aus einem sozialen Interesse und Engagement veranlasste die beteiligten Personen bei diesen Projekten zur Mitwirkung.

„Trash Track“ und „Forage Tracking“ des SENSEable City Lab

Das taiwanesische Projekt „Purels/Rate Beat“ von Chi Tzu-Heng, Cho Li-Hang, Lee Chi-Ying und Lin Ting-Ta (alle aus Taichung/Taiwan) visualisiert die Währungsschwankungen verschiedener Weltwährungen online. Sobald eine Währung fällt oder steigt, werden Elektromagneten in der Ausstellung in Gang gesetzt, die wiederum mehrere Flaschen mit je einer Münze der entsprechenden Währung zum Klingen bringen. In der chinesischen Sprache klingen die Zeichen für „Wechselkurs steigt“ phonetisch sehr ähnlich den Zeichen „Ich kann springen“.

„Purels/Rate Beat“ von Chi Tzu-Heng, Cho Li-Hang, Lee Chi-Ying und Lin Ting-Ta. Foto von David Sun.

Vereinnahmung?

Partizipative und offene Schöpfungsprozesse an künstlerischen Werken haben sich in den letzten Jahren in den westlichen Ländern massiv verbreitetet. Die KünstlerInnen verstanden diese Möglichkeit als neue Motivation für ihren bisher oft hermetisch abgeschlossenen Schaffensprozess und suchten die Kommunikation und das Experiment, den Zufall und das Spiel mit vielen unbekannten Personen über das Netz. Es ist jedoch auch zu beobachten, dass gerade diese partizipativen Werke gerne gesehen werden von politischen Auftraggebern wie z.Bsp. einer Stadtverwaltung, von Firmen oder kulturellen Institutionen, die in dem Involvieren von vielen Personen (z. Bsp. der Bürger, der Kunden, der Cultural Community u.v.m.) einen Werbeeffekt  für sich erkannten. Auch das Auslagern von Tätigkeiten z. Bsp. an die Bürger soll nicht die Politik aus ihrer Verantwortung nehmen, so wie crowdfunding nicht die maßgebliche Lösung zur Finanzierung von Kunstprojekten in Zukunft sein kann. Bücher wie ‚Bastard Culture‘ von Mirko Tobias Schäfer (AT/NL) oder die gerade in Erarbeitung befindliche Veröffentlichung ‚Albtraum Partizipation‘ von Markus Miessen (DE) hinterfragen aktuell das System der Partizipation heute. Spannend, wie werden die KünstlerInnen auf diese Vereinnahmung reagieren?


[1] Douglas Davis, in: Tilman Baumgärtel, [net.art] Neue Materialien zur Netzkunst, Nürnberg 2001, S. 60ff