Foto Credits: María Ignacia Edwards
Die Gewinnerin des Open Calls des Art & Science Networks steht fest! María Ignacia Edwards wurde unter mehr als 140 Bewerberinnen und Bewerbern aus insgesamt 40 Ländern ausgewählt und darf sich auf einen Aufenthalt in der Europäischen Südsternwarte (European Southern Observatory, kurz ESO) und im Ars Electronica Futurelab freuen. Die zehnköpfige Jury, die aus Vertreterinnen und Vertretern der Ars Electronica, dem Repräsentanten der ESO (Fernando Comerón) und Mitgliedern der sieben kulturellen Partnerinstitutionen bestand, war sich einig, dass Maria die Residency verdient.
María arbeitet mit der Balance von Objekten, die sie in ihrer Konstruktion durch das bloße Eigen- und Gegengewicht scheinbar zum Schweben bringt. Während ihre Arbeit auf den ersten Blick als rein ästhetisches Kunstobjekt wahrgenommen wird, entdeckt man auf den zweiten Blick, dass die Konstruktion das Ergebnis umfangreicher mathematischer und physikalischer Berechnungen ist. Maria lässt sich in ihrer künstlerischen Arbeit von der Astronomie inspirieren und möchte dadurch auch andere für die Astronomie begeistern. Das bietet nach Ansicht der Jury ein besonderes Potential für die Residency des Art & Science Networks.
Bevor María ihre Residency an der ESO startet, konnten wir mit ihr über ihre bisherigen Arbeiten, ihre Inspirationsquellen und ihre Erwartungen an die Residency sprechen.
Hallo María! In deinem Projekt „ENCUENTROS / TALLER / 2015“ verbindest du eine sehr poetische, ästhetische Kunst mit einem umfangreichen Wissen über Mathematik und Physik. Wie bist du auf die Idee gekommen, diese beiden gegensätzlichen Elemente zu verbinden?
María Ignacia Edwards: Die Idee, diese beiden Elemente zu kombinieren kommt hauptsächlich aus meiner Intuition und Inspiration. Das bringt mich dazu, mich mit den unterschiedlichsten Dingen auseinanderzusetzen, sie zu verstehen und sie zu erleben. Ich glaube, um ein wirkliches Verständnis über unterschiedliche Dinge zu erlangen, ist es notwendig, diese aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und Annahmen zu überprüfen. Das Nichtwissen inspiriert mich vor allem deswegen, weil es mir erlaubt zu spekulieren. Wenn du nicht alle Antworten hast, wächst deine Intuition und deine Sinne werden geschärft, damit neue Ideen entstehen können. Intuition lässt mich Zusammenhänge zwischen verschiedenen Themen und Disziplinen erkennen und innerhalb meiner Möglichkeiten und Fähigkeiten als Künstlerin damit experimentieren. Das Ergebnis dieser Experimente ist das immer größer werdende Interesse an diesen Themen und Disziplinen.
Woher hast du all dein Wissen über Physik und Mathematik und warum fasziniert dich das so sehr?
María Ignacia Edwards: Um ehrlich zu sein, besitze ich nicht sehr viel Wissen über Physik oder Mathematik. Das Wissen, das ich habe, eigne ich mir vor allem durch Experimentieren und der Suche nach Lösungen für meine künstlerischen Vorhaben an. Mit meiner Faszination für die Wissenschaft verhält es sich eigentlich genauso – auch die entspringt der Praxis. Für mich ist das so, als würde man jemanden im Rahmen einer sehr förmlichen Veranstaltung kennenlernen und erst einmal den Eindruck bekommen, dass diese Person ein wenig steif und distanziert ist. Wenn man diese Person dann aber auf der Straße oder im Supermarkt nochmal trifft, entdeckt man im Laufe des Gesprächs eine ganz andere Seite an dieser Person – und erkennt sich darin vielleicht sogar selbst ein Stück wieder. Die Distanz verschwindet jedenfalls und man will mehr über die Person erfahren. Genauso ist es mir mit der Wissenschaft gegangen. Ich habe Mathematik oder Physik nicht gelernt, weil ich es in der Schule lernen musste, sondern weil ich im Rahmen meiner künstlerischen Arbeit jeden Tag damit zu tun habe. Auf diese Weise habe ich mich selbst in der Wissenschaft wiedergefunden und eine Seite an ihr entdeckt, die mich fasziniert. Ich habe dieses Wissen gebraucht, um den tieferen Sinn der Dinge zu ergründen.
Was inspiriert dich zu deiner Arbeit?
María Ignacia Edwards: Meine Arbeit ist inspiriert von der Verbindung zwischen dem Leben für die Kunst und der Kunst zum Leben. Genau wie die Begegnung zwischen Objekten, Ideen und Ansätzen in verschiedenen Phasen meines Lebens. Die Suche nach Lösungen, neuen Abfolgen und Kombinationsmöglichkeiten ist ein wesentlicher Teil meines kreativen Prozesses, der eng mit dem Blick auf die Welt verknüpft ist. Ich gehe jeden Tag durch die Straßen der Stadt und diese Wege spiegeln sich in meiner Konstruktion, die ich gemacht habe, wider. Es gibt Pfade und Verbindungspunkte und so ist es auch im Universum – es ist, als wäre die Stadt eine fragmentarische Reduzierung des Universums. Diese Idee der Verbindung zwischen Makro- und Mikrokosmos habe ich von der sogenannten fraktalen Geometrie. Dabei geht es um ein Objekt, das aus mehreren verkleinerten Kopien seiner selbst besteht.
In meiner Arbeit geht es hauptsächlich darum, eine Balance zu finden und dadurch scheinbar die Schwerkraft außer Kraft zu setzen, indem ich mit dem Eigen- und Gegengewicht von Objekten arbeite. Die Konstruktion, die ohne fremde Hilfe stehen kann, generiert eine einfache Lösung eines selbstkonstruierten oder selbstgebildeten Friedens. Die Suche nach Wissen ist ein konstanter Aspekt meiner Arbeit.
Deine Arbeit ist stark von der Wissenschaft beeinflusst. Glaubst du, dass auch die Kunst die Wissenschaft inspirieren kann?
María Ignacia Edwards: Auf jeden Fall! Nicht nur die Wissenschaft ist in der Lage Kunst zu inspirieren. Ich glaube, dass auch die Kunst die Wissenschaft inspirieren kann, weil es eine Gemeinsamkeit in beiden Disziplinen gibt: die Intuition.
Die Intuition ist, meiner Meinung nach, nichts anderes als die Verbindung und die Kombination von Gedanken und Gefühlen.
Warum hast du dich dazu entschieden beim Open Call des Art & Science Networks mitzumachen?
María Ignacia Edwards: Ich habe mitgemacht, weil sich die Residency genau um das dreht, was mich immer schon inspiriert hat: nämlich die Astronomie oder genauer gesagt, die Sterne. Genau deshalb ist es vielleicht gar kein großer Zufall, dass ich, als ich die Ausschreibung zum ersten Mal gesehen habe, gerade mit den Vorbereitungen einer Ausstellung im Madrid befasst war, deren Titel „The Good Star“ lautete. Und dass ich, als ich mir dann die Eckdaten des Open Calls in mein Notizbüchlein notieren wollte, auf eine schon etwas ältere Eintragung gestoßen bin, bei der es um einen ganz bestimmten Moment im Leben eines Sterns geht, nämlich den seines Todes.
All diese – vielleicht nur vermeintlichen – Zufälle inspirierten mich und alles ergaben irgendwie einen Sinn. Die Residency bei der ESO möchte ich jedenfalls dazu nutzen, mehr über die Sterne, das Weltall und das Universum zu lernen, um letzten Endes auch ein besseres Verständnis und Bewusstsein für meine Arbeit als Künstlerin zu bekommen.
Wie stellst du dir die Residency an der ESO und im Ars Electronica Futurelab vor? Was erwartest du dir von der Umgebung und von den Menschen, die dort arbeiten?
María Ignacia Edwards: Ich habe ein sehr gutes Gefühl bei der Residency und auch bei den Menschen, die dort arbeiten. Anstatt etwas Bestimmtes zu erwarten, ziehe ich es aber vor offen für die Erfahrung zu sein, eine positive Energie zu erzeugen und Inspiration zu sammeln, die es mir hoffentlich ermöglichen wird, ein gutes Projekt umzusetzen, das auch andere miteinander verbindet und zu Neuem inspiriert.
Hast du schon eine ungefähre Idee, welches Projekt du während deiner Residency machen möchtest?
María Ignacia Edwards: Ja. An der ESO und im Futurelab würde ich gerne an der mobilen Konstellation, die sich selbst ausbalanciert, weiterarbeiten. Außerdem würde ich gerne weitere Forschungen zu Plato und Pythagoras anstellen, die die Vorstellung hatten, dass Musik, Mathematik und Astronomie drei wesentlich verschiedene Wissenschaftsdisziplinen sind, die jedoch einen gemeinsamen Ursprung haben. Ich würde gerne die Beziehung und die Verbindung zwischen diesen Disziplinen finden und damit arbeiten.
Im pythagoreischen Mythos geht es darum, dass Menschen von den Sternen auf die Erde gefallen sind. Heutige Physiker sagen, dass wir aus Sternenstaub-Teilchen entstanden sind. Bei der Pythagoreischen Version unseres Falles auf die Erde, war die einzige Hoffnung wieder aufzusteigen, die universelle Ordnung wieder herzustellen, indem Mathematik und Musik ausgeübt werden. Pythagoras meinte, die mathematischen Notizen werden die Lücke zwischen uns und den Sternen wieder füllen. Das waren Pythagoras Ansichten und das inspirierte mich in meiner Arbeit sehr. Basierend auf dieser Theorie des Falles und des Aufstiegs würde ich gerne eine Arbeit machen, die durch die Ordnung des Universums und der Sterne aus Perspektive der Erde inspiriert ist. Während meiner Residency ist es nicht meine Absicht, diese Lücke zu füllen, sondern als Ergebnis meiner Beobachtungen und Erfahrungen am ESO, ein Bewusstsein dafür zu schaffen.
María Edwards (geb. 1982) stammt aus Santiago in Chile. Sie machte ihren Bachelor-Abschluss an der Universidad Finis Terrae in Santiago und ihr Diplom in Cinema, Art Direction ans Photography an der Universidad de Chile. Von 2009 bis 2012 lebte und arbeitete sie in New York, wo sie auch Residencies an der School of Visual Arts und am Lower East Side Printshop absolvierte. Auf die Einladung des Arts Cultural Center im mexikanischen Reinosa/Tamaulipas hin gestaltete sie 2012 die Solo-Exhibition „In Between“. María Edwards Arbeiten wurden bereits in Chile, Spanien, den USA, Argentinien, Peru und Mexiko gezeigt, darüber hinaus wirkte sie an einer Reihe internationaler Kunst-Messen Pinta Art Fair in New York, ArteBA in Buenos Aires, Art Lima in Peru und der ChaCo in Chile mit. Erst kürzlich wurde María Edwards mit dem „Art and Science-Preis“ der National Commission for Scientific and Technological Research (CONICYT) in Santiago, Chile ausgezeichnet.
Weitere Informationen finden Sie unter: https://ars.electronica.art/artandscience/
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