netidee 2017: Neue Ideen braucht das Land

netidee 2017 winners,

Verbesserung , Verbreiterung bzw. Erweiterung der Internet-Nutzung in Österreich in qualitativer und quantitativer Hinsicht – so lässt sich das Ziel der netidee, der größten Open-Source-Internet-Förderaktion Österreichs, die von der Internet Privatstiftung Austria (IPA) organisiert und finanziert wird, in einem Satz beschreiben. Die IPA verwaltet über ihre Firma nic.at nämlich nicht nur sämtliche .at-Domains im Land, sie fördert auch jedes Jahr mit mittlerweile 1,5 Million Euro spannende Open-Source-Projekte, StipendiatInnen und seit 2017 auch große wissenschaftliche Vorhaben.

Von den im Jahr 2017 mit jeweils bis zu 50.000 Euro geförderten 23 Open Source Projekten stellen wir hier zwei Projekte junger Entwickler vor, die dafür den Sonderpreis als beste Einreichung in der Kategorie „Blockchain“ bzw. „Privacy by Design“ erhalten haben. Während die Anwendung „Bürgerchain“ über die Blockchain-Technologie und die österreichische Bürgerkarte sichere Online-Abstimmungen realisieren will, bringt „combinary“ persönliche Daten aus den Social-Media-Kanälen wieder zurück auf den eigenen Rechner. „Das sind wei ganz spannende Projekte“, so Ernst Langmantel, Stiftungsvorstand und netidee Hauptverantwortlicher. „Wer mehr erfahren möchte findet auf www.netidee.at viele Informationen zu allen geförderten netidee-Projekten und auch monatliche Updates zum jeweiligen Projektverlauf!“

2017 habt ihr für eure Projekte einen Sonderpreis bei der Förderaktion netidee gewonnen. Könnt ihr uns eure Projektziele kurz vorstellen?

Nico Grienauer: Social-Media-Inhalte liegen im Normalfall auf Servern von Drittanbietern, oft außerhalb der Europäischen Union. Will man diese Inhalte selber verwenden, also zum Beispiel auf der eigenen Webseite anzeigen, werden datenschutzrechtlich bedenkliche Skripts benötigt bzw. ist man den Bedingungen von Drittanbietern ausgeliefert (Stichwort API-Limits). Das wollen wir ändern. Mit unserem Tool Combinary können Social-Media-Inhalte auf eigenen und vertrauenswürdigen Servern aggregiert, analysiert und ausgeliefert werden – keine Dritt-Services werden geladen. Combinary ist Open Source und dadurch auch als Basis für eine Vielzahl von anderen Services verwendbar.

Michael Faschinger: Das Ergebnis vom Projekt Bürgerchain wird eine Webanwendung sein, mit der man in wenigen Schritten e-Votings, Petitionen und Unterschriftensammlungen organisieren kann. Der Name „Bürgerchain“ rührt daher, dass dabei die „BürgerInnen“-karte für die Unterschriften und, wo es sinnvoll ist, die Block-„chain“ für die Speicherung von Stimmen und die Absicherung gegen Manipulationen eingesetzt werden. Die primäre Zielgruppe sind Parteien und Vereine, denen es ein Anliegen ist, ihre MitgliederInnen vermehrt in Entscheidungsprozessen zu integrieren. Eine zweite Zielgruppe sind Organisationen und engagierte BürgerInnen, denen es erleichtert werden soll, UnterzeichnerInnen für Unterschriftenlisten zu finden – zum Beispiel bei Unterstützungserklärungen oder für Volksbefragungen. Wichtig ist natürlich, dass alles, was hier gemacht wird, von den jeweils relevanten Statuten und Gesetzen gedeckt ist und von den zuständigen Gremien und Behörden anerkannt wird. Ganz dezidiert kein Ziel ist es, mit der Bürgerchain Parlamentswahlen oder andere Wahlen zu gesetzgebenden Körperschaften abzuhalten.

Faschinger

Bürgerchain: Michael Faschinger (Mitte) und Ernst Langmantel (links). Credit: netidee

Die bürgerchain möchte e-Votings und Petitionen sicherer machen. Geht das überhaupt? Und wie passen das geheime Wahlrecht und die Nachvollziehbarkeit bzw. Transparenz zusammen?

Michael Faschinger: „Sicherheit“ gerade bei e-Votings ist natürlich ein sehr breiter Begriff. Es soll sicher sein, dass meine Stimme korrekt gezählt wird. Es soll sicher sein, dass meine Anonymität gewahrt bleibt. Es soll sicher sein, dass nachträgliche Manipulationen unmöglich sind, dass nur berechtigte Personen abstimmen dürfen, und so weiter… Durch den korrekten Einsatz von Bürgerkarte bzw. Blockchain sind ein paar dieser Sicherheiten schon gegeben, für andere werden im Projekt entsprechende kryptographische Konzepte umgesetzt (z.B. „Pseudonym-Systems“). Dadurch wird dann auch Anonymität bei gleichzeitiger Transparenz ermöglicht. All diese Sicherheiten mit einer einfachen Bedienung unter einen Hut zu bringen ist bestimmt die größte technische Herausforderung im Projekt. Denn auch wenn das Ergebnis am Ende vollkommen sicher ist (wenn es so etwas überhaupt gibt), die Bedienung aber zu kompliziert, sind wir damit auch gescheitert.

combinary team

Das Team rund um „combinary“. Rechts oben: Nico Grienauer.

combinary holt die privaten Daten der eigenen Social-Media-Kanäle wieder zurück auf den eigenen Server. Wenn die Daten ja bereits auf internationalen Serverfarmen liegen und von dort aus geteilt und weitergenutzt werden, warum ist es dir so wichtig, diese wieder zurückkopieren zu können?

Nico Grienauer: Vor allem sind mir der Datenschutz-Aspekt wichtig, und die Möglichkeit, die eigenen Daten selbst analysieren zu können. Da man die Daten selber ausliefern kann, muss man keine Dritt-Services laden. Diese sind, wie man weiß, sehr datenhungrig und telefonieren gerne nach Hause. Diese Praktik von allen gängigen Social-Media-Services wird dadurch auch in die Schranken gewiesen und man kann trotzdem die aggregierten Inhalte anzeigen. Und für Suchmaschinen ist es auch kein Fehler, die Inhalte selber auszuliefern, statt sie von einem anderen Service, nicht indizierbar, ausliefern zu lassen.

Ihr seid vor ein paar Monaten für eure (net)Ideen ausgezeichnet worden – wo steht ihr derzeit mit eurem Projekt und welche nächsten großen Schritte habt ihr noch zu bewältigen?

Nico Grienauer: Ein erster Prototyp eines Social-Media-Aggregators steht. Da wir ein skalierbares, offenes, aber vor allem ein auf neuesten Konzepten und passendem technologischem Fundament basierendes System umsetzen wollen, ist es noch ein langer Weg. Wir sind gerade auf der Suche nach einem Partner, mit dem wir ein erstes Tool in Co-Creation umsetzen möchten. Unternehmen mit mehreren Marken, für die so ein Anwendungsfall interessant sein könnte, bitte bei uns melden (combinary@acolono.com). Als nächsten Schritt werden wir versuchen eine kleine Community um das Tool aufzubauen, da es viele Tools gibt, die Combinary als Basis benötigen könnten. Wieso nicht Kräfte bündeln anstelle immer alles wieder neu erfinden zu müssen…

Michael Faschinger: Ich habe erst in der vergangenen Woche begonnen, mich dem Projekt voll und ganz zu widmen, weil ich bisher noch in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet habe. Derzeit laufen bei mir folgende Aktivitäten: Ich stehe in Kontakt mit Parteien und engagierten BürgerInnen, um Use-Cases für sie als potenzielle „KundInnen“ zu erarbeiten. Sind die Use-Cases definiert, werde ich mit einem UI-Designer das Bedienkonzept für die Webanwendung erarbeiten. Ich gehe Gesetzestexte (Signaturgesetz, Steirisches Volksrechtegesetz) durch und kläre mit Behörden ab, ob und in welcher Form sie z.B. elektronische Unterschriften bei Unterstützungserklärungen für Parteien oder Unterschriftenlisten für Volksbefragungen/Volksbegehren akzeptieren. Für mich als Techniker ist das eher mühsam, aber gleichzeitig auch spannend und lehrreich. Und ich wähle die Technologien aus, mit denen das Projekt umgesetzt werden soll: Normaler Server oder Cloud? Welche Programmiersprache/Technologie für das Backend? Welche Technologie für das Frontend? Welche Blockchain, welche Libraries? Wenn das alles geklärt ist, kommt natürlich mit der Umsetzung der größte Schritt. Ständiger Begleiter ist die Öffentlichkeitsarbeit, die natürlich auch nicht zu kurz kommen darf. Sonst haben wir am Ende ein großartiges Produkt und niemand weiß davon.

netidee

Beim Prix Ars Electronica 2018 wird auch heuer wieder gemeinsam mit netidee ein Spezialpreis in der Kategorie „u19 – CREATE YOUR WORLD“ vergeben, bei der Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren aus Österreich ihre Ideen zum Thema Internet einreichen können. Zu gewinnen gibt es dabei die netidee 2018 sowie 1.000 Euro. Verlängerter Einreichschluss für u19 ist der 19. März 2018. Alle Infos zur Teilnahme gibt es auf ars.electronica.art/u19/prix.

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