Fugue
Fugue, Production still, Photo: Burak Kaçi

Fugue

Anet Sandra Açıkgöz (TR)

„Fugue ist eine poetische und zugleich tragische Reflexion über die Erfahrung einer armenischen Künstlerin in der Türkei – einem Umfeld, in dem Erinnerung und Identität einem ständigen Auslöschungsrisiko ausgesetzt sind. Die vierkanalige Videoinstallation ist konzeptuell im musikalischen Begriff der „Fuge“ verankert – abgeleitet vom Lateinischen fugere (fliehen) und fuguare (verfolgen) – und zeigt eine Gruppe von Menschen, vielleicht eine Familie, die sich in einer endlosen Schleife bewegt und einem Ball ausweicht, mit dem sie nie in Kontakt tritt. Der Ball steht sinnbildlich für historische Verantwortung und kollektive Rechenschaft, angestoßen von unsichtbaren Kräften. Diese systematische Vermeidung spiegelt eine Gesellschaft wider, in der die Regeln von den Mächtigen nach Belieben neu geschrieben werden – und in der Verbrechen bewusst im Unklaren bleiben.“

Jury Statement

Die Videoinstallation Fugue kreist um die performative Darstellung von Täterschaft und die Konfrontation mit kollektiven Traumata, die bis heute unbehandelt geblieben sind. Der Titel bezieht sich auf die musikalische Form der Fuge – eine polyphone Komposition, abgeleitet vom lateinischen fugere (fliehen) –, die durch Wiederholung und Überlagerung gekennzeichnet ist. Diese Struktur wird zum grundlegenden kompositorischen Prinzip des Werks – visuell wie akustisch.

Im Zentrum steht ein Spiel mit symbolischer Sprengkraft: Die Performer*innen weichen einem Ball aus, anstatt mit ihm zu interagieren. In dieser Choreografie wird der Ball zum Sinnbild für Schuld, Verdrängung und die Weitergabe von Verantwortung. Die Figuren wirken gefangen in einem endlosen Versuch, sich der Auseinandersetzung zu entziehen – ihr Verhalten wiederholt sich in unterschiedlichen räumlich-zeitlichen Konstellationen immer wieder aufs Neue.

Jeder der vier Videokanäle basiert auf einem gemeinsamen Ausgangspunkt, entfaltet sich jedoch zeitversetzt. Diese Montagetechnik verweist auf die komplexe Struktur der Fuge ebenso wie auf die anhaltende Wirkung kollektiver Traumata – und erzeugt letztlich eine Form der Zeugenschaft, die mit zunehmender Dauer kaum noch auszuhalten ist.

Credits

This project was realized in 2023 with the support of the Ali Ismail Korkmaz Foundation’s Young Artist Fund.

Thanks to:

Antranik Bakırcıoğlu, Burak Kaçi, Elif Yenigün, Hilal Baki, Kristin Açıkgöz, Mahir Geçikligün, Sibil Arsenyan, Tara Demircioğlu, Tarık Oruç, Yeğya Akgün & Miran Manukyan

The presentation of the work is funded by State of the ART(ist), a collaboration between the Austrian Ministry of Foreign Affairs and Ars Electronica.

Anet Sandra Açıkgöz

Anet Sandra Açıkgöz, geboren 1994 in Istanbul, schloss 2018 ihr Bachelorstudium an der Fakultät für Schöne Künste der Universität Sakarya ab und erwarb 2023 ihren Masterabschluss im Masterprogramm für Kunst und Design derselben Universität. In ihrer Abschlussarbeit beschäftigte sie sich mit dem Verhältnis von Repräsentation und Erinnerung – ausgehend von Spuren armenischer Architektur in der Stadt Sakarya. Açıkgöz veröffentlichte mehrere Texte zum Thema Erinnerung, unter anderem auf Plattformen wie SanatAtak und 5Harfliler. Ihre künstlerischen Arbeiten wurden in zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen gezeigt, insbesondere in der Türkei und Armenien.