Femme Chanel – Emma Fenchel

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Das nächste Projekt des Prix Ars Electronica 2014, das wir vorstellen, trägt den Titel „Femme Chanel – Emma Fenchel“ und ist von der 19-jährigen Sarah Oos in der Kategorie „u19 – Create Your World“ eingereicht und von der Jury mit einer Goldenen Nica ausgezeichnet worden.

Die Videoarbeit von Sarah Oos ist eine sogenannte Found Footage Montage, also ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Szenen aus bereits existierenden Filmen. Durch das Aneinanderreihen von formal zueinander passenden Filmszenen entsteht ein völlig neuer Film, dessen Handlung so gut wie nichts mehr mit jener der Originalfilme zu tun hat.

Sarah Oos verwendet in ihrem Found Footage-Projekt Ausschnitte aus der Werbung Chanel No5 und aus den Filmen Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft von Anne Fontaine, Liebe um jeden Preis von Pierre Salvadori, Zusammen ist man weniger alleine von Claude Berri und Die Haut in der ich wohne von Pedro Almodóvar.

Als Ausgangsmaterial diente Sarah Oos vor allem Jean-Pierre Jeunets Werbespot Night Train (Frankreich 2009) für das Parfum Chanel No. 5 mit Audrey Tautou in der Hauptrolle sowie weitere Filme (Coco Chanel, Zusammen ist man weniger alleine, Liebe um jeden Preis), in denen die Schauspielerin mitwirkte. Aus dem eher zurückhaltenden Frauentyp, den Audrey Tautou in den diversen Filmen darstellt, wird bei Sarah Oos eine Femme Fatale, die einen Affäre nach der anderen hat.

Begeistert war die Jury des Prix Ars Electronica vor allem vom großen Interpretationsspielraum, den diese Arbeit zulässt:

Interessant ist, dass selbst nach mehrmaliger Betrachtung jedes Mal eine neue Geschichte im Kopf entstehen kann.

Aber überzeugen Sie sich selbst davon: http://prix2014.aec.at/prixwinner/14249/

Wir hatten die Gelegenheit uns mit Sarah zu einem Interview zu treffen, um mit ihr über ihr Filmprojekt zu sprechen. Dabei verriet sie uns, wie der Film entstanden ist und warum dadurch ihre Leidenschaft für Filmprojekte geweckt wurde.

Hallo Sarah – ist „Femme Chanel – Emma Fenchel“ dein erstes Filmprojekt?

Sarah Oos: In der Schule (Anmerkung: HBLA für künstlerische Gestaltung) habe ich im Rahmen des Unterrichtsfachs „Video“ schon einmal einen kleinen Film gedreht. Dabei habe ich selbst das Storyboard gemacht, das Konzept geschrieben, das Video gefilmt und alles was sonst noch dazu gehört. Beim Jugend Medien Festival YOUKI, bei dem ich öfters arbeite, habe ich auch schon bei größeren Filmprojekten mitgearbeitet und dabei ein bisschen hinter die Kulissen blicken können. Aber es ist mein erstes Found Footage Projekt.

Wie bist du auf die Idee gekommen so eine Found Footage Montage zu machen?

Sarah Oos: Mich hat es einfach fasziniert, wie wichtig es ist, welche Szenen man zusammenfügt, wie die Szenen aufeinander wirken und was man dann als Betrachter wahrnimmt und welches Bild man sich so vom Charakter einer Person macht. Seit ich mich in der Schule mit Filmschnitt beschäftige, schaue ich mir Filme ganz anders an. Ich beobachte viel genauer, wie die das gemacht haben oder warum meine Freundinnen bestimmte Filme, die für mich spannend sind, langweilig finden. So ist dann dieses Projekt entstanden. Mich hat das interessiert, wie bestimmte Szenen aufeinander wirken und wie man das manipulieren kann.

Wenn du sagst deine Freundinnen finden manche Filme, die du spannend findest, langweilig. Was macht einen guten Film aus deiner Sicht aus?

Sarah Oos: Das liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. Man kann klar zwischen Independent- und Hollywood-Filmen unterscheiden. Mich interessiert beispielsweise Kunst, im Gegensatz zu vielen meiner Freundinnen. Denen gefällt es dann, wenn in Filmen viel Action passiert. Bei mir ist das nicht so. In den letzten Jahren habe ich mich immer mehr für die Inhalte der Filme interessiert und weniger dafür, ob im Film sehr viel passiert.

Warum hast du dich für Filme mit Audrey Tautou entschieden?

Sarah Oos: Bei ihr passt einfach alles zusammen. In den Filmen in denen sie mitspielt, stellt sie eine schüchterne, hübsche, junge Frau dar, die sehr weiblich ist und jeden einfach durch ihre Art bezaubert. Ich dachte mir es wär spannend, genau sie in eine Femme Fatale zu verwandeln, die ihre Maske fallen lässt.

Das heißt, du hast dir vorher die Geschichte überlegt und dann die passenden Filmausschnitte gesucht?

Sarah Oos: Nein, am Anfang habe ich eigentlich nicht genau gewusst, was am Schluss herauskommen wird oder soll. Ich habe nur gewusst, dass ich aus bestehendem Filmmaterial einen neuen Film machen will. Die Geschichte ist dann erst mit der Zeit entstanden. Es war ein sehr langwieriger Prozess mit vielen Höhen und Tiefen und ich habe mich immer gefreut, wenn ich wieder eine Szene gefunden habe, die genau mit der vorherigen Szene zusammenpasst. Beispielsweise, wenn sich die Hauptdarstellerin umdreht und in die nächste Szene, die dann aus einem anderen Film stammt, hineindreht. Da muss man immer sehr viel probieren und testen, wie es wirkt.

Du hast also einfach mit der Parfümwerbung von Chanel begonnen…

Sarah Oos: Genau. Ich habe mir alle Filme, die ich verwenden wollte, angesehen und eine Sequenzgrafik geschrieben – also verschriftlicht, was wann genau in den Filmen passiert. Dann habe ich auch viel aus der Erinnerung gemacht und mir überlegt, welche Szene wo reinpassen könnte. So ist dann nach und nach der Film entstanden.

Die Szene am Schluss, in der Emma Fenchel die Namen durchstreicht, das ist die einzige Szene, die ich selber gedreht habe, weil es für die Handlung des Films wichtig war und der ausschlaggebende Punkt ist, wo sie zur Männermörderin wird. Aber auch diese Szene stammt ursprünglich aus einem Film, dort steht allerdings etwas anderes auf der Liste. Ich wollte die Szene aber so gut wie möglich nachstellen, indem ich versucht habe den richtigen Winkel und das richtige Licht zu treffen.

Wie bist du auf die Idee mit den deutschen Untertiteln gekommen, die ja nichts mit dem Gesprochenen zu tun haben?

Sarah Oos: Das ist Manipulation auf einer weiteren Ebene. Ich wollte das Gesprochene an den Handlungsverlauf anpassen und gleichzeitig einen ironischen Beigeschmack entstehen lassen, wie es beispielsweise auch Quentin Tarantino in „Pulp Fiction“ macht. Es sollte witzig sein und dem Zuseher noch weiteren Raum für Interpretationen geben. Damit habe ich die Botschaft quasi noch einmal ein bisschen verändert.

Hast du zuerst den Film fertig geschnitten und dir dann die Untertitel überlegt?

Sarah Oos: Ja, das habe ich im Nachhinein gemacht. Das war auch noch einmal ein langer Prozess. Ich weiß wirklich nicht, wie oft ich mir den Film angesehen habe und immer wieder die Untertitel ausgebessert habe, weil ich der Meinung war, dass es doch nicht so gut gepasst hat. Denn auch wenn man wie ich kein Französisch spricht, versteht man ja manche Dinge trotzdem, weshalb ich darauf geachtet hab, dass es trotz der Veränderung ein bisschen zusammenpasst. Manche Dinge habe ich deswegen wortwörtlich übersetzt. Bei den anderen habe ich versucht, dass der Text einigermaßen zur Lippenbewegung passt. Das war manchmal gar nicht so leicht.

Momentan sind die rechtlichen Aspekte noch nicht ganz geklärt, da du nicht die Eigentümerin der verwendeten Filmsequenzen bist… Hast du dir vorher Gedanken dazu gemacht?

Sarah Oos: Ich weiß, dass man das eigentlich nicht machen darf, aber ich hab da jetzt einfach darüber hinweggesehen, nicht zuletzt deshalb, weil ich damit ja kein Geld verdienen möchte. Und ich stelle es auch nicht als meine Arbeit hin, weshalb am Ende des Videos auch „Projekt von Sarah Oos“ und nicht „Film von Sarah Oos“ steht, ganz einfach deswegen, weil ich ja die Szenen nicht selber gedreht habe.

Ich habe mir am Anfang da auch gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht, weil ich davon ausgegangen bin, dass der Film ohnehin nur in der Schule gezeigt wird. Aber jetzt habe ich die Goldene Nica gewonnen … und damit hab ich nie gerechnet!

Warum hast du dich dafür entschieden, das Projekt beim Prix Ars Electronica einzureichen?

Sarah Oos: Mein Lehrer hat mir dazu geraten es einzureichen. Es war aber lange nicht sicher, ob ich mein Projekt überhaupt einreichen kann, weil es noch nicht fertig war. Wie die Einreichfrist näher und näher gerückt ist, habe ich dann noch einmal sehr intensiv an meinem Projekt gearbeitet. In der Phase habe ich zum Beispiel die Anfangsszene gemacht, das Anagramm von Femme Chanel zu Emma Fenchel. Danach war ich dann endlich fertig und konnte ich am allerletzten Tag der Frist den fertiggestellten Film einreichen.

Ich habe aber wirklich nicht damit gerechnet, dass der Film so gut ankommt. Man sieht das Projekt ein ganzes Jahr lang und irgendwann ist er dann nichts mehr Besonderes. Wenn es ginge, würde ich gerne meine Erinnerung an die Arbeit am Projekt löschen, um den Film noch einmal objektiv zu betrachten. Ich habe ihn einfach schon zu oft gesehen. Ich freue mich daher schon, wenn ich ihn mir in, sagen wir zehn Jahren noch einmal mit etwas mehr Abstand ansehen kann. Zurzeit sehe ich ihn aus einem ganz anderen Blickwinkel, weil ich genau weiß, wie jede Szene entstanden ist.

Hat sich seit deinem Gewinn beim Prix Ars Electronica etwas verändert?

Sarah Oos: Ich habe mich sehr gefreut, dass ich, durch meinen Gewinn, auf der Titelseite der Oberösterreichischen Nachrichten war. Das war lustig, weil mir danach sehr viele Personen, vor allem über Facebook, gratuliert haben, die ich gar nicht kenne. Normalerweise war ich bis jetzt immer in der Position, dass ich jemand anderes kannte, der irgendwo gewonnen hat und da habe ich mich immer gefragt, wie das wohl ist, wenn man wo gewinnt und jetzt darf ich das selber erleben. In der Schule erkennt mich nun auch jeder. Das ist ziemlich ungewohnt.

Hast du irgendwelche Vorbilder in der Film- und Videoszene?

Sarah Oos: Ja, zum Beispiel Wes Anderson, weil seine Art Filme zu machen ganz anders ist. Ich finde seine Filme sehr ästhetisch und trotzdem haben sie sehr gute, anspruchsvolle Handlungen. Es fasziniert mich, wie er das macht.

Bei Filmen gefällt mir beispielsweise „Die fabelhafte Welt der Amélie“ sehr gut. Hier spielt ja auch Audrey Tautou mit. Den habe ich aber nicht verwendet, weil sie hier eine ganz andere Rolle als sonst spielt und ganz anders aussieht als sonst. Aber der Film gefällt mir einfach, weil es so schön traumhaft gemacht ist. Audrey Tautou ist aber nicht meine Lieblingsschauspielerin. So etwas habe ich eigentlich nicht.

Sind schon weitere Projekte in Planung?

Sarah Oos: Im Oktober beginne ich mein Studium an der Kunstuniversität Linz im Bereich Grafik und Fotografie. Es war das erste Mal, dass ich mich mit Filmschnitt beschäftigt habe, weil meine Leidenschaft normal eher im grafischen Design liegt. Aber das Filmmachen hat mir schon sehr viel Spaß gemacht. Selber Filme drehen werde ich vermutlich nicht, aber ich könnte mir schon vorstellen irgendwann wieder ein Found Footage Projekt zu machen. Mir gefällt es einfach Dinge zu visualisieren.

Das Video Femme Chanel – Emma Fenchel wird auch im Rahmen der u19 Exhibit beim Ars Electronica Festival 20014 von 4.-8. September präsentiert. Dort werden jedes Jahr die besten 15, der eingereichten Projekte der Kategorie u19 – Create Your World, ausgestellt. So natürlich auch das Gewinner-Projekt von Sarah Oos.

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