Forschen, Entdecken und Verstehen durch Spielen

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ZOOM Atelier_c_ZOOM Kindermuseum_J.J. Kucek_1000x500Fotocredits: ZOOM Kindermuseum / J.J. Kucek

Seit 2003 ist Elisabeth Menasse-Wiesbauer Direktorin des ZOOM Kindermuseums, das 1994 als allererstes Museum für Kinder in Österreich seine Tore öffnete und seit dem zu einer der erfolgreichsten Kulturinstitutionen Wiens zählt. Unter dem Motto „Hands on, minds on, hearts on!“ können Kinder in eigens entworfenen Erfahrungs- und Erlebnisräumen Themen aus Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur auf spielerische Weise erkunden und mit allen Sinnen erproben und erforschen.

Dieses Jahr konnten wir Elisabeth Menasse-Wiesbauer als Jurymitglied für den Prix Ars Electronica 2015 gewinnen. In der Kategorie u19 – CREAT YOUR WORLD wird sie gmeinsam mit vier weiteren Jurymitgliedern die Arbeiten von Kindern und Jugendlichen unter 19 Jahren sichten und bewerten. Einreichungen für U19 – CREATE YOUR WORLD sind noch bis 22. März 2015 möglich!

Im Interview berichtet uns Elisabeth Menasse-Wiesbauer einiges über ihre Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Kindern und worauf sie bei den eingereichten Arbeiten besonders achten wird.

ZOOM Ozean_c_ZOOM Kindermuseum_J.J. KucekDas breite Themenspektrum des ZOOM Kindermuseums erstreckt sich von Fragen der Stadtentwicklung bis hin zu Umweltschutz und Integration. Themen, die natürlich auch für Erwachsene interessant sind. Wie unterscheidet sich das Kindermuseum von Museen für Erwachsene?

Elisabeth Menasse-Wiesbauer: Auf den ersten Blick ist es vielleicht erstaunlich, dass wir uns im ZOOM mit diesen großen und komplexen Themen beschäftigen. Aber unserer Erfahrung nach können Kinder so gut wie alles verstehen, wenn man sich auf ihre Art der Weltsicht einlässt und auf ihren Erfahrungen aufbaut. In einer Kinderausstellung müssen die Inhalte sehr sinnlich und spielerisch vermittelt werden, denn das Spiel ist die wichtigste Lernform der Kinder. Wir versuchen in unseren Ausstellungen die Kinder zum Staunen zu bringen und Aha-Erlebnisse auszulösen, denn je sinnlicher und emotionaler ein Inhalt dargestellt wird, desto stärker und nachhaltiger ist der Eindruck, den sie mit nach Hause nehmen. Wichtig ist uns auch, dass sich die Kinder die Inhalte selbstständig und selbstbestimmt aneignen können, die Exponate ausprobieren, mit ihnen experimentieren, oder sich auch körperlich involvieren.

Eine gute Kinderausstellung kann übrigens durchaus auch für Erwachsene reizvoll sein, weil sie unkonventionelle Zugänge schafft.

Welche Themen sind bei den Kindern momentan besonders beliebt und warum glauben Sie, ist das so?

Elisabeth Menasse-Wiesbauer: Die beliebtesten Ausstellungsthemen der letzten Jahre waren: Science Fiction, Detektive, Mittelalter und Umwelt. Ich glaube, Kinder lieben ganz allgemein Themen wie Tiere, Weltall, Umwelt und die Genres der Krimi- und Gruselgeschichten. Das war schon in meiner Kindheit so. Nur waren die Autoren, Filme- und Ausstellungsmacher damals andere als heute und die Art und Weise, wie diese Themen aufbereitet und diese Geschichten erzählt werden, haben sich geändert.

Aber ich bin überzeugt, dass sich Kinder für alle Themen interessieren, wenn man sie gut und spannend aufbereitet. Wir hatten z.B. eine Archäologie-Ausstellung mit dem Titel: „Knochengräber-Zeitenjäger“, die allein wegen des Wortes „Knochenjäger“ die Phantasie und Neugier der Kinder derartig anstachelte, dass der Zulauf enorm war. Oder ein anderes Beispiel: Kinder, die unsere Kindervorlesungen besucht haben, beginnen sich plötzlich stärker für Wissenschaft zu interessieren. Kinder wollen die Welt, die sie umgibt, verstehen. Wenn man ihnen gute Zugänge verschafft, also z.B. gute Bücher, Kindervorlesungen, Theaterstücke, Filme oder Ausstellungen anbietet, dann kann man ihr Interesse für viele Themen wecken. Besonders gut funktioniert bei Kindern alles, was Humor und Witz hat!

ZOOM_Ausstellung_c_ZOOM Kindermuseum_J.J. KucekSie sind nun bereits seit 2003 Direktorin im ZOOM Kindermuseum. Beschäftigen sich die Kinder heute mit anderen Dingen als vor 10 Jahren?

Elisabeth Menasse-Wiesbauer: Wie gesagt, gibt es von den Themen her keinen großen Unterschied zu früher. Was sich sehr deutlich geändert hat, ist, dass Kinder heute permanent und ganz selbstverständlich digitale Devices benützen. Es gibt kaum mehr ein Kind ohne Computer, Tablet, oder Smartphone. Dadurch hat sich das Leben der Kinder ganz entscheidend verändert: Sie telefonieren, fotografieren, filmen, benützen das Internet, WhatsApp, YouTube und Facebook praktisch immer und überall. Die Nutzung dieser Medien und Plattformen hat für die heutigen Kinder und Jugendlichen nichts mit technischer Innovation zu tun, sondern sind ihr selbstverständlicher Kultur- und Lebensraum mit einer Vielzahl von Möglichkeiten, aber auch neuen Problemen, wie der Preisgabe der Privatsphäre, Mobbing etc. Durch die permanente Vernetzung der Kinder dringen vielleicht Themen wie Umwelt- und Klimakatastrophen, Krieg, Terror und Flüchtlingsprobleme stärker in ihr Bewusstsein ein.

Das ZOOM hat übrigens auf den Vormarsch der neuen Medien schon sehr früh reagiert und bereits 2001 ein Medienlabor eingerichtet, in dem Kinder, unterstützt von Künstlerinnen und Künstlern, selber Trickfilme produzieren können. Dabei erfahren sie, dass sie Medientechnologien, genauso wie Pinsel und Farbe, dazu nützen können, ihre eigenen Ideen kreativ umzusetzen. Die teils sehr witzigen, teils sehr poetischen Resultate kann man auf unserer Website anschauen.

ZOOM Science_Wiener Kindervorlesungen_c_ZOOM Kindermuseum_J.J. KucekIm Rahmen eines Kinderbeirats haben Kinder die Möglichkeit bei der Programmkonzeption des ZOOM Kindermuseum mitzureden und ihre Ideen einfließen zu lassen. Wie funktioniert dieser Kinderbeirat genau? Inwieweit dürfen die Kinder mitbestimmen?

Elisabeth Menasse-Wiesbauer: Das Museum ist eine Einrichtung für Kinder, die Programme sollen für sie optimal funktionieren. Also liegt es nahe, Kinder selbst in die Programmentwicklung und Evaluierung einzubinden. Das geht natürlich nur punktuell: Der Kinderbeirat trifft sich ungefähr viermal im Jahr. Jedes Mal wird ein bestimmtes Thema diskursiv und spielerisch bearbeitet. Wir versuchen z.B. für unsere nächste Ausstellung zum Thema „Kunststoff und Nachhaltigkeit“ herauszufinden, welches Vorwissen und Verständnis die Kinder haben und was sie zu bestimmten Begriffen assoziieren. Oder als wir unser Foyer neu gestaltet haben, wurden die Kinder gefragt, welche Wünsche und Vorschläge sie dazu haben. Natürlich können die Kinder nicht entscheiden, sondern nur beraten. Das muss vorher klar kommuniziert werden, denn sonst sind die Kinder enttäuscht, wenn sie sehen, dass ihre Wünsche nicht 1:1 umgesetzt wurden. Mich hat überrascht und auch berührt, wie ernst und wichtig die Kinder ihre Beiratstätigkeit nehmen.

14968458690_81d9a0237a_kSarah Oos – die Gewinnerin in der Kategorie u19 – CREAT YOUR WORLD beim Prix Ars Electronica 2014

Sie werden Jurymitglied beim Prix Ars Electronica 2015 in der Kategorie u19 – CREAT YOUR WORLD sein, in der Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen und Ideen zur Welt von Morgen zu realisieren und zu präsentieren. Worauf werden Sie bei den eingereichten Arbeiten besonders achten?

Elisabeth Menasse-Wiesbauer: Ich bin schon sehr neugierig auf die Einreichungen und die Themen, mit denen sich die Kinder und Jugendlichen befassen. Ich werde natürlich auf die Inhalte achten, aber vor allem darauf, wie diese Inhalte umgesetzt sind. Für mich sind der individuelle, spezielle Blick und der kreative Zugang zu einem Thema die ausschlaggebenden Faktoren

ZOOM Trickfilmstudio_c_ZOOM Kindermuseum_J.J. KucekSetzt man die Erwartungen an Kinder und Jugendliche heutzutage automatisch höher, als früher, da die gegenwärtige Generation mit neuen Technologien und Medien aufgewachsen ist und oftmals bereits in jungen Jahren besseres Wissen in diesen Bereichen hat, als so mancher Erwachsener?

Elisabeth Menasse-Wiesbauer: Man kann heute mit den neuen Medientechnologien viel einfacher tolle Fotos oder Filme machen, als früher. Jedes Kind, jeder Jugendliche experimentiert mit seinem Smartphone oder Tablet und dokumentiert sein Leben, sich selbst mit Selfies, seine Freunde, seine Reisen, seine Freizeitaktivitäten etc. Durch die einfache Bedienbarkeit der Technik ist natürlich das allgemeine Niveau enorm gestiegen. Ich sehe das als großen Vorteil, weil man mit einfacheren Mitteln zu guten Ergebnissen kommt und die Energie nicht in die Technik, sondern in die kreative Umsetzung legen kann.

Elisabeth Menasse-Wiesbauer. Geb. 1954; Studium der Geschichte, Psychologie und Philosophie; Forschungs- und Lehrtätigkeit in den Bereichen Geschichte der Kindheit und Wissenschaftsgeschichte; 1995-2001 Organisation des Forschungsschwerpunktes „Fremdenfeindlichkeit“ im Wissenschaftsministerium; seit 2003 Direktorin des ZOOM Kindermuseums; von 2003 – 2011 Vorstandsmitglied der Europäischen Kindermuseumsvereinigung „Hands on Europe“.

Mehr Informationen zum Prix Ars Electronica finden Sie unter: https://ars.electronica.art/prix/

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