Warum sollte man Robotern vertrauen?

kollaborative robot in Deep Space 8K
kollaborative robot Deep Space 8K, Photo: Robert Bauernhansl

Eine weit verbreitete Skepsis und fehlende Paradigmen in der Kommunikation werden in Zukunft für neue Herausforderungen am Arbeitsplatz sorgen. Wie kann die Arbeitswelt der Zukunft im Sinne des Menschen gestaltet sein? Wie schafft man Vertrauen und Akzeptanz? Und: Wie geht man mit einem Kollegen um, der nur aus einem Greifarm besteht?

Im CoBot Studio des LIT Robopsychology Labs an der Johannes Kepler Universität Linz entwickeln die Forscher*innen neue Maßstäbe für ein erfolgreiches Teamwork zwischen Menschen und Robotern. Im Deep Space 8K des Ars Electronica Center soll eine einzigartige Mixed-Reality-Umgebung entstehen, die zukünftige Formen der Zusammenarbeit mit kollaborativen Robotern simuliert. Von der Robotik über die Psychologie und Virtual Reality bis hin zu nonverbaler Kommunikation werden für das kollaborative Forschungsprojekt zwischen dem LIT Robopsychology Lab (JKU), dem Ars Electronica Futurelab, dem Center for Human-Computer Interaction (Universität Salzburg), Joanneum Robotics (Joanneum Research), der Polycular OG, dem Österr. Forschungsinstitut für Artificial Intelligence OFAI und Blue Danube Robotics GmbH die unterschiedlichsten Disziplinen herangezogen.

Martina Mara, Professorin für Robopsychology am Institute of Technology (LIT) der Johannes Kepler Universität Linz und Roland Haring, Director im Ars Electronica Futurelab über die gemeinsamen Erkenntnisse, die in Zukunft für eine harmonischere Kooperation zwischen Menschen und Maschinen sorgen sollen.

Worin liegen die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern?

Martina Mara: In Industriebetrieben werden Roboter ja schon lange eingesetzt: In der Produktion, der Fertigung und für andere repetitive Tätigkeiten. Solche Industrieroboter waren allerdings sehr lange Zeit alles andere als kollaborativ. Die schweren Maschinen agierten aus Sicherheitsgründen häufig weit weg vom Menschen in abgesperrten Bereichen. Sie waren „lonesome workers“ und ein enger Kontakt mit ihren menschlichen Kolleg*innen musste tunlichst vermieden werden – aus Gründen der Sicherheit. Roboter wurden also lange Zeit mit Gefahr assoziiert.

CoBots sind dagegen eine neuere Errungenschaft der letzten Jahre und kommen jetzt schön langsam in der Praxis an. Dabei handelt es sich um Roboter, die darauf ausgelegt sind, mit dem Menschen zu kollaborieren. Sie sind leicht und sicher, weil sie mit Sensoren ausgestattet sind, die das menschliche Umfeld registrieren und es dem Roboter ermöglichen, darauf zu reagieren. Zusammen mit kollaborativen Robotern ist es Menschen jetzt möglich, auch auf engem Raum gemeinsam zu arbeiten.

Wie kann man die Akzeptanz von Robotern im Arbeitsalltag beeinflussen?

Martina Mara: Ein gutes Verhältnis zwischen Interaktionsparter*innen und gegenseitige Akzeptanz baut immer auf dem Thema Vertrauen auf. Es ist ein Klebstoff für soziale Beziehungen – egal ob im Privatleben oder am Arbeitsplatz. Wer seinem Gegenüber nicht vertrauen kann, fühlt sich unsicher.

In der Psychologie gibt es einen großen Korpus an theoretischer und empirischer Literatur zum Thema Vertrauen, aus der wir unsere Grundlagen beziehen. Häufig wird dabei zwischen zwei Routen, über die Vertrauen hergestellt werden kann, unterschieden: Wenn Vertrauen darüber entsteht, wie freundlich, gutherzig und wohlmeinend mir ein Gegenüber erscheint, spricht man von der affektiven Vertrauensroute. Im Gegensatz dazu geht es bei Vertrauen über die kognitive Route stärker darum, wie kompetent, verlässlich und vorhersehbar ich das Gegenüber einschätze.

Den Bereich der kognitiven Vertrauensbildung ziehen wir für unsere Forschung im CoBot Studio heran. Für den Arbeitsplatz wollen wir keine niedlichen, gutherzig wirkenden Roboter entwickeln. Es soll ja kein „blindes Vertrauen“ entstehen, sondern wir möchten in angemessenem Ausmaß informiertes Vertrauen in den robotischen Arbeitspartner fördern. Aus der psychologischen Theorie ist bekannt, dass Verständlichkeit und Vorhersehbarkeit des Verhaltens wichtige Grundlagen kognitiver Vertrauensbildung sein können. Genau darauf bauen wir deshalb im Forschungsprojekt CoBot Studio auf: Wir untersuchen, wie Roboter für den Menschen in der Industriekollaboration verständlicher und vorsehbarer agieren können. Denn wenn CoBots so gestaltet sind, dass menschliche Interaktionspartner*innen verstehen können, was der Roboter kann, nicht kann oder was er als nächstes vorhat, ist das wahrscheinlich ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche, vertrauensvolle und sichere Zusammenarbeit.

Welchen Einfluss hat die Forschung im CoBot Studio auf das wechselseitige Einverständnis zwischen Menschen und ihren zukünftigen Kollegen?

Martina Mara: Wir untersuchen nonverbale Kommunikations- und Intentionssignale, die die Einschätzung der Absicht des Gegenübers erleichtern sollen. Das sind Faktoren, die im Design von Robotern bisher zu wenig berücksichtigt werden. Oft wird daran gearbeitet, dass CoBots menschliche Signale mit Hilfe von Sensoren und maschinellem Lernen deuten können. Doch umgekehrt gibt man den Menschen oft noch zu wenig Gelegenheit, auch die Maschine deuten zu können. Roboter sind für den Menschen dann eine Art Black Box. Die Forschung im CoBot Studio, eine Kollaboration zwischen dem Ars Electronica Futurelab und der JKU, setzt an der Schnittstelle zwischen Psychologie, Robotik, nonverbaler Kommunikation, Game Design und Virtual Reality an. Sie schafft neues Wissen als Grundlage für eine verbesserte Kommunikation zwischen Menschen und CoBots, den kollaborativen Robotern.

In einer spielerischen Virtual Reality (VR) Forschungsumgebung, die ein kollaboratives Setting – beispielsweise aus der Industrie – simuliert, haben wir vergangenes Jahr in einer Studie den Zusammenhang zwischen der Verständlichkeit unterschiedlicher Roboter-Signale, Vertrauen, Sicherheitsgefühl und Akzeptanz untersucht. Wir nehmen dabei unterschiedliche Lichtsignale, aber auch nonverbale Zeigegesten eines Industrieroboters unter die Lupe, die es Menschen ermöglichen sollen, zu erkennen, welches Objekt der Roboter etwa als nächstes greifen will oder wohin im Raum er sich bewegt.

Im Deep Space 8K des Ars Electronica Center werden die Versuchspersonen später in einer gemeinsamen virtuellen Spielumgebung auf einen realen CoBot treffen und versuchen dessen Signale zu interpretieren. Die Antworten, die wir uns aus diesem Forschungsprojekt innerhalb einer Mixed Reality versprechen, sollen uns wichtige Informationen dazu liefern, wie kollaborative Roboter künftig ausgestattet sein müssen, damit sich Mensch und Maschine besser verstehen.

Unsere Forschung im CoBot Studio baut also auf der Annahme auf, dass Maschinen und Menschen besser kommunizieren könnten, als sie es heute tun. Das daraus entstehende informierte Vertrauen soll die Zusammenarbeit in Zukunft deutlich verbessern und wirkt sich natürlich nicht nur auf das menschliche Wohlbefinden in einer kollaborativen Arbeitsumgebung zusammen mit Robotern aus, sondern auch auf den Erfolg der Kooperation und die Leistung.

„Aus den gewonnenen Erkenntnissen wird das Teamwork zwischen Mensch und Maschine hoffentlich profitieren. Insgesamt wollen wir mit CoBot Studio die Arbeitswelt der Zukunft natürlich stärker im Sinne menschlicher Bedürfnisse ausrichten.“ – Martina Mara, Professorin für Robopsychologie an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU)

Welches Ziel verfolgt ihr damit außerdem?

Roland Haring: Es geht uns natürlich darum, das Verhalten des Menschen in Bezug auf kollaborative Roboter zu untersuchen. Wie wird Vertrauen aufgebaut und wie kommuniziert man am besten zwischen Roboter und Mensch. Wie schaffen wir es, dass Menschen keine Angst vor einem Roboter haben?

Es geht aber auch darum, herauszufinden, welches die Beschränkungen und Möglichkeiten des robotischen Systems sind und wie man damit Interaktionen und mögliche Szenarien gestalten kann. Ein Ziel des Forschungsprojekts ist es deshalb auch, herauszufinden worin die methodischen Möglichkeiten des VR-Systems liegen – vor allem im Hinblick darauf, dass man damit nicht in einer realen, sondern in einer virtuellen Welt interagiert.

„Komplexe Forschungsumgebungen sind ein großes Problem in der wissenschaftlichen Praxis. Wenn nur in realen oder realistischen Umgebungen geforscht werden kann, besteht die Gefahr, dass die Forschung aus finanziellen Gründen nicht vorankommt.“ – Roland Haring, Director im Ars Electronica Futurelab

Es muss ja auch danach geforscht werden, wie die Interaktion mit mehreren Robotern funktioniert: Wie verhält sich ein Mensch, wenn er mit einer Überzahl an Maschinen konfrontiert wird? Es kann sehr schwierig sein, solche Forschungsfragen in Laborexperimenten nachzustellen. In einer virtuellen Welt kann das viel einfacher und kosteneffizienter simuliert werden. Der Deep Space 8K bietet uns in diesem Moment einen großen Vorteil: Er stellt einen hybriden Begegnungsraum zur Verfügung – einen Raum, in dem gleichzeitig in einer realen Umgebung und in einer virtuellen Realität agiert werden kann. Doch auch das Ambiente im Deep Space 8K bietet im Vergleich zu der Umgebung in einer Industriehalle unterschiedliche Voraussetzungen – für die Erwartungshaltung in Bezug auf das Gefühl von Sicherheit etwa. Das ist uns natürlich bewusst. Es ist allerdings ein Problem, mit dem jede Laborstudie zu rechnen hat.

Es gibt noch sehr wenige vergleichende Studien, die sich damit befassen, wie man VR tatsächlich in der Forschung einsetzen kann. Es besteht die Gefahr, dass die Menschen sich in der Interaktion mit virtuellen Robotern anders verhalten als in der Interaktion mit realen Maschinen. In einer virtuellen Welt wiegt man sich doch immer in Sicherheit. Reale Proportionen und haptische Materialität haben möglicherweise einen Einfluss auf die Form der Reaktion und Interaktion.

Wir haben ein sehr ähnliches Grundstudiendesign in beiden Experimenten, das wahrscheinlich eine gute Vergleichbarkeit der Daten erlaubt. Im Prinzip kann man verschiedenste Parameter für die Performancemessung herausfiltern. Im Vergleich der Datensätze wird man dann sehen, wo die Unterschiede im Verhalten liegen – und man wird bestimmte Trends erkennen können. Günstig wäre es, wenn sich herausstellt, dass die unterschiedlichen Kombinationen von Szenarien in der virtuellen oder realen Welt keinen oder wenig Einfluss auf das Verhalten der Teilnehmer*innen hätten. Denn das würde bedeuten, dass die Form der Umgebung keinen besonders großen Einfluss auf das Testergebnis hat. Wir stellen damit also auch methodischen Fragen, die sehr spannend sind und hoffen, dass wir durch die Arbeit im CoBot Studio einen besseren Einblick bekommen, inwiefern Virtual Reality aufwändige physische Forschungsumgebungen aus methodischer Sicht ergänzen oder gar ersetzen kann.

Übrigens: Die neue spannende Virtual-Reality-Studie des LIT Robopsychology Lab der JKU ist im Juli 2021 noch auf der Suche nach Proband*innen. Gemeinsam mit einem virtuellen Roboter kann man im VR-Unterwasserlabor des CoBot Studio auf spielerische Art und Weise einmal selbst ausprobieren, wie es sich anfühlt, sich mit einer Maschine zu verständigen. Die gemeinsame Mission: Das virtuelle Meer muss von Plastikmüll befreit werden. Die Studie findet im LIT Open Innovation Center an der JKU – Johannes Kepler Universität Linz statt. Die Plätze sind beschränkt. Unter diesem Link kann man sich als Teilnehmer*in anmelden: tinyurl.com/6fpu4vu2

Erfahren Sie mehr über Menschen, Roboter und die Zukunft der Arbeit am Ars Electronica Blog, über CoBot Studio und Roland Haring’s Key Research Coimmersive Spaces auf der Website des Ars Electronica Futurelab. Neue Perspektiven auf die Zukunft der Menschlichkeit zusammen mit Robotern gibt es in Humanity and Robotinity, Episode 4 aus der Jubiläumsserie des Labs.

Martina Mara hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und an der Universität Koblenz-Landau zur Nutzerakzeptanz menschenähnlicher Maschinen in Psychologie promoviert. Nach langjähriger Forschungstätigkeit im außeruniversitären Bereich – darunter viele Jahre am Ars Electronica Futurelab – wurde sie 2018 als Professorin für Robopsychology an das Linz Institute of Technology (LIT) der JKU Linz berufen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen psychologische Bedingungen einer menschenzentrierten Technologieentwicklung und interdisziplinäre Forschungsstrategien. Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie untersucht sie derzeit unter anderem Vertrauensprozesse in der Mensch-Roboter-Kollaboration, gender-spezifische Sprachassistenzsysteme oder die Wirkung medialer Bilder über Künstliche Intelligenz. Mara ist Mitglied des österreichischen Rats für Robotik und Künstliche Intelligenz (ACRAI) und kommentiert als Kolumnistin der Oberösterreichischen Nachrichten das technologische Zeitgeschehen regelmäßig auch für ein breiteres Publikum. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit einem Futurezone Award und dem Wiener Frauenpreis für Digitalisierung 2019.

Roland Haring studierte Medientechnik und Design an der Fachhochschule Hagenberg. Seit 2003 ist er Mitglied des Ars Electronica Futurelab und eine der treibenden Kräfte hinter den F&E-Bemühungen des Labors. Seine Aktivitäten umfassen Forschung und Entwicklung in mehreren großen F&E-Projekten mit akademischen, künstlerischen und kommerziellen Partner*innen und Mitarbeiter*innen. Derzeit ist Roland Haring Technischer Direktor des Ars Electronica Futurelab und mitverantwortlich für die allgemeine Leitung, inhaltliche Konzeption und technische Entwicklung. Mit seiner langjährigen Erfahrung in der (software-)technischen Leitung großer, forschungsintensiver Projekte ist er Experte für Design, Architektur und Entwicklung interaktiver Anwendungen.

, , ,