Ars Electronica Festival 2017: Diese Technik steckt dahinter!

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In den letzten fünf Jahren waren es durchschnittlich knapp 82.500 BesucherInnen, die zum fünftägigen Ars Electronica Festival kamen, durch Ausstellungen schlenderten, an Workshops teilnahmen und sich untereinander austauschten. Die Anzahl der BesucherInnen, aber auch der Medienkunstwerke und Festivalformate selbst wäre fast unmöglich zu bewältigen – gäbe es nicht unser Technikteam, das Jahr für Jahr dafür sorgt, dass diese riesige, internationale Plattform überhaupt zustande kommt.

Karl Schmidinger, technischer Leiter des Ars Electronica Festivals, erzählt im Interview mehr über die Herausforderungen der diesjährigen Festivallocation, die technischen Anforderungen hinter dem Medienkunstfestival und über die Meter an Kabel, die er und sein Team dafür verlegen.

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Karl Schmidinger. Credit: Vanessa Graf

Welche technischen Herausforderungen hält die POSTCITY bereit?

Karl Schmidinger: Im Prinzip ist technisch gesehen die Herausforderung, wie man aus einem stillgelegten Postverteilzentrum eine Location macht, in der man das größte Medienkunstfestival der Welt veranstalten kann. Der Vorteil in einem Industriebau ist sicherlich, dass genügend Strom vorhanden ist. Dieser ist allerdings so verlegt, dass er dem alten Einsatzgebiet der Räume dient: Dort, wo die größten Maschinen waren, gibt es am meisten Strom. Das deckt sich nicht unbedingt mit unserem Bedarf. In der alten Gleishalle, in der wir unsere Konzerte und Events durchführen, haben wir zum Beispiel einen hohen Strombedarf, dort waren aber keine großen Maschinen. Das heißt, dass wir viele Stromzuleitungen legen müssen. Generell verlegen wir für das Festival mehrere Kilometer Kabel. Hier helfen uns zertifizierte Elektriker und Elektrikerinnen, weil das gesamte Gebäude elektrisch stillgelegt ist. Wir müssen es also in Betrieb nehmen, für unsere Einsätze adaptieren, komplett durchmessen lassen und anschließend auch wieder rückstellen.

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Credit: Tom Mesic

Das Ars Electronica Festival findet dieses Jahr schon zum dritten Mal in der POSTCITY statt – ist von den Vorjahren nichts mehr da, was wiederverwertet werden kann?

Karl Schmidinger: Vereinzelte Stromleitungen konnten wir dort lassen, vor allem die Kabel, die auch vorher schon in der POSTCITY waren. Beim ersten Mal haben wir das vorhandene Material einfach umfunktioniert. Ansonsten bauen wir alles nach dem Festival tatsächlich wieder zurück.

Welche Schwierigkeiten entstehen in einem Gebäude, das jahrelang nicht mehr benützt wird?

Karl Schmidinger: Zum Beispiel haben wir in den letzten Jahren festgestellt, dass die Abwasserverrohrung im Haus nicht mehr funktioniert, da die POSTCITY stillgelegt ist und das Abwassersystem dadurch gar nicht mehr benützt wird. Genau das führte letztes Jahr immer wieder zu Problemen mit den Toilettenanlagen, weshalb wir heuer auf ein völlig autonomes System aufbauen.

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Credit: Vanessa Graf

Es werden alle Etagen der Post bespielt, bis hinein in den Bunker – welche Orte sind technisch am aufregendsten?

Karl Schmidinger: Auf jeden Fall der Kellerbereich. Wir nützen diese Etage dieses Jahr in einer noch viel größeren Dimension als zuvor. Es gibt dort keine Funkverbindung für unsere interne Kommunikation, weshalb wir mit zusätzlichen Verstärkern arbeiten müssen. Natürlich gibt es auch keine Internetleitung, die muss man erst verlegen. Wir sprechen heuer wirklich von riesigen Distanzen, die wir  nicht mehr mit handelsüblichen Kleingeräten abdecken können, wie das sonst immer der Fall war. Deshalb unterstützen uns verschiedene Partner. Die Firma Aruba von HP Enterprise stellt uns zum Beispiel die gesamte Netwerkhardware zur Verfügung. Das ist so komplex, dass man dafür spezialisierte Techniker und Technikerinnen braucht, die uns mit Know-How helfen und unterstützen. Damit wir überhaupt diese großen Distanzen zwischen den einzelnen Bereichen abdecken können, hilft uns unser Partner Cordial Kabel mit Netzwerkkabeln. Diese hochentwickelten Kabel machen wirklich einen Unterschied. Es geht um die Fragen: Kann man mit einer Leitung 100 Meter abdecken oder 150? Muss man dazwischen immer einen Verstärker einbauen? Cordial Kabel können wirklich große Distanzen mit einer hohen Bandbreite zurücklegen, was uns sehr hilft.

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Credit: Vanessa Graf

Wie viele Meter Kabel werden für das Festival hier verlegt?

Karl Schmidinger: Genau kann man das nicht sagen, aber um ungefähr eine Idee zu bekommen: Wir haben derzeit rund 300 Stück 10m-Verlängerungskabel, rund 300 Stück 5m-Verlängerungskabeln, 500 Dreier-Verteiler und 200 Fünffach-Verteiler. Dieses Jahr arbeiten wir wirklich in einer neuen Dimension – und es ist noch kein Ende in Sicht.

Was muss man in der Technik bei Medienkunstwerken beachten?

Karl Schmidinger: Zuerst ist es eine Herausforderung, alles unter einen Hut zu bekommen. Zuerst muss man ganz konkret die technischen Bedarfe erheben, anschließen dann entsprechend kostenschonende Lösungen suchen. Es muss geprüft werden, welche Mindestvoraussetzungen für die einzelnen Projekte gelten. Wir sammeln diese Daten in der sagenumwobenen „Monster-Gesamtbedarfsliste“ – eine Datei, in der sich jeder Bedarf des Festivals widerspiegelt. Von Sessel und Tisch über Computer und Kabel scheint hier alles auf und wird entsprechend verteilt.

Dazu kommt eine logistische Herausforderung: Alle Bausteine müssen von unseren Partnerfirmen angenommen werden, sie gehören inventarisiert, versichert, den einzelnen Projekten zugewiesen, über die Techniker und Technikerinnen zu den Projektorten gebracht, mit den Künstlern und Künstlerinnen oder von uns aufgebaut und schließlich müssen sie noch am Laufen gehalten werden. Das darf man nicht unterschätzen. Wir wechseln also nach dem Aufbau in die Instandhaltung, oder ins Maintaining. Letztlich muss nach dem Festival auch wieder alles abgebaut werden – jeder Bildschirm wird auf Schäden überprüft und kommt in dieselbe Schachtel, in der er auch angeliefert wurde. Das ist ein großer Aufwand, den ich insgesamt mit einem Team von 40 fixen Technikern und Technikerinnen und ungefähr noch einmal so vielen temporären Technikern und Technikerinnen abwickle.

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Credit: Vanessa Graf

Welche Aufgaben bewältigt das Technik-Team während des Festivals?

Karl Schmidinger: Wir arbeiten in mehreren Schichten. Das Team, das Morgens beginnt, ist meistens nicht dasselbe, dass den Abendrundgang macht und alle technischen Geräte wieder ausschaltet. Das wäre zeitlich nicht zu bewerkstelligen, weil das Festival von früh bis spät in die Nacht läuft. Wichtig ist hier vor allem die Kommunikation – manchmal lässt sich ein Gerät, das am Abend falsch ausgeschaltet wurde, am nächsten Tag zum Beispiel gar nicht mehr starten. Es gibt auch Geräte, die man nie ausschalten darf, weil sie so eingestellt sind, dass sie durchgehend laufen müssen.

Was ist dein persönliches Highlight am Festival?

Karl Schmidinger: Das ist mittlerweile mein 18. Festival, seit 2006 bin ich als technischer Leiter dabei. Wieso es mir selbst noch Spaß macht? Weil es sich ständig verändert. Es geht zwar jedes Jahr um Medienkunst, aber das ist so breit gefächert, auch technisch, dass sogar nach all den Jahren immer wieder völlig neue Projekte auf uns zukommen. Ich habe einen musikalischen Hintergrund, deshalb ist für mich die Große Konzertnacht auf jeden Fall ein Highlight. Besonders dieses Jahr, mit dem neuen Dirigenten des Bruckner Orchesters, den Visualisierungen und den namhaften Jazzmusikern und –Musikerinnen wird das bestimmt ein Multierlebnis, das ich wirklich allen ans Herz lege.

Karl Schmidinger

Karl Schmidinger ist seit 2006 technischer Leiter des Ars Electronica Festival und Prix Ars Electronica.

Das Ars Electronica Festival findet dieses Jahr von 7. Bis 11. September 2017 in der POSTCITY Linz statt. Das Thema lautet „Artificial Intelligence – Das Andere Ich“. Um mehr über das Festival zu erfahren, folgen Sie uns auf FacebookTwitterInstagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/ai/.

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