Noch bis zum 13. März 2017 können Kinder und Jugendliche in der Kategorie „u19 – CREATE YOUR WORLD“ ihre Projekte und Ideen zum Prix Ars Electronica einreichen. Zu gewinnen gibt es eine Goldene Nica und 3.000 Euro – weitere Infos unter ars.electronica.art/prix. Wie vielfältig die Einreichungen der vergangenen Jahre waren, darüber erzählt uns nun Sirikit Amann.
Sie sind als Jurorin seit 1998 jedes Jahr mit dabei. An welche besonderen Momente können Sie sich erinnern?
Sirikit Amann: Es gibt jedes Jahr Momente, die mich zum Nachdenken, zum Schmunzeln, zum Staunen und manchmal auch zum Kopfschütteln bringen. Sicher sind jene Arbeiten, die unter die Auswahl für die besten 30 kommen, die breite Spitze. Manchmal hat man doch Arbeiten, an denen das Herz hängt und die es dann doch nicht schaffen unter die Top 15 zu kommen.
2012 entstand die filmische LipDub-Arbeit „Dorotea“ der Spanisch-Klassen einer Wiener Schule. Witzig in der Performance und ein selbstgeschriebener Sound, der übers Ohr in die Beine geht und der jedes Mal von neuem die Sonne aufgehen lässt. Ich nehme diese Arbeit oft mit auf Vorträge, damit sie gesehen und von allen gehört wird. Auch das ist ein Vorteil, dass ich schon seit vielen Jahren in der Jury sitze: Arbeiten haben einen Nachhall, drängen sich somit ins Bewusstsein und erhalten auf eine andere Art und Weise dann eine nachhaltige Präsenz.
Susanne Legerer, uterus=raum=universum
Eine andere Arbeit, die vor einigen Jahren eine Auszeichnung erhielt, konnte in einem anderen Kontext erneut ihre Präsenz und Strahlkragt zeigen: „uterus=raum=universum“. In der Ausstellung INNENraum (2015) in der Dornbacher Pfarrkirche zeigte sich, dass diese Arbeit weit über die Einreichungen, die wir sonst erhalten, hinausreicht. Hier zeigt sich, dass das Konzept, die Umsetzung und der künstlerische Anspruch halten, was sie bereits 2008 versprochen hat.
Doris Mätzler und Jürgen Bereuter, Lost Poem
Eine dritte Arbeit möchte ich noch anführen: im dem ersten Jahr von u19 erhielten wir eine poetische, kommunikative und technisch gut aufgesetzte Arbeit, die vieles, was in den folgenden Jahren zum State of the Art werden sollte, vorwegnahm. Anhand einer zerschlagenen Glasplatte, in die zuvor das „Lost Poem“ hineingeritzt wurde, entstand eine Webcommunity, die versuchte, anhand der Bruchstücke, die vermessen, gewogen und in Umrissen ins Netz gestellt wurden, die Stücke wieder zusammenzuführen. Knapp an die 100 Menschen kommunizierten, diskutieren und lösten gemeinsam die Aufgaben. Und dies 1998!
Lara-Marie Pascher, Das Ballonhotel
Die damals neun Jahre alte Lara-Marie Pascher hat 2014 den u10-Sonderpreis für ihr Ballonhotel erhalten – mitsamt einer Auflistung an Sicherheitsvorkehrungen, des Speiseplans für die Piloten, Solaranlage und ausklappbarer Hundewiese. Glauben Sie, geht uns Erwachsenen im Laufe der Zeit ein gewisses Maß an Kreativität verloren?
Sirikit Amann: Nein, ich glaube nicht, dass einem die Kreativität verloren geht. Vielleicht wird sie von beruflichem Alltag überlagert, aber wenn man einmal die Lust am Experimentieren und am Gestalten gefunden hat, bleibt die auch vorhanden. Ich finde es daher so wichtig, dass dieser Entdeckergeist bei den jungen Menschen gefördert wird und dass die Ergebnisse auch einen Platz haben, wo sie gezeigt, belohnt und diskutiert werden. Was nutzt es, wenn ich im stillen Kämmerlein die schönsten Animationen gestalte oder die faszinierendsten Robotikanwendungen erfinde, wenn sie dann niemand bemerkt? Daher ist u19 – CREATE YOUR WORLD ja so einzigartig: die Jugendlichen tauschen sich aus, geben ihr Know-how weiter – sicher auch geprägt durch die Open-Source-Community. Die Erwachsenen sind erstaunt über die Welt, in die wir da eintauchen dürfen und im Langzeitarchiv des Prix Ars Electronica bleiben die Arbeiten auch den nachkommenden Generationen als Vorbild oder als Inspiration erhalten.
Susanne Legerer, uterus=raum=universum
2008 erhielt Susanne Legerer eine Auszeichnung für ihr Projekt „uterus=raum=universum“, bei dem sie Parallelen zwischen einem Ultraschallbild des Uterus und den Aufnahmen unseres Universum zog. Welche Themen sind es heute, die die junge Generation aufgreift?
Sirikit Amann: Es gab Zeiten, da haben einige wenige Themen dominiert: die Auswirkungen des Balkankrieges, 9/11, oder der Milleniumsbug, aber auch Blockbuster wie Titanic, Men in Black oder die Pixar-Filme waren Derivate von Spielen aus den frühen 1980er Jahren. Das hat sich in den letzten Jahren stark geändert: die Anregungen kommen eher aus der Indie-Szene und aus den Köpfen der jungen Kreativen. Allerdings auffallend ist schon, dass die jetzige junge Generation sich Gedanken über den grünen Fußabdruck macht, darüber wie die Umwelt neu designt werden kann nach ihren Bedürfnissen.
Mein Appell hat jetzt weniger mit den an uns herangetragenen Themen als vielmehr damit zu tun, dass es leider noch immer so ist, dass die Mehrzahl der Einreichungen von jungen Männern stammen. Ich kann nur jedes Mädchen und junge Frau ermuntern, einzureichen, nicht schüchtern zu sein und uns teilhaben zu lassen an ihren Gedanken, Konzepten, Projekten, Objekten, Filmen, der Hard- und Software.
Für sein „Visual:Drumset“ hat Dominik Koller vor drei Jahren eine Goldene Nica verliehen bekommen – seitdem kann nicht nur im Ars Electronica Center sein Schlagzeug ausprobiert werden, so ist es auch Teil eines Musikvideos geworden. Warum, glauben Sie, nehmen Kinder und Jugendliche am Prix Ars Electronica teil?
Sirikit Amann: Ich bin fest überzeugt, sie machen mit, weil es DER Prix Ars Electronica ist. Vergleichbar mit dem Oscar für den Film ist dieser Wettbewerb die renommierteste Auszeichnung in der digitalen Kultur. Die Organisatoren haben sehr früh erkannt, dass die Jugend eingebunden werden muss um im Alltag, in den breiten Netzwerken anzukommen. Nicht zu vergessen ist, dass während des Ars Electronica Festivals die u19-Generation mit Pionieren und Ikonen der digitalen Kunst gemeinsam präsentiert werden, Jung und Arriviert gemeinsam ihre Arbeiten der Bevölkerung zeigen und dass, falls ein Weg in Richtung Kunst oder Technik eingeschlagen wird, eine Top-Platzierung sich gut im Lebenslauf macht :))
Nach all den Jahren in der Jury, den ungezählten Beiträgen, den oftmaligen More of the same, den unerwarteten Momenten des Staunens und der Freude über einen neuen Aspekt, der Lust, Neues zu entdecken, dem Lachen über den Witz oder der Ironie, möchte ich euch sagen: An alle, die schon teilgenommen haben und ihr die noch teilnehmen werdet – ihr habt mein Leben bereichert. Vielen Dank und ich freu mich auf die Arbeiten 2017!
Sirikit Amann (AT) ist seit dem Bestehen von „u19 – CREATE YOUR WORLD“ Jurorin dieser Kategorie für Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren aus Österreich. Aktuell ist Sirikit Amann Leiterin der Kulturvermittlung bei KulturKontakt Austria, einem gemeinnützigen Verein in Österreich, der sich um die Förderung von Bildung und Kultur in Österreich, Ost- und Südosteuropa engagiert. Zuvor arbeitete sie mehrere Jahre im österreichischen Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur bzw. im österreichischen Bundeskanzleramt als Fach- und Kunstreferentin.