Mirages & miracles ist eine Augmented-Reality-Ausstellung von Claire B und Adrien M, bei der nicht die Technologie, sondern das Erlebnis im Mittelpunkt steht. Mirages & miracles ist eine Reihe von Installationen, bei denen man auf sehr poetische Weise in virtuelle, dreidimensionale Welten eintaucht. Augmentierte Zeichnungen, holografische Illusionen und ein Virtual-Reality-Headset sind ebenso Teil dieser Ausstellung wie simple Kieselsteine. Claire B hat im Interview mit uns über die Bedeutung der Steine und die Zukunft der AR in der Kunst gesprochen.
Sie bezeichnen Steine als die leblosesten Objekte. Ist es dieser Aspekt, der Sie am meisten an Steinen fasziniert, beziehungsweise woher kommt diese Faszination?
Claire B: Steine sind bewegungslos, aber sie erzählen Geschichten. Sie erzählen davon, woher sie kommen, wie sie zudem wurden, was sie sind, und sie sind allesamt voll mit Phantasie.
Ich habe festgestellt, dass Sie auch mit den Mustern der Steine spielen. Das hat mich an die Vorstellungskraft von Kindern erinnert, mit der sie Steine betrachten, mit der sie Wolken beobachten, …
Claire B: Nicht nur Kinder. Gemeinsam mit Adrien versuchen wir immer Objekte zu schaffen, wo sich Erwachsene wie Kinder fühlen, auch wenn sie es nicht mehr sind. Es ist die Beziehung zur Natur und diese Fähigkeit zum genauen Beobachten, die Kinder haben – das wollen wir auch unter Erwachsenen erzeugen. Empfindsamkeit und Erfahrung. Mit dieser Art von Objekten wollen wir Menschen die Möglichkeit geben, achtsam zu sein. Das Unsichtbare versteckt sich überall und wenn man achtsam ist, dann erkennt man es.
Welche Rolle spielen Augmented Reality und Tablets?
Claire B: Für uns steht die Technologie nicht am Ende. Es ist immer ein Weg, um Erfahrungen zu vermitteln. Wir mögen es, wenn die Technologie versteckt ist, mit dem Ziel, etwas Verstecktes zum Vorschein zu bringen. Und ich hoffe, dass wir eines Tages dieses Projekt mit Brillen anbieten können. AR Brillen zum Beispiel, damit man kein Tablet mehr in die Hand nehmen muss und trotzdem sehen kann. Ich mag die Idee, dass wir Menschen eine Erfahrung anbieten können mit diesen Geräten, die sie kennen, aber dass es keine kommerzielle Erfahrung ist, keine nützliche, sondern rein eine poetische. Es ist wichtig für uns, eine Rolle einzunehmen in einem Bereich ohne Nutzen, ohne Ziel, ohne nichts, die reine Poesie.
Aber glauben Sie nicht, dass diese Technologien oft untrennbar mit einem kommerziellen Nutzen verbunden sind? Ist es einfach, diesen Kontext abzulegen?
Claire B: Es ist schwierig. Wir müssen diese Art von Räumen schaffen und diese Art von Interaktion mit Technologie und es ist wichtig zu spüren, dass man diese Geräte benutzen kann ohne, dass ein Multikonzern dahinter steht, kein kommerzieller Zweck, nichts. Nur Genuss und eine poetische Erfahrung.
Eine andere Frage hätte ich noch und zwar nach den Grenzen der Augmented Reality. Gibt es etwas, wofür die Kunst sie nicht benutzen sollte? Anders gefragt – wo wird es enden?
Claire B: Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, wenn KünstlerInnen nicht versuchen, sich auszudrücken, ihre eigenen Empfindsamkeiten, dann gibt es nur mehr Marken, die das tun. Und das ist nicht fair. Weil wir dieses Empowerment ermöglichen müssen. Technische Geräte können deine eigene Persönlichkeit reflektieren. Aber es ist schwer. Weil du sie zerlegen musst und neu zusammensetzen mit deinen eigenen Algorithmen, deinen eigenen Empfindsamkeiten und dazu musst du sie sehr genau kennen. Darum machen wir Hackintosh, unsere eigene Software, und wir versuchen immer unser eigenes System mit diesen Geräten aufzubauen.
Was ist zuerst da in Ihrer Kunst, in Ihrem Projekt: Der Stein, die Zeichnung oder die Visualisierung?
Claire B: Es ist nichts zuerst da. Es ist wie ein Puzzle. Und wir haben Teile. Wir haben das Stein-Teil und das AR IT-Gerät und wir haben den Wunsch, etwas zu erschaffen, das den Gedanken des belebten und unbelebten Lebens widerspiegelt und den Tod und dann versuchen wir, das alles in Einklang zu bringen. Aber oft haben wir nur einen Teil und wir haben keine Idee, wir versuchen zu verstehen, welche Form von dem Gerät ausgeht, dem Medium. Und die Ideen kommen danach. Und das ist interessant, weil in der Kunstgeschichte die Idee lange Zeit immer zuerst kam. Mit dieser neuen Medienproduktion, dieser Schöpfung, können wir sehen, dass es ein horizontaler Gestaltungsprozess ist.
Über dieser Ausstellung schwebt die Frage der Kreativität als verbindendes Element. Welche Rolle spielt sie für Sie, als Künstlerin, und auch für das Publikum während der Rezeptionserfahrung? Kann die Maschine an sich auch kreativ sein?
Claire B: Es ist schwierig, aber wir versuchen immer, den richtigen Platz für die Maschine zu finden. Wir möchten ihr nicht den ganzen Raum geben. Zum Beispiel wenn wir Shows machen und wir Computer und Graphic Tablets verwenden um den TänzerInnen zu folgen, während sie tanzen, ist es immer ein Mensch, der den Job macht. Es gibt keine Sensoren. Weil wir wissen, dass die menschliche Fähigkeit zu fühlen und aufmerksam im Moment zu sein, die beste Möglichkeit ist, die wir im Sinne eines künstlerischen Zweckes haben. Bei diesem Projekt hätten wir die Zeichnungen mit dem Computer machen können, wir hätten viele, viele Dinge mit dem Computer machen können, aber wir versuchen eine Abwechslung hineinzubringen und auch etwas Digitaleres, etwas Unhandwerkliches. Am Ende sind die Menschen die Regisseure ihres eigenen Films. Es ist eine Frage des Blickwinkels, dessen, was du siehst, wie du damit spielst. Es gibt nicht nur eine Geschichte, sondern viele Möglichkeiten. Das Publikum ist also der Schlüssel, das letzte Puzzleteil in diesem Projekt. Es kann für sich selber stehen.
Also ist Augmented Reality oder das Tablet nur ein reines Werkzeug um eine andere Realität erfahrbar zu machen? Es ist kein Kunstwerk an sich?
Claire B: Nein, nein, es ist kein Kunstwerk, es ist nur ein Werkzeug. Wenn du ein Buch liest ist es genauso eine Augmented Reality Experience, weil du ein reales Objekt hast, voller Möglichkeiten im Gehirn. Deine Empfindsamkeit arbeitet hart an einem Objekt. Ich versuche immer Projekte zu erfinden, bei denen die Menshcen arbeiten müssen. Zum Beispiel ist bei mir immer alles schwarz-weiß statt in Farbe. Die Menschen müssen die Farben erfinden. Das ist ein Beispiel dafür, wie wir mit Technologien umgehen, wie wir sie einsetzen und richtig verwenden wollen. Nicht zuviel. Aber wir versuchen zu erfinden, wie man mit Technologien spielen und leben können, denn die Sache ist bereits gelaufen. Wir haben keine Wahl mehr. Und wir müssen die Zukunft erschaffen, in der wir ein mächtiger Zeuge von Technologien sein können. Wenn wir sie nicht erfinden wird es nicht passieren. Also müssen wir sie erfinden, jetzt! Wenn wir es nicht tun, wird die Welt furchtbar werden. Hinter der Technologie steht immer der Mensch. Die Technologie ist nichts ohne die menschliche Absicht dahinter.
Claire Bardainne und Adrien Mondot bilden zusammen das KünstlerInnenduo Adrien M & Claire B. Bei ihrer Kunst handelt es sich um Performances und Ausstellungen, die Realität und Virtualität verbinden. Die Besonderheit ist die maßgeschneiderte Entwicklung der Computer-Tools. Unter den künstlerischen Herausforderungen richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Menschen und seinen Körper, indem moderne Werkzeuge im Dienste einer zeitlosen Poetik eingesetzt werden, eine auf Spiel und Vergnügen basierende Bildsprache als Medium der Phantasie entwickelt und verwendet wird.