Das Ars Electronica Festival 2016 beherbergt auch dieses Jahr wieder ein zweites, kleineres Festival: das u19 – CREATE YOUR WORLD. Dort werden auch die Gewinnerprojekte der gleichnamigen Kinder- und Jugendkategorie des großen Prix Ars Electronica ausgestellt. Der Preis zeichnet jedes Jahr aufs Neue Jugendliche unter 19 Jahren aus, die für besonders spannende und inspirierende Projekte, Ideen und Tüfteleien verantwortlich sind. Wie sieht die Welt von morgen aus, welche Aspekte sollten wir bewahren, wo muss etwas geändert werden? Das u19 – CREATE YOUR WORLD trägt nicht umsonst den Zusatztitel „Zukunftsfestival der nächsten Generation“, denn hier wird besprochen, überlegt, diskutiert und geforscht, wohin sich unsere Welt bewegt und wie wir das beeinflussen können.
Bisher wurde die Ausstellung immer von Erwachsenen entwickelt – die Form und das Konzept der Präsentation hatte also wenig mit den Jugendlichen selbst zu tun. Dieses Jahr soll das anders gehen: Susi Windischbauer, Kuratorin von CREATE YOUR WORLD, und Gerald Priewasser-Höller, Ausstellungsentwickler, luden die GewinnerInnen zu einem eintägigen Workshop in die PostCity in Linz ein, um gemeinsam ein Ausstellungskonzept zu erstellen.
Wir waren dort und haben uns nicht nur mit den beiden, sondern auch mit drei der Jugendlichen, Dimitri Teufl, Felix De Montis und Johannes „Joey“ Eschner, über das Ausstellungskonzept unterhalten.
Credit: Vanessa Graf
Dieses Jahr sind die Jugendlichen erstmals an der Ausstellungsgestaltung von CREATE YOUR WORLD beteiligt. Was genau passierte im Workshop, und warum?
Susi Windischbauer: Wir haben die U19-Gewinner eingeladen, damit sie mit uns die Ausstellung gestalten und konzipieren. Bisher war es so, dass diese Ausstellung einfach von uns gemacht wurde. Wir sind heute Vormittag einfach durch alle Projekte durchgegangen, jeder durfte sein Projekt präsentieren. Für uns war dann gleich klar, dass die Projekte viel mehr Potential haben als man ursprünglich meinen könnte, wenn man nur Videos und Fotos sieht. Jetzt geht es darum, dass man die Projekte bestmöglich präsentiert, sodass genau das auch den Besuchern und Besucherinnen vermittelt wird.
Das Konzept des Workshops ist es, dass wir Beziehungen zwischen den Projekten herstellen wollen. Wir wollen sie nicht nur einzeln nebeneinander hinstellen, sondern eigentlich eine Geschichte erzählen – wie hängen sie zusammen, wie entsteht dadurch eine Art Nachbarschaft? Die Idee von Gerald und mir war, eine Art Landschaft zu bauen, mit Städten als Knotenpunkte. Die Landschaft entsteht aus den Projekten, die mit Linien verbunden werden – das haben wir als Gerüst in Wirklichkeit auch aufgebaut. Jetzt geht es darum, sich zu überlegen, wie wir diesen Rahmen verwenden. Was wir jetzt tatsächlich mit diesem Gebilde machen, das beim heutigen Workshop entstanden ist – ob wir es so übernehmen oder ob es in irgendeiner anderen Form weiterverarbeitet oder auf etwas anderes übertragen wird, das ist jetzt noch nicht so wichtig. Eigentlich geht es erst einmal um diese Platzierung der Projekte zueinander.
Gerald Priewasser-Höller: Die Idee dahinter ist, dass man die u19-Teilnehmer trotz der Tatsache, dass sie sich nicht kennen, auf einen gemeinsamen Nenner führen muss, ohne dass man ihnen zu sehr aufoktroyiert, wie die Ausstellung aussehen muss. Die Überlegung war einfach, wie können sie selbst erkennen, welche Zusammenhänge zwischen den Projekten bestehen, sich selbst darüber entdecken, wie können sich vielleicht sogar Synergien ergeben und auch neue Ideen auftauchen. Das Konstrukt ist nur ein Hilfsmittel – es verbildlicht diese unentdeckten Dinge zwischen den einzelnen Projekten, ob es pragmatische Zusammenhänge sind oder inhaltliche, organisatorische oder technische. Es geht darum, dass jeder mit seinen Interessen Möglichkeiten hat, diese einzubringen, und dadurch Architektonisches, Abstraktes, Konstruktes entsteht, das auf den ersten Blick genauso undurchsichtig ist wie diese Zusammenhänge. Es werden durch den Workshop gemeinsame Verbindungen gefunden.
Diese Konstruktion stellt die Vernetzungen der Projekte (markiert mit den roten Karten) dar.
Credit: Vanessa Graf
Worin liegt für Sie der Mehrwert, die Ausstellung gemeinsam mit den Jugendlichen zu gestalten?
Susi Windischbauer: Der Mehrwert liegt für mich darin, dass wir so die Projekte besser verstehen können. Wir haben zum Beispiel ein Video gesehen, Guilt, bei dem ich mir denke, dass sich dadurch, dass wir dieses Video gemeinsam mit demjenigen sehen konnten, der es gemacht hat, für mich verdeutlich hat, dass dieses Video viel mehr braucht. Es braucht eine Erklärung dazu, wie das Video entstanden ist, es braucht ein gewisses Setting, ein paar Infos zum Making-Of. Für mich ist die Produktion gleichwertig mit dem Produkt, eigentlich bei allen Projekten. Das Produkt steht manchmal sogar gar nicht so sehr im Vordergrund, sondern eher was sich die Jugendlichen dabei gedacht haben, warum haben sie eigentlich überhaupt begonnen, daran zu arbeiten. Das finde ich viel passender für das Motto „Create Your World“ als die Produkte an sich. Das geht manchmal verloren – der Prozess ist aber wichtig, man merkt einfach, es sind extrem engagierte Leute, die sich sehr viele Gedanken dazu gemacht haben. Wenn man nur die Projekte ausstellt, dann kann man auch nicht vermitteln, wie engagiert diese Leute sind. Jetzt, nach dem Workshop, denke ich mir, dass wir uns noch viel mehr ins Zeug legen müssen, damit wir die Projekte auch richtig gut präsentieren können. Alleine dafür war es der Workshop heute schon wert.
Gerald Priewasser-Höller: Es ist eine Frage von Respekt, meiner Meinung nach, oder auch eine Wertschätzung den Jugendlichen gegenüber, die bei der u19 einreichen. Die sich beteiligen und dann auch gleichwertig behandelt werden, wie andere Teilnehmer. Es wird ihnen die Möglichkeit geboten, dass sie sich auf der Plattform der Ars Electronica präsentieren, wodurch es zu einer Veröffentlichung und auch zu einer breiteren Sichtbarkeit dieser Projekte kommt. Daher finde ich es großartig, dass, ebenso wie bei geladenen Künstlern, die Ausstellung nicht von außen kuratiert oder diktiert wird, sondern dass die Jugendlichen sich selbst dadurch mehr mit dem Angebot der Ars Electronica identifizieren können.
Credit: Vanessa Graf
Was hoffen Sie können die Jugendlichen von dem Workshop mitnehmen?
Susi Windischbauer: Ich denke, die Jugendlichen fühlen sich dadurch viel gleichwertiger. Wir haben ihnen als Einstieg gesagt, dass unsere Motivation war, dass wir mit allen Künstlern Installationen machen und ihnen dabei freie Hand geben. Sie kommen zu uns, bauen die Projekte selbst auf, machen eigentlich alles selbst. Für die u19 haben das bis jetzt immer wir gemacht oder es ihnen bis jetzt immer in irgendeiner Form abgenommen.
Gerald Priewasser-Höller: Man kann nicht immer gleich ergebnisorientiert antworten auf so einen Workshop – das sitzt oft im Kopf noch viel länger, man nimmt was mit, auch die Diskussionen, die man in diesen Workshops führt, ergeben Zusammenhänge, die man im ersten Moment gar nicht erkenn. Ich denke, das ist genau das Prozessuale, das der Workshop so an sich hat. Irgendwann wird ihnen ein ähnliches Ding über den Weg laufen und sie werden darüber nachdenken, dass sie selbst auch schon einmal an so etwas teilgenommen haben. Ich finde es jedenfalls super, wie sie sich alle präsentiert haben, auch wirklich von sich selbst überzeugt. Die Arbeiten sind qualitativ sehr hochwertig und auch berührend.
Credit: Vanessa Graf
Dimitri, Joey und Felix, mit welchen Projekten nehmt ihr am Workshop teil?
Dimitri Teufl: Ich habe das Projekt „Flucht“ gemacht. Im Projekt Flucht geht es, wie der Name schon sagt, um die Flucht aus einer Heimat von Asylwerbern, die zu uns kommen – Leute, die wegen Krieg die Heimat verlassen mussten, wegen einer Hungersnot, weil sie kein Geld mehr hatten, oder vielleicht arbeitslos sind. Ich habe einen LEGO-Stop-Motion-Film über das Thema gemacht – dabei macht man verschiedene Bilder von LEGO-Figuren, die man immer wieder ein bisschen bewegt. Die Bilder schneidet man zusammen und spielt sie schnell ab, dann ergeben sich flüssige Bewegungen, wie ein Film.
Joey Eschner: Unser Projekt heißt reflecty – es ist ein smarter Spiegel, der im Gegensatz zu anderen smarten Spiegeln, die es schon gibt, auch als Hauptinterface für ein smartes Zuhause funktionieren kann. Vor drei, vier Jahren haben wir angefangen, gemeinsam verschiedene Projekte zu machen. Letzten Sommer haben wir beschlossen, dass wir gemeinsam eine WG gründen – da hatten wir dann auch diese Idee mit dem Spiegel. Wir haben vorher schon so ähnliche Projekte gesehen und dachten uns, wir wollen das noch verbessern, wir wollen noch eines draufsetzen und einen Spiegel machen, der Informationen anzeigen kann, aber mit dem man auch interagieren kann.
Mit dem smarten Spiegel von Joey Eschner und Felix De Montis kann man sogar interagieren.
Wie wichtig findet ihr die Teilnahme am Workshop zur Ausstellungsgestaltung?
Dimitri Teufl: Ich finde es schon wichtig, dass man ein bisschen selbst mitbestimmen kann, weil man sich ja sicher ein paar Gedanken über die Projekte und die Ausstellung gemacht hat. Oft hat man sich das vorgestellt, man möchte es cool gestalten und ausstellen, und wenn man das alles selbst nicht planen und selbst nicht viel mitbestimmen kann, dann ist der Reiz eher weg. Beim Workshop heute gab es genug Zeit, um sich selbst einzubringen, und ich finde, wir haben auch viel mitbestimmen dürfen. Wir haben selbst auch ein bisschen unsere Ideen gezeigt.
Felix De Montis: Es ist schon wichtig, dass wir den Reflecty so rüberbringen können, wie wir uns es vorstellen. Wenn die Ausstellung ganz von jemand anderem gestaltet werden würde, würde die Idee unseres Smart-Spiegels vielleicht nicht ganz rüberkommen. Es würde wahrscheinlich einfach nur dastehen, aber es gäbe zum Beispiel keine Interaktion mit den Lichtern oder anderen Dingen, die noch möglich sind.
Joey Eschner: Dadurch, dass jetzt die Idee entstand, die Ausstellung vielleicht wie ein Wohnzimmer zu gestalten, ist das ziemlich maßgeschneidert auf unseren Spiegel, weil ja das auch schon die Idee dahinter war. Ich finde es eigentlich generell spannend, dass man sich da so einbringen konnte.
Credit: Vanessa Graf
Was erwartete ihr euch von der Zusammenarbeit mit Kuratorin Susi Windischbauer und Ausstellungsentwickler Gerald Priewasser-Höller?
Joey Eschner: Wir haben uns ungefähr das erwartet, was wir dann auch im Workshop erlebt haben – wir wollten sehen, wie das da aufgebaut ist, was für Möglichkeiten zur Verfügung stehen, uns auch mit den anderen ein bisschen vernetzen – im wahrsten Sinne des Wortes, mit der Konstruktion, die wir bauten, aber auch so natürlich. Die Zusammenhänge finden. Das Bauen des Gerüsts war lustig und interessant, vor allem, wenn das wirklich in die Ausstellung eingebaut wird – um die Projekte zu visualisieren und nicht einfach nur hinzustellen. Besser auf jeden Fall, als man schreibt einfach eine Liste und verbindet die verschiedenen Dinge damit.
Susi Windischbauer, geboren 1983, studierte Kunstgeschichte und Kulturmanagement an der Universität Graz. Vor ihrer Arbeit bei Ars Electronica arbeitete sie mit verschiedenen Kultur- und Jugendorganisationen, darunter die Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs, die Bundesjugendvertretung, sowie die Internationale Sommerakademie für Bildende Künste in Salzburg. Im Jahr 2007 begann sie, beim Prix/Festival-Team von Ars Electronica zu arbeiten. Sie ist verantwortlich für die Kinder- und Jugendkategorie des Prix, „u19 – CREATE YOUR WORLD“.
Gerald Priewasser-Höller studierte Raum und Design Strategien an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, bevor er begann, bei Ars Electronica zu arbeiten. Seit 2006 ist er verantwortlich für Ausstellungsentwicklung und Kreative Technologien der Ausstellungen der Linzer Institution.
Dimitri Teufl (geboren 2003) ist 13 Jahre alt, lebt in Tirol und besucht das BRG Wörgl. Er interessiert sich für Fußball, Mini-Videos und Computerspiele. Einen Großteil seiner Freizeit widmet er seiner kleinen Schwester, Naima. Er erhielt eine Auszeichnung beim diesjährigen Prix Ars Electronica in der Kategorie u19 für Jugendliche unter 19 Jahren
Felix De Montis (geb. 1997) und Johannes Eschner (geb. 1997) arbeiten schon seit ihrer Schulzeit an verschiedenen Projekten im Bereich der Informatik. Während Felix verschiedenste (Web-)Projekte programmiert, beschäftigt sich Johannes mit (3D-)Design und Visualisierung. Zusammen basteln sie aber auch gerne an der Hardware ihrer Erfindungen. Sie erhielten eine Anerkennung beim diesjährigen Prix Ars Electronica in der Kategorie u19 für Jugendliche unter 19 Jahren.
Das u19 – CREATE YOUR WORLD Festival findet während des Ars Electronica Festival, von 8. bis 12. September 2016 statt. Besucht werden kann das Festival in der PostCity, dem ehemaligen Post- und Paketverteilzentrum, Bahnhofplatz 12, 4020 Linz (neben dem Hauptbahnhof Linz).