Mit der Ernennung zur „UNESCO City of Media Arts“ zählt Linz wie etwa auch Lyon, Sapporo, Tel Aviv und Dakar zu den in einem weltweiten Maßstab besonders zukunftsorientierten Orten und Metropolen. Neben der Creative Region GmbH, dem Lentos Kunstmuseum, der Tabakfabrik, der Kunstuniversität Linz und vielen weiteren Vermittlungs- und Ausbildungseinrichtungen ist Ars Electronica eine der wichtigsten Hauptakteure in Bezug auf Medienkunst in Linz. Ars Electronica gilt als Vorreiter technologisch orientierter und visionärer Medienkunst – mit dem jährlich im September stattfindenden Medienkunstfestival und dem Prix Ars Electronica, einem der traditionsreichsten Medienkunstwettbewerbe der Welt.
2016 ist „Medienkunst“ auch der touristische Jahresschwerpunkt der Stadt Linz, mit dem diese Kunstrichtung erneut in den Mittelpunkt gerückt wird. Wir haben mit Reinhard Kannonier, Rektor der Kunstuniversität Linz, Christopher Lindinger, Co-Direktor des Ars Electronica Futurelab, unter dessen Leitung das Linzer Bewerbungspapier zur „UNESCO City of Media Arts“ entstanden ist, und Georg Steiner, Tourismusdirektor der Stadt Linz, über die Bedeutung dieses Titels gesprochen.
Warum denken Sie, dass sich Linz gegen die vielen internationalen Mitbewerber-Städte durchsetzen konnte?
Reinhard Kannonier: Zunächst einmal spricht die Geschichte dafür: Linz hat sich mit der Gründung des Ars Electronica Festival bereits 1979 hervorragend positioniert. Deshalb hat sich dann auch schon früh eine freie Szene im Bereich der Medienkunst entwickeln können, die nach wie vor befruchtend wirkt. Die Kunstuni hat in den letzten 12 Jahren ebenfalls sehr viel in den Medienbereich investiert. Und schließlich spielt sicher auch das industriell-technologische Umfeld eine wichtige Rolle.
Christopher Lindinger: Man muss völlig zu Recht hervorheben, dass Linz bereits in den späten 1970er-Jahren einen außerordentlichen Weitblick bewiesen und sich für soziale und künstlerische Fragestellungen geöffnet hat, die mit einem Gerät einhergingen, das damals für breite Kreise der Bevölkerung noch unbekannt war: dem Computer. Das erste Ars Electronica Festival, die erste Visualisierte Klangwolke gingen schon im Jahr 1979 über die Bühne. Gerade weil Linz so früh wie keine andere Stadt auf die Verbindung von Technologie und Kunst und auf die Partizipation der Bevölkerung gesetzt hat, waren die vielen Kreativen, Technologieforscher und Gäste hier in Linz nie nur Kommentatoren des Zeitgeschehens, sondern immer auch Vorreiter und relevante Mitgestalter einer technologischen Revolution, die mit Internet, Social Media und anderen digitalen Tools nun längst in unserem Alltag angekommen ist.
Georg Steiner: Die Auszeichnung zur „UNESCO City of Media Arts“ ist für Linz etwas ganz Besonderes und gleichzeitig die Folge einer stetigen, konsequenten Weiterentwicklung der Stadt. Linz hat die Zeichen der Digitalisierung in den vergangenen 30 Jahren besonders früh erkannt und darauf reagiert. So wurden einzigartige Festivals, Aufführungen, Ausstellungen in Museen und Tagungen veranstaltet, die sich über die Jahre etabliert haben. Durch den Titel wird Linz auch dafür ausgezeichnet, dass sich die Stadt ganzheitlich und kritisch mit den Themen der Digitalisierung auseinandergesetzt hat.
Credit: Stefan Eibelwimmer
Ein weiterer Schritt für Linz als City of Media Arts ist der Erwerb des Archivs von VALIE EXPORT, der in Linz geborenen weltbekannten feministischen Medien- und Performance-Künstlerin, sowie die Einrichtung des VALIE EXPORT Center in der Tabakfabrik. Ist das nicht ein Meilenstein in der Entwicklung von Linz als Medienkunststadt?
Reinhard Kannonier: Es ist aus den von Ihnen gerade genannten Gründen eigentlich nicht erstaunlich, dass es schon jetzt großes internationales Interesse am VALIE EXPORT Center gibt, obwohl es noch etwas dauern wird, bis das Center auch physisch eingerichtet ist. Geplant ist der Start mit einem attraktiven Eröffnungsevent im Frühjahr 2017. Aber es wird bereits jetzt vom Lentos an der Übersiedlung der Bestände nach Linz gearbeitet, und in der Kunstuni brütet man über einschlägigen Forschungsprogrammen …
Georg Steiner: Ganz klar ist der Erwerb des Archivs von VALIE EXPORT ein weiterer wesentlicher Meilenstein. Und gleichzeitig ein weiteres Puzzleteil in dem gesamten Bild, das Linz ausmacht und das es so unverwechselbar ist.
Credit: Martin Hieslmair
Hat sich der Titel „UNESCO City of Media Arts“ bei Ars Electronica bzw. konkret im Ars Electronica Futurelab schon irgendwie bemerkbar gemacht?
Christopher Lindinger: Dieser Titel unterstützt uns zusätzlich in der Kommunikation nach außen, vor allem wenn man die Aktivitäten des Ars Electronica Futurelab rund um den Erdball betrachtet. Was sich aber schon sehr schnell bemerkbar gemacht hat, ist die Tatsache, dass sich aufgrund des Titels immer mehr Städte und Kommunen bei uns melden, um mehr über das „System“ Ars Electronica zu erfahren. Es besteht großes Interesse daran, was man von der Entwicklung der Stadt Linz und der Ars Electronica lernen kann, um Erkenntnisse zu gewinnen, die beim Aufbau von kreativen Sektoren, von städtischen Innovationsstrategien oder im Creative City Branding nützlich sein können. Denn viele der großen Herausforderungen, die Kommunen zu bewältigen haben, können nur mit Neugier, Begeisterung, Kreativität, Partizipation und Weltoffenheit in einer digitalen Kultur angegangen werden – und hierfür ist die Ars Electronica ein Paradebeispiel.
Ars Electronica hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Linz zur „UNESCO City of Media Arts“ ernannt wurde. Der Grund sind die vielfältigen Aktivitäten zum Thema Medienkunst. Hier ein kleiner Einblick:
Credit: tom mesic
Ars Electronica Festival: Seit mehr als 30 Jahren fungiert das weltbekannte Medienkunstfestival als Setting für künstlerische und wissenschaftliche Begegnungen mit sozialen und kulturellen Phänomenen. Rund 92.000 Besuche wurden beim Ars Electronica Festival 2015 „Post City – Lebensräume für das 21. Jahrhundert“ gezählt.
Prix Ars Electronica: einer der traditionsreichsten Medienkunstwettbewerbe der Welt. 2015 verzeichnete der Prix Ars Electronica 2.889 Einreichungen aus 75 Ländern. Der erste Preisträger 1987 war John Lasseter für den Kurzfilm „Luxo Jr“.
Credit: Saša Spačal, Mirjan Švagelj, Anil Podgornik
STARTS-Prize 2016: ein mit zwei Mal 20.000 Euro dotierter Wettbewerb, ausgeschrieben von Ars Electronica im Auftrag der Europäischen Kommission.
Credit: Sergio Redruello / LABoral
Ars Electronica Export: realisiert Ausstellungen, Workshops und Bildungsprogramme für Partner aus aller Welt.
Credit: Claudia Schnugg
European Digital Art & Science Netzwerk: Gemeinsam mit sieben Kunst- und Kultureinrichtungen, dem CERN und der ESO eröffnet dieses Netzwerk KünstlerInnen die Chance auf einen Aufenthalt beim CERN, bei der ESO und am Ars Electronica Futurelab.
Credit: Florian Voggeneder
Deep Space 8K: Seit August 2015 bietet das Ars Electronica Center seinen BesucherInnen etwas, das es sonst nirgendwo auf der Welt gibt: eine 8K-Auflösung auf 16 mal 9 Meter großen Wand- und Bodenprojektionen.
Credit: Martin Hieslmair
Raumschiff Erde: eine Ausstellungskooperation von European Space Agency (ESA) und Ars Electronica.
Credit: Florian Voggeneder
Mercedes F 015: 50 Projekte in 8 Ländern bescherten dem Ars Electronica Futurelab 2015 einen Jahresumsatz von 2,8 Millionen Euro. Eines dieser Projekte war die Zusammenarbeit mit Daimler am Forschungsautomobil Mercedes-Benz F 015 Luxury in Motion.
Credit: Intel Corporation
Drone 100: Intel hat es geschafft und gemeinsam mit dem Ars Electronica Futurelab einen neuen Weltrekord aufgestellt, bei dem 100 Drohnen gleichzeitig in der Luft performten.
Credit: Johanna Mathauer
Ars Electronica Solutions: Allein im vergangenen Jahr wickelte der Geschäftsbereich 65 Projekte in 8 Ländern ab und steigerte die Erträge auf 3,6 Millionen Euro. Zwei der imposantesten Projekte waren das Spy Museum in Berlin und das Styriaversum in Graz.
Ars Electronica Archiv: Das Ars Electronica Archiv ist das größte Medienkunstarchiv weltweit.
Credit: Florian Voggeneder
Create Your World: Das Create Your World Festival feierte 2015 fünfjähriges Jubiläum! Dieses Jahr konnte sogar der bekannte Schauspieler Karl Markovic für die Jury der Kategorie u19 des Prix Ars Electronica gewonnen werden.