Future Narratives

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Wie können Geschichten über die Zukunft das Hier und Jetzt verändern?

Maria Pfeifer, Key Researcher & Artist; photo: vog.photo

Future Narratives erforscht bestehende und entstehende Zukunftsgeschichten und ihre Bedeutung für die Gesellschaft. Wie Seismolog*innen nach elastischen Wellen in der Erde suchen, zielt diese Forschung darauf ab, Spannungsfelder, Wellen und Risse zu lokalisieren, in denen zukunftsrelevante Themen entstehen. Diese Themen tauchen in Form von Erzählungen auf, die in das Gewebe des kulturellen Ausdrucks eingewoben sind, sei es in der Kunst, der Werbung, dem Journalismus oder der Wissenschaft. Die Untersuchung solcher Future Narratives und ihre Verbindung zu bestimmten Technologien lässt Rückschlüsse auf die Gesellschaft, ihre Wünsche, ihre Ängste und ihre Wandlungsfähigkeit zu. Die Erforschung von Future Narratives konzentriert sich aber nicht nur auf das Auffinden bestehender Geschichten, sondern auch auf die Methoden, sie zu erschaffen.

Was ist ein (zukünftiges) Narrativ?

Ein Narrativ ist eine sinnstiftende Erzählung – im weitesten Sinne. In der strukturalistischen Literaturtheorie werden Erzählungen durch eine zeitlich organisierte Abfolge von Handlungen definiert, in denen ein Ereignis die Situation verändert. Eine Erzählung kann in Form des geschriebenen Wortes, mit visuellen Mitteln oder jeder anderen Form der Kommunikation und des kreativen Ausdrucks erzählt werden. In einem soziologischen Sinne ist eine Erzählung ein gemeinsames Bild, das die Fähigkeit hat, kollektive Werte, Emotionen und Normen zu transportieren und zu konsolidieren. Die Praxis des Erzählens ist ein Kernelement der menschlichen Kultur, sie formt den Glauben und die Identität einer Gesellschaft. Jede*r handelt nach solchen Überzeugungen, nach Fiktionen, wenn man so will, nach Dingen, die nur in einem gemeinsamen Bewusstsein existieren, wie moralische Werte, Gesetze oder Traditionen. Narrative spielen daher eine wichtige Rolle beim Auslösen und Leiten von Veränderungsprozessen. Zukunftsnarrative sind immer Geschichten über den Wandel.

Jobs of the future in an automated mobility environment; photo: rawpixel, illustrationen: Nicolas Naveau, Ars Electronica Futurelab
Beyond The Frame; photo: Vanessa Graf

Welche Geschichten über die Zukunft erzählen wir (in Krisenzeiten)?

Das Potenzial des Wandels ist dem Konzept der Zukunft inhärent. So ungewiss sie auch ist, die Zukunft als Erzählung ist immer anders als die Gegenwart. Der Wandel findet ständig statt, aber wie kann man den globalen Wandel lenken? Wenn eine Gesellschaft will, dass sich die Zukunft zum Besseren wendet, kann sie entweder versuchen, die Vergangenheit zu reanimieren oder den Status quo zu bewahren – oder sie kann sich umgestalten, um den Herausforderungen zu begegnen, mit denen sie konfrontiert ist. Dieser Wandel ist mit Kosten – oder Gewinnen – verbunden, wenn man nicht nur seine Denkweise, sondern auch sein individuelles tägliches Verhalten ändert.

Zukunftserzählungen können Verhaltensänderungen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene auslösen und steuern. Wie wird eine Person oder ein Kollektiv zu einem Agenten des Wandels? Was ist das Merkmal einer solchen Person, Institution, Gruppe oder Aktion? Was ist ihre Geschichte? Was hindert jemanden daran, den Wandel zu leben und sein Verhalten zu ändern? Und welche Narrative dienen als Leitsystem in diesem Prozess? Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen individuellen und gesellschaftlichen Veränderungen, den Hindernissen und Triebkräften des Wandels ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt bei der Untersuchung und Erstellung von Future Narratives.

Zentrale Arbeiten

Blog-Posts zum Thema:

The Future Is Coded
„Ich trainiere Fußgängerinnen“: Verkehrsberufe der Zukunft
Innovation Lab: Digitale Innovationen am Bau
Diskussionen über die Zukunft in der School of the Future

Weitere Informationen

Publikationen

Christopher Lindinger, Maria Pfeifer: Art Thinking. In: Art in Science Museums. Towards a Post-Disciplinary Approach. C. Rossi-Linnemann, G. de Martini (Eds.). London, New York 2020, Ss 134 -144

KFV – Sicher Leben. Band #18. Berufe der Zukunft in einer automatisierten Mobilitätsumgebung. Wien, 2019

Maria Pfeifer: Future-oriented thinking and action strategies for the world of tomorrow. In: Out of the box. Ars Electronica 2019. Festival for Art, Technology, and Society. H. Leopoldseder, G.Stocker, C.Schöpf (Eds.)Linz 2019, S.294-395

Master Thesis: Pfeifer, Maria (2013) Seh-Buch, Video-Gedicht, Hör-Bild.
Diplomarbeit, Universität Wien. Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
BetreuerIn: Ivanovic, Christine

Interviews & Medien

“Wir sind selbst dafür verantwortlich, wie die Zukunft der Arbeit aussehen wird”. Maria Pfeifer, Key Researcher & Artist im Ars Electronica Futurelab, über Mobilitätsberufe im Jahr 2050 und warum es wichtig ist, die Zukunft zu Ende zu denken. New-Skills-Gespräche des AMS (34) – www.ams.at/newskills. Wien, 2020.

Chauffeur war gestern. Die Zukunft der Verkehrsberufe. orf.at, 29. Juli 2019.

So wird die Führung gefordert. Was passiert, wenn sich Führungskräfte allen Fragen der Mitarbeiterinnen stellen? Ein mutiges Setting zeigt: Wer es zulässt, gewinnt an Glaubwürdigkeit. 26.August 2019

Vier Szenarien, die zeigen, wie Roboterautos den Arbeitsmarkt aufwirbeln. Von Co-Bot-Workern bis zu mobiler Psychotherapie: Linzer Forscher entwickelten Visionen, welche Jobs der Mobilitätssektor von morgen bringt. 1.August 2019

Homo Digitalis. Webserie über die Zukunft des Menschen. BR & Arte 2017