Innovation durch Interdisziplinarität

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Der STARTS Prize bringt verschiedene Disziplinen zusammen, um daraus neue Gedankenwelten zu generieren, neues Denken durch gegenseitigen Einfluss überhaupt erst zu provozieren. Kunst, Technologie, Wissenschaft. Diese Trias ist bei dem jährlichen Wettbewerb gefragt und die Kunst kommt hier nicht von ungefähr dazu – sie soll das Quäntchen Kreativität beitragen, damit die Erfindungen bahnbrechend werden. Die besten Projekte aus allen Einreichungen werden auch dieses Jahr wieder beim Ars Electronica Festival präsentiert. Was uns da erwartet, das erzählen uns Florina Costamoling, Projektmanagerin von STARTS, und Veronika Liebl, stellvertretende Festivalleiterin.

Arte Eletrônica Indígena, The Earth that is, Credit: Bruno Gomes & Karapoto Plak-o

Welche STARTS Prize Projekte werden heuer am Ars Electronica Festival vertreten sein?

Florina Costamoling: Neben den Grand Prize Gewinnerprojekten Ciutat Vella’s Land-use Plan von 300.000 Km/s, einem innovativen Stadtplanungsprojekt in Barcelona, und Project Alias von Bjørn Karmann und Tore Knudsen, einem lernfähigen Parasiten, der uns Kontrolle über unsere Heimassistenten zurückgibt, werden 16 weitere STARTS Prize’19 Projekte in der Ausstellung zu sehen sein.

Die Themengebiete und Zugänge sind dabei sehr vielfältig. Kate Crawford / AI Now Institute und Vladan Joler / SHARE Lab geben uns zum Beispiel mit ihrer Datenvisualisierung Anatomy of an AI System Einblick in die Komplexität der Prozesse, die hinter unseren Heimassistenten stehen, indem sie Ressourcen aufzeigen, die für den Bau und Betrieb eines Amazon Echo benötigt werden. Einen Ausgangspunkt für die Diskussion von Fragestellungen und Problematiken, die sich durch die derzeitige Entwicklung von DIY-DNA-Synthesizer auftun, bietet die Arbeit BLP-2000D von BCL – Georg Tremmel und Shiho Fukuara. Eine neue Perspektive auf unsere Wahrnehmung gibt das Projekt Beholder von United Visual Artists, eine VR Installation die sich künstlerisch mit neurodivergenten Wahrnehmung beschäftigt. Meandering River von onformative und kling klang klong zeigt in einer KI-generierten audiovisuellen Installation, wie sich Flussläufe über längere Zeit hinweg verändern. Mit neuen Materialien und Fabrikationsmethoden hat sich Jen Keane in ihrer Arbeit This is grown. auseinandergesetzt und ein neues natürliches Material entwickelt, dass durch Bakterien gewebt wird und dadurch nach Bedarf und ohne Verschnitt hergestellt wird. Idalene Rapp und Natascha Unger haben in ihrem Projekt Stone Web – Expanding Space ein leichtes, extrem stabiles, modulares System für Möbel und räumliche Konstruktionen aus Basalt umgesetzt.

Ein weiteres großartiges Beispiel für interdisziplinäre Kollaborationen ist SimCath von Fernando Bello, ICCESS & Salomé Bazin, Cellule studio, bei dem ExpertInnen aus Ingenieurwesen, Informatik, Kardiologie, Performance, Szenografie und Produktdesign eine portable Trainingsumgebung für Simulationstraining von zukünftigen ChirurgInnen entwickelt haben. Daimler setzt sich mit einer Reihe von Projekten, zu denen auch SLAP – See Like A Pony von Sabine Engelhardt gehört, durch interdisziplinäre Zugänge mit möglichen Kommunikations- und Kollaborationswegen zwischen Menschen und selbstfahrenden Autos auseinander. Das ist nur ein kleiner Einblick in einige der Projekte und Themengebiete, eine vollständige Liste aller Arbeiten in der Ausstellung ist hier zu finden.

Journey on the Tongue, Credit: Ayako Suwa, Evala, Yasuaki Kakehi

Welche KünstlerInnen werden anwesend sein und wer wird im Rahmen von STARTS Talks sprechen wird?

Florina Costamoling: Die STARTS Prize Grand Prize Gewinner und Gewinnerinnen 300.000 km/s sowie Bjørn Karmann und Tore Knudsen werden ihre Arbeiten bei den STARTS Talks am Freitag vorstellen. Am Samstag wird es die Möglichkeit geben, bei einem Workshop mit 300.000km/s über Lebensqualität und Stadtplanung zu diskutieren und gemeinsam mit Bjørn Karmann und Tore Knudsen seinen eigenen Smart Home-Parasiten zu bauen und danach mit nach Hause zu nehmen. Daneben wird es am STARTS Day am Freitag in verschiedenen anderen Panels auch Präsentationen von Jen Keane, Idalene Rapp und Natascha Unger, Salomé Bazin und Sabine Engelhardt geben.

Auch Jie Qi wird ihr Projekt PatentPandas.org, eine Plattform zur einfachen Erklärung von Patentrechten, am STARTS Day vorstellen. Die Künstlerinnen und Künstler von Journey on the Tongue, einer Geschmacks- und Klanginstallation, werden ebenfalls vor Ort sein und das multisensorische Erlebnis mit den Besucherinnen und Besuchern in der Ausstellung durchführen. Stephan Schakulat von 30°, einer Installation zur Visualisierung wissenschaftlicher Meeresmessungen und Vertreterinnen vom Projekt Arte Eletrônica Indígena, bei dem indigene Gemeinschaften im brasilianischen Nordosten gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern elektronische Kunstwerke geschaffen haben, werden auch am Festival anzutreffen sein. Hakan Lidbo, mit Alterplex und einer Reihe weiterer Spiele in der Ausstellung vertreten, wird wie Vladan Joler und Georg Tremmel auch das Festival besuchen.

Stone Web Credit: Kunsthochschule Weissensee, Idalena Rapp & Natascha Unger

2018 gab es außerdem erstmals einen STARTS Day. Könnt ihr uns kurz erklären, was das ist und ob es den auch heuer wieder geben wird? Wie schaut der im Vergleich zum Vorjahr aus?

Florina Costamoling: Der STARTS Day ist ein spezielles diskursives Programm, das sich an Personen richtet, die in interdisziplinären Kooperationen zwischen Kunst, Technologie und Wissenschaft tätig sind und/oder Interesse an den Möglichkeiten und Potentialen haben, die es in diesem Bereich gibt. Während letztes Jahr verschiedene Initiativen ihre Projekte allgemein vorgestellt haben, werden wir uns heuer spezifisch auf die Praktiken und die Potentiale fokussieren, die durch die Miteinbeziehung von Künstlerinnen und Künstlern in technologische Entwicklungen und wissenschaftliche Forschung entstanden sind. Welche Erfahrungen dabei in den verschiedenen Initiativen und Projekten gemacht wurden und welche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Kooperation geschaffen werden müssen, wird genauso präsentiert und diskutiert werden wie inspirierende Beispiele und herausragende Resultate, die dabei entstanden sind.

Veronika Liebl: Im ersten Teil des STARTS Day wird es konkret um die Wirkung von interdisziplinären Kooperationen gehen. Wir haben ExpertInnen eingeladen, die aus ihrer praktischen Erfahrung berichten können, was der Wissenstransfer und die unmittelbare Zusammenarbeit für KünstlerInnen wie auch WissenschaftlerInnen und Unternehmen bedeutet. Mit dabei sind neben Vertreterinnen und Vertretern aus den STARTS Projekten Re-FREAM, MindSpaces, STARTS Residencies, STARTS Prize, STARTS Ecosystem auch Nicolas Henchoz, Direktor des EPFL+ECAL Lab, Vero Bollow von Stochastic Labs, Domhnaill Hernon von E.A.T. Residencies der Nokia Bell Labs sowie dem Ars Electronica Futurelab und Immersify.

Und im zweiten Teil – dem Teil „Legal Frameworks“ – geht’s um das WIE! Wie können Kooperationen mit KünstlerInnen rein praktisch und eben auch rechtlich aufgesetzt werden? Wir kann das gemeinsam erarbeitete, geistige Eigentum für beide Seiten geregelt werden? Wie können Rechte für KünstlerInnen gewahrt werden? Welche Rahmenbedingungen gilt es zu beachten? All dies wird aus Sicht von ExpertInnen berichtet und diskutiert. Mit dabei sind Christopher Lindinger, Robert Bauer, Jie Qi, Lucas Evers, Domhnaill Hernon, Camille C. Baker und Daehyung Lee.

30°, Credit: Stephan Schakulat

Ich habe gehört, dass die EU heuer ein großes Thema sein wird bei der STARTS Ausstellung. Wie kann man sich das vorstellen?

Veronika Liebl: Sowohl die EU selbst, vermittelt über zahlreiche geförderte Kultur- und Forschungskooperationen, als auch der europäische Gedanke werden in diesem Jahr recht prominent im Obergeschoss der POSTCITY präsentiert. Die Ausstellungsflächen wurden in diesem Jahr so kuratiert, dass ein zusammenhängender und kontextualisierter Bereich unter dem Titel „European Platform for digital Humanism“ entsteht. Hier wollen wir gezielt die Frage stellen, ob es so etwas wie einen europäischen Weg in der digitalen Gesellschaft geben kann – zwischen dem „Daten-Kapitalismus“ der IT-Monopolisten und dem „Daten-Totalitarismus“ der autoritären Regime. Wie kann so ein Weg aussehen und welche Rolle spielen dabei europäische Kulturorganisationen?

Gibt es noch etwas, das ihr ergänzen möchtet?

Florina Costamoling: Projekte, die zum STARTS Prize eingereicht wurden, sind nicht nur in der STARTS Prize Ausstellung, sondern im ganzen Festival zu finden. Daher möchte ich alle interessierten Personen, die in Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Technologie, Industrie und Gesellschaft involviert sind, herzlich einladen, nächstes Jahr zwischen Mitte Jänner und Anfang März beim STARTS Prize einzureichen. Die Einreichung ist kostenlos und neben 2×20.000 Euro gibt es dabei auch die Chance, im folgenden Jahr beim Ars Electronica Festival und Events von Ars Electronica, BOZAR und Waag eingeladen und gezeigt zu werden.

Veronika Liebl: Und sollte jemand besonders interessiert an der STARTS Initiative sein, empfiehlt sich auch starts.eu! Hier findet man regelmäßige Updates zu allen STARTS Programmen und vor allem auch zu der Vielzahl an Ausschreibungen zu Residencies, Ko-Produktionen und Preisausschreibungen!

Florina Costamoling (AT) hat Zeitbasierte und Interaktive Medien an der Kunstuniversität Linz studiert, hat einen Hintergrund in Informatik und war selbstständig im Filmproduktionssektor tätig. Seit 2015 ist sie Producer bei Ars Electronica im Bereich FESTIVAL PRIX EXHIBITIONS, wo sie neben dem Projekt Women in Media Arts unter anderem für die Ausstellungen 1001 Modell (Ars Electronica Festival, 2015) und Human Factor, Endless Prototyping (DRIVE. Volkswagen Group Forum Berlin, 2016) zuständig war. Seit 2017 ist sie Projektmanagerin und Forscherin für den STARTS Prize (Grand prize of the European Commission honoring innovation in technology, industry and society stimulated by the arts).

Veronika Liebl ist derzeit Direktorin für Europäische Zusammenarbeit, Organisation und Finanzen in der Abteilung Festival/Prix/Ausstellungen der Ars Electronica. Sie studierte Wirtschafts- und Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz (Abschluss 2010) mit Studienaufenthalten an der Harvard University (US) und der Université de Fribourg (CH) und verfügt über einen interdisziplinären Hintergrund im Non-Profit- und Innovationsmanagement. Seit 2011 ist sie für das Kulturmanagement und die europäische Projektentwicklung für die Abteilung Festival/Preis/Ausstellungen bei der Ars Electronica Linz GmbH & Co KG verantwortlich und ist Mitglied im Linzer Stadtkulturrat. Sie arbeitet seit 9 Jahren für die Ars Electronica und beschäftigt sich hauptsächlich mit der Programmierung und Produktion von Kooperationsprogrammen mit Partnern aus Kunst, Wissenschaft und Industrie und unterstützt in diesem Rahmen Programme für künstlerische Produktionen bei der Ars Electronica, insbesondere Residenzprogramme. Sie leitet die europäischen Kooperationsprojekte der Ars Electronica im Bereich Kultur, Forschung & Bildung und hat in dieser Position – zusammen mit ihrem Team – zahlreiche EU-Projekte wie den STARTS-Preis oder das European ARTificial Intelligence Lab entwickelt, gestartet und durchgeführt.

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