Gender, Virtual Reality und Spielerisches beim Ars Electronica Animation Festival 2019

Header_ManicVR, MANIC VR, Kalina Bertin, Sandra Rodriguez, Nicolas S. Roy, Fred Casia (CA)

Das Ars Electronica Animation Festival, das von 5. bis 9. September im Rahmen des Ars Electronica Festival 2019 „Out of the Box“ in der PostCity in Linz stattfindet, bietet jedes Jahr ein verdichtetes Best-of aktueller Produktionen im Digital Filmmaking, zusammengestellt aus den Einreichungen des diesjährigen Prix Ars Electronica in der Kategorie Computeranimation. 835 Einreichungen waren es alleine in diesem Jahr. In zwei Vorjury-Runden durch Christine Schöpf, Jürgen Hagler und Nana Thurner, dann in einer Onlinebewertung durch die JurorInnen Alex Verhaest, Ina Conradi, Birgitta Hosea, Ferdi Alici und Nobuaki Doi wurde die Anzahl auf die in drei Jurytagen machbare Zahl von 165 Produktionen reduziert, die auch die Basis für die Programme des diesjährigen Ars Electronica Animation Festival bilden.

Zusätzlich sind im September Guest Screenings von Anifilm Třeboň, Digital Media – Hagenberg Campus, Filmakademie Baden-Württemberg, ISCA (International Students Creative Award) und des Japan Media Arts Festivals zu sehen. Junge FilmemacherInnen unter zehn Jahren wurden in der Sparte Young Animations ausgewählt. Ein Studio Feature von Platige Image zeigt animierte Kurzfilme aus den letzten 20 Jahren. Insgesamt gibt das Programm einen spannenden Einblick in aktuelle internationale Produktionen des digitalen Films. Mehr darüber hat uns Ars Electronica Animation Festival Direktor Jürgen Hagler vorab im Interview verraten.

Im Rahmen des Ars Electronica Festival findet heuer wieder das Ars Electronica Animation Festival statt, bei dem Einreichungen des Prix Ars Electronica in der Kategorie Computeranimation gezeigt werden. Was erwartet uns heuer?

Jürgen Hagler: Wie jedes Jahr zeigt das Ars Electronica Animation Festival aktuelle Arbeiten an den Schnittstellen von Animation, Kunst, Technologie, Industrie und Wissenschaft; ein vielfältiges Programm aus narrativen Kurzfilmen, experimentellen Arbeiten, interaktiven Animationen, wissenschaftlichen Visualisierungen, Projektionsmappings, VR Installationen, Musikvideos oder herausragende Visuell Effects und Motion Graphics – insgesamt 17 Programme. Die Screenings finden im Rahmen des Ars Electronica Animation Festival und heuer erstmals – zugleich auch zum letzten Mal – in der PostCity statt. Zusätzlich werden Filme im OK Openair Kino und im Moviemento gezeigt. Das Herzstück ist das Electronic Theatre, die Auswahl der Jury, die Goldene Nica, die zwei Awards of Distinctions und die 12 Honorary Mentions, sowie eine Zusammenstellung aktueller Arbeiten aus dem Prix Ars Electronica. Dieser Showcase beinhaltet Programme, die sich in den letzten Jahren etabliert haben, beispielsweise eine Auswahl von narrativen Animationen, von Arbeiten zu aktuellen Themen, oder Musikvideos und Experimente mit Bild und Ton, sowie „experimental“ und sogenannte „expanded animations“. Zwei Programme mit experimentellen Animationen sind auch im Deep Space 8K zu sehen. Ähnlich wie letztes Jahr gibt es eine Programmschiene mit unterschiedlichen Positionen von Frauen, die heuer unter „Gender“ zusammengefasst wurden. Ein neues Programm ist „Data Narration“ – hier sind Arbeiten zu sehen, die mit Daten Geschichten erzählen, unter anderem mit diversen Bewegungsaufzeichnungen oder Daten aus der Wissenschaft. Diese zu interpretieren und zu verstehen ist durchaus komplex und Animation kann hier einen spannenden Beitrag zur besseren Verständlichkeit leisten. Es gibt mittlerweile viele interdisziplinäre Ansätze, wie wissenschaftliche Daten aus einer künstlerischen Perspektive inszeniert werden können.

Du hast schon angesprochen, dass sich in diesem Jahr die Location verändert, wie schaut das genau aus?

Jürgen Hagler: Das Ars Electronica Animation Festival gibt es schon seit 2005 in unterschiedlichen Formen. Dieses Mal findet es das erste Mal gemeinsam mit dem Symposium Expanded Animation, mit dem Prix Forum und zusätzlich mit einer VR Ausstellung in der PostCity statt. Früher waren diese Programmpunkte örtlich getrennt: das Symposium war im Central, das Screening im Movimento und spezielle Präsentationen im Deep Space 8K im Ars Electronica Center, die es auch heuer wieder geben wird. In der PostCity wird ein Stockwerk mit vielen unterschiedlich großen Räumen für das Screening adaptiert – es gibt also kein großes Kino, wie man es gewohnt ist, wo die Programme hintereinander gezeigt werden, sondern mehrere kleinere Kinos und Installationen. Es sind Räumlichkeiten, die für unterschiedliche Screenings angepasst wurden: kleine und größere Projektionsräume, experimentellere Formen, gemischt mit installativen Arbeiten, zum Beispiel einer VR Installation. Man kann sich im gesamten Bereich von einem Screening zum nächsten bewegen – durch das Festival navigiert man dieses Mal nicht nur mit einem Zeitplan, sondern auch mit einem Grundrissplan. Wir haben einen Raum mit Gastprogrammen von Partnerfestivals wie beispielsweise Anifilm aus Třeboň in Tschechien oder das Japanese Media Arts Festival. Weiters zeigen wir eine Zusammenstellung von Arbeiten aus Animationsausbildungsstätten, von der Filmakademie Baden-Württemberg und von der FH OOE, Campus Hagenberg. Was mich besonders freut ist, dass wir dieses Mal narrative, experimentelle Kurzfilme von Platige Image zeigen können. Dieses renommierte Animationsstudio aus Polen hat in den letzten 20 Jahren viele hervorragende Animationsfilme produziert, die nicht nur bei der Ars Electronica ausgezeichnet und gezeigt wurden. Beispielsweise wurde der 2002 veröffentlichte Kurzfilm Cathedral für einen Oscar nominiert, Tomek Baginski, gewann mit Fallen Art 2005 die Goldene Nica. Diese Auswahl zeigt eindrucksvoll die Entwicklung der Computeranimation in den letzten zwei Jahrzehnten. Es freut mich sehr, dass wir Klaudiusz Wesołowski, Regisseur bei Platige Image, auch als Sprecher beim Symposium Expanded Animation gewinnen konnten.

Credit: Martin Dorfer

Wenn wir die Projekte, die Filme, die Animationen betrachten, dann waren in den einzelnen Jahren meistens Schwerpunkte erkennbar. Gibt es heuer auch wieder Themen, technische Trends, die besonders präsent sein?

Jürgen Hagler: Es ist schwierig, Schwerpunkte an einem Jahr festzumachen, aber es gibt natürlich Trends, die sich in den letzten Jahren gezeigt haben und dann teilweise wieder verschwinden. Ein offensichtlicher Trend in der Kategorie Computeranimation sind VR Applikationen oder Augmentierte Projekte. In den letzten Jahren sehen wir vermehrt spannende Projekte, die an der Schnittstelle von Computeranimation und Interactive Art angesiedelt sind. Der Prix Ars Electronica lädt Artists ein, ihre Arbeiten in unterschiedlichen Sparten einzureichen und diese Kategorien sind zwar dynamisch, müssen aber klar definiert sein. Gleichzeitig ist ein Trend festzustellen, dass sehr viele Arbeiten, insbesondere VR Projekte und interaktive Installationen, zwischen diesen Kategorien liegen, und vermehrt im Bereich Computeranimation zu finden sind. Vereinzelt werden auch Computer Games oder sogenannte „spielerische Animationen“ in dieser Kategorie eingereicht, eine sehr spannende Schnittstelle. Ein weiterer Trend, der in den letzten Jahren festzustellen ist, ist eine lebendige Szene von Artists, die sich mit prozeduralen Animationen auseinandersetzt. Es gibt mittlerweile sehr viele Tools mit denen abstrakte, prozedurale Strukturen erzeugt werden können. Zum einen, weil sehr viele interessante Software Pakete zur Verfügung stehen, oder wieder populär geworden sind und zum anderen auch, weil viele FilmemacherInnen Animationen programmieren. Vermehrt sind auch Arbeiten im Bereich „Real Time Procedural Animation“ zu sehen. Besonders freut mich, dass wir eine aktuelle Arbeit mit dem Titel Seven experiments of procedural animation, von Karl Sims im Programm Experimental Animation zeigen dürfen. Karl Sims hat in den 1990er Jahren mit eigens programmierter Software Pionierarbeit in der Computeranimation geleistet. Seine Ergebnisse sind ästhetische Experimente, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, unter anderem gewann er 1991 und 1992 die Goldene Nica in der Kategorie Computeranimation.

https://www.youtube.com/watch?v=dSSAFvPYuqk

Du hast schon ein paar Projekte genannt. Gibt es daneben noch Filme oder KünstlerInnen, die besonders herausstechen?

Jürgen Hagler: Was ich hervorheben möchte ist, dass es eine sehr lebendige Animationsszene hier in Österreich gibt. Immer wieder kommen viele Einreichungen von jungen und auch von etablierten FilmemacherInnen. Wir haben heuer renommierte Artists wie Virgil Widrich und Martin Reinhart, die eine 360 Grad Version von tx-transform im Deep Space zeigen. Diese Software haben sie bereits 1999 bei der Ars Electronica ausgestellt und jetzt gibt es eine Weiterentwicklung mit dem Namen tx-Reverse 360°. Im selben Programm zeigen wir die Arbeit Beauty von Sagmeister und Walsh, eine 3D-Animation, die für die Ausstellung Beauty im MAK produziert wurde, Reinhold Bidner´s aktuellen Film In Trance it sowie eine experimentelle Arbeit von Sigi Frühauf. Und auch in den anderen Programmen sind Beiträge von österreichischen FilmemacherInnen vertreten. Wie schon erwähnt sind euch heuer wieder viele hervorragende VR-Arbeiten dabei. So ging auch die Goldene Nica an eine VR Applikation, an Manic VR, von Kalina Bertin, produziert von Sandra Rodriguez. Weiters zeigen wir Mindpalace, eine narrative Arbeit von Studierenden der Filmakademie Baden-Württemberg sowie die aktuelle Google Spotlight-Applikation Age of Sail.

In den Programmschienen Experimental sehen wir viele bekannte Artists, wie beispielweise Quayola, Max Hattler oder Peter Burr, der letztes Jahr für den Computervirus Descent eine Honorary Mention erhalten hat. Erwähnen möchte ich auch Till Nowak, einen deutschen Filmemacher, der in den letzten Jahren immer beim Festival zu sehen war. Er ist mit einer sehr schönen Arbeit im Programm Expanded Animation vertreten, wo es um eine Visualisierung in der Elbphilharmonie Hamburg geht. Das Studio Field.io zeigt eine Arbeit zum Thema AI. Eine Arbeit, die mir besonders gefällt und die auch in den letzten Monaten auf sehr vielen Festivals gelaufen ist, ist Martina Scarpelli´s Kurzfilm Egg, in dem es um das Thema Magersucht geht. Es ist eine sehr persönliche Arbeit, die die Filmemacherin über mehrere Jahre entwickelt hat. Dabei ist auch der aktuelle Kurzfilm A Double Life von Job, Joris und Marieke. Darin geht es um die Genderrolle – diese Arbeit war sicherlich auch ein Mitgrund, warum wir das Programm Gender genannt haben. Das Studio war bereits 2017 mit einer In-Persona beim Festival vertreten und Marieke Blaauwe als Vortragende beim Symposium Expanded Animation. So wie A Double Life sind auch Reka Bucsi´s Animationsfilm Solar Walk und ACID RAIN von Tomek Popakul mit einer Honorary Mention gewürdigt geworden. Eine weitere Honorrary Mention erhielt der Animationsfilmemacher Michael Frei. Zusammen mit Mario von Rickenbach arbeitet er an der Schnittstelle zwischen Animation und Games. Sein Animationsfilm Kids ist gleichzeitig auch ein Computerspiel und wird in der Cyber Arts Ausstellung im OK Kulturquartier in beiden Versionen gezeigt – man kann das Spiel testen und den Film anschauen. Sehr erfreulich ist die Tatsache, dass mit Manic VR auch heuer die Goldene Nica an eine weibliche Regisseurin vergeben wurde

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Hagler

Jürgen Hagler ist Professor des Fachbereichs für Digitale Medien an der oberösterreichischen Fachhochschule Hagenberg, wo er die Bereiche Computeranimation und Animationswissenschaften leitet. 2009 wurde er pädagogischer Koordinator des Masterstudiums Digital Arts. Seit 2014 ist er Leiter der Forschungsgruppe Playful Interactive Environments mit einem Fokus auf neue und spielerische Formen von Interaktion und die Benützung von spielerischen Mechanismen, um spezifische Verhaltensmuster zu unterstützen. Seit 2017 ist er Direktor des Ars Electronica Animation Festivals und Initiator und Organisator des Symposiums Expanded Animation.

Das Ars Electronica Animation Festival 2019 findet am Ars Electronica Festival 2019 „Out of the Box“ von 5. bis 9. September in der PostCity in Linz statt. Das vollständige Programm und die genauen Zeiten finden Sie in Kürze auf unserer Webseite.

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