netidee 2016: Hard- und Software, die verbindet

Lemmings,

Jedes Jahr belohnt die Internet Foundation Austria (IPA) mit ihrem Wettbewerb netidee und Fördergeldern von insgesamt einer Million Euro Projektideen und wissenschaftliche Abschlussarbeiten, die das Internet in Österreich ein weiteres Stück vorantreiben. Wir stellen drei Projekte vor, die im Herbst 2016 ausgezeichnet wurden: Einen Sonderpreis in der Kategorie „Internet of Things“ gab es für das Framework „Prometheus“, das EntwicklerInnen von Chatbot-Software unterstützt. Den Sonderpreis „Internet for Refugees“ erhielt die Smartphone-App „Pocket Code“, mit der Kinder und Jugendliche ihre eigenen Spiele oder Geschichten direkt am Handy erstellen können. Die Ladestation mesaSolar ist ein weiteres Beispiel von vielen Projektideen, die im Jahr 2016 Fördergelder von netidee erhalten haben. Thomas Schranz, Projektleiter von Prometheus und CEO des Unternehmens Blossom, Matthias Müller von der International Catrobat Association, dem Unternehmen hinter „Pocket Code“, und Matthias Humpeler, mesaSolar-Projektleiter von Ingenieure ohne Grenzen Austria, haben uns ihre Ideen vorgestellt.

netidee 2016 winners

Die GewinnerInnen der netidee 2016. Credit: Alexander Müller | www.alexander-mueller.at

 â€žPrometheus“ hat den Sonderpreis „Internet of Things“ erhalten – was ist das genau?

Thomas Schranz: Mit „Prometheus“ wollen wir es so einfach wie möglich machen, um künstliche Intelligenz in bestehende sowie neue Systeme einzubinden. Im ersten Schritt geht es vor allem darum, aktuelle Konzepte des Maschinellen Lernens aus der Forschung zugänglich zu machen. Konkret geht es dabei um Bilderkennung, Stimmungserkennung und Spracherkennung. Das ist die Grundlage, um sowohl Software intelligenter zu machen als auch um Dingen Leben einzuhauchen. Egal, ob das ein Chatbot, ein Kühlschrank, eine Tür, eine Badewanne oder ein Staubsauger ist.

Lemmings / Ars Electronica Festival

TeilnehmerInnen der Veranstaltungsreihe Lemmings haben bereits beim Ars Electronica Festival 2016 Chatbots gemeinsam entwickelt – damals noch ohne „Prometheus“. Credit: lemmings.io

Wie kamen Sie auf die Idee, „Prometheus“ zu entwickeln?

Thomas Schranz: Bei Blossom haben wir mitbekommen, dass immer mehr unserer Kunden im Silicon Valley begonnen haben, Chatbots statt klassische Apps zu bauen und uns gedacht, dass das ein interessanter Trend ist, den wir uns genauer ansehen sollten. Kurz darauf hat Facebook im vergangenen Jahr auf ihrer F8-Konferenz angekündigt, die Facebook Messenger Plattform für EntwicklerInnen zu öffnen. Seitdem haben viele Leute weltweit das Rad immer wieder neu erfunden, um ihre Chatbots zu entwickeln. Ähnlich wie „Ruby on Rails“ vor ein paar Jahren die Entwicklung von Web-Anwendungen stark vereinfacht hat wollen wir mit Prometheus die Best Practices rund um Chatbots und intelligente Systeme in ein leicht zugängliches Open-Source-Framework gießen. Eine frühe Version von Prometheus wird bereits im Februar 2017 bei Lemmings, einer Veranstaltungsreihe rund um Digitalkunst und künstliche Intelligenz, zum Einsatz kommen. Wir sind schon sehr gespannt was dabei heraus kommen wird.

Ein weiterer Sonderpreis wurde der Software „Pocket Code“ in der Kategorie „Internet for Refugees“ verliehen – inwiefern kann dieses Projekt Flüchtlinge unterstützen?

Matthias Müller: Neue Technologien, im Speziellen IT, haben über die letzten Jahre hinweg unzählige neue Möglichkeiten und Chancen eröffnet. Der Aufstieg junger Unternehmen im Silicon Valley oder die immer stärker wachsende Start-Up Szene in Europa zeigen deutlich die Kraft, die diese neue digitale Welt beflügelt. Zusätzlich führen sinkende Hardwarepreise zu einer immer größeren Durchdringung von Smartphones und Internetzugängen auch in benachteiligten Regionen der Welt. Wichtig ist es aber auch speziell auf die Menschen in diesen Regionen einzugehen – Services in der jeweiligen Landessprache und speziell auf die Zielgruppe ausgerichtet auch zu entwickeln bzw. anzupassen.

Mit unserer App „Pocket Code“ und der Entwicklung in Rechts-nach-Links-Sprachen können wir hier jedem die Möglichkeit bieten sich aktiv in diese digitale Welt einzubringen, zu lernen wie sie aufgebaut ist und sich mit diesem Wissen neue Chancen zu erschließen. Vor allem Flüchtlinge und Personen in Krisengebieten können so einfach, schnell und kosteneffizient – in ihrer Muttersprache – einen neuen Bildungsbereich erschließen. Logische Denkweisen, Verständnis für Abläufe und ein innovatives Verständnis für Technik sind Fähigkeiten, die unsere Zukunft prägen werden, und mit „Pocket Code“ einfach vermittelt werden können. Und es kann damit der globale Fachkräftemangel und die Notwendigkeit des Mitgestaltens der digitalen Transformation nachhaltig gelöst werden.

Catrobat Team

Ein Teil des Teams, das hinter „Pocket Code“ steht – fast ausschließlich StudentInnen und Freiwillige. Credit: Catrobat

Wie kam es zur Idee dieses Projekts und wie viele Leute waren bisher daran beteiligt?

Matthias Müller: Das durch eine Idee von Univ.-Prof. Wolfgang Slany entstandene Projekt hat seinen Ursprung im Jahr 2003 an der Technischen Universität Graz, wo bei verschiedenen Anlässen Kindern und Jugendlichen das Programmieren nähergebracht wurde. Sie hatten großen Spaß daran, mit visuellen Programmierumgebungen einfache Spiele zu erstellen und nicht nur bloß AnwenderInnen sondern auch EntwicklerInnen zu sein. Dieser Ansatz wurde dann ab 2010 in unsere mobile Open-Source-Lösung „Pocket Code“ eingebracht, welche im Gegensatz zu traditionellen Desktop-Anwendungen vor allem kosteneffizient und portabel auf den Handys der Kinder und Jugendlichen einsetzbar ist.

Diese Vision wurde mittlerweile von über 600 ProjektmitarbeiterInnen getragen, wovon allein heute über 150 aktiv an der Entwicklung dieser Services arbeiten. So fließen das Know-how und die Ideen verschiedener Personen in das Open-Source-Projekt ein, das ständig weiterentwickelt wird. Verschiedene Hardwareerweiterungen, Partnerschaften mit Unternehmen und eine aktive Community führen so zu einem breiten Angebot für unsere UserInnen. Mit einfachen grafischen Blöcken können sogar Jugendliche und ProgrammieranfängerInnen ein spannendes Spiel, eine farbenfrohe Animation oder vernetzte Hardware erstellen. Und die Open-Source-Philosophie wird auch unter den Jugendlichen aus über 200 Ländern verbreitet, die unsere Apps bisher circa 500.000 Mal heruntergeladen haben.

mesaSolar

mesaSolar: Aufladen, um in Kontakt zu bleiben. Credit: Ingenieure ohne Grenzen Austria

Das Thema Flüchtlinge hat auch den Verein „Ingenieure ohne Grenzen“ motiviert, die Ladestation „mesaSolar“ zu entwickeln. Wie kam es dazu?

Matthias Humpeler: In der Flüchtlingskrise 2015 hat der Verein Ingenieure ohne Grenzen Austria Handyladestationen und WLAN-Hotspots für Flüchtlingsheime und Bahnhöfe gebaut. Diese Ladestationen wurden von vielen Geflüchteten verwendet. Der mesaSolar ist die Weiterentwicklung der Ladestation zu einem Integrationsprojekt, das von und mit geflüchteten Personen errichtet und betrieben werden soll.

Welche Funktionen haben Sie bei „mesaSolar“ integriert und warum?

Matthias Humpeler: Der mesaSolar ist eine überdachte Sitzmöglichkeit mit smarten Funktionen im öffentlichen Raum. Ein gebogenes Solarmodul als Dach versorgt einen WLAN-Hotspot und eine mobile Messstation für Umweltdaten. BesucherInnen können zusätzlich über eine Lademöglichkeit ihre mobilen Geräte aufladen.

mesasolar

mesaSolar als Integrationsprojekt. Credit: Ingenieure ohne Grenzen Austria

Wo war „mesaSolar“ bereits im Einsatz? Wie haben die Flüchtlinge dieses Gerät genutzt, wie haben sie darauf reagiert?

Matthias Humpeler: Der Tisch wurde von und mit geflüchteten Personen in OpenMarx, im Städtelabor der Technischen Universität Wien im 3. Bezirk, errichtet. Die ersten Passanten aus einer nahegelegenen Garteninitiative haben besonders das gebogene Solarmodul und die künstlerischen Verzierungen bewundert. Im Frühjahr/Sommer wird die derzeit noch in Entwicklung befindliche Messelektronik eingebaut, das EntwicklerInnenteam besteht aus StudentInnen der TU Wien und geflüchteten Personen aus dem Fachbereich Softwareengineering.

netidee

Gemeinsam mit netidee wird auch 2017 ein Spezialpreis in der Kategorie „u19 – CREATE YOUR WORLD“ des Prix Ars Electronica vergeben, bei der Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren aus Österreich ihre Ideen zum Thema Internet einreichen können. Zu gewinnen gibt es dabei die netidee 2017 sowie 1.000 Euro. Einreichschluss ist der 13. März 2017. Alle Infos zur Teilnahme gibt es auf ars.electronica.art/u19/prix.

, ,