Nicht auf die technische Raffinesse, auf die Emotionen kommt es an!

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Bereits seit 1998 gibt es beim Prix Ars Electronica eine eigene Kategorie für Kinder und Jugendliche. In der Kategorie u19 – CREATE YOUR WORLD haben Kinder und Jugendliche bis 19 Jahren die Möglichkeit, ihre Vorstellungen und Ideen zur Welt von Morgen zu realisieren und zu präsentieren. Sirikit Amann ist schon seit Beginn an, jedes Jahr, eines der Jurymitglieder dieser Kategorie und wird deshalb oft liebevoll „Mutter der Kinder- und Jugendkategorie“ genannt. Auch dieses Jahr war sie wieder Teil der Jury. Wir haben uns mit der Politik-, Theater- und Wirtschaftswissenschafterin, die als Fachreferentin im Büro des Bundesministers für Kunst und Kultur im österreichischen Bundeskanzleramt tätig ist, getroffen und sie gefragt, was sie von diesem inoffiziellen „Titel“ hält und was sich seit Entstehung der Kategorie verändert hat.

VOG_3587-EditDie Jury von u19 – CREATE YOUR WORLD: (v.l.n.r.) Peter Schernhuber, Elisabeth Menasse-Wiesbauer, Sirikit Amann, Erwin Wagenhofer, Conny Lee. (Credit: Florian Voggeneder)

Hallo Frau Amann, Sie sind von Anfang an – also seit 1998 – bei u19 dabei und werden inoffiziell immer wieder als die „Mutter“ dieser Wettbewerbskategorie bezeichnet. Was bedeuten der Prix Ars Electronica und im Besonderen natürlich u19 für Sie?

Sirikit Amann: Nun, der Prix Ars Electronica ist weltweit einzigartig – wegen seiner langen traditionsreichen Geschichte und weil Ars Electronica schon sehr früh erkannt hat, wie neue Medien die Kunst, die Wirtschaft und ganz allgemein unser gesellschaftliches Zusammenleben verändern werden. Vor diesem Hintergrund, bin ich durchaus ein wenig stolz darauf, dass man mich als die „Mutter“ einer Wettbewerbskategorie des Prix Ars Electronica bezeichnet.

15177436162_70fed52550_kDie Gewinnerin der Kategorie u19 – CREATE YOUR WORLD 2014, Sarah Oos, während der u19-Preisverleihung. In ihrer Videoarbeit „Femme Chanel – Emma Fenchel beschäftigte sie sich mit Found Footage, also mit Elementen aus bereits existierenden Filmen, und der Möglichkeit, diese zu verfremden. (Credit: Tom Mesic)

Beschäftigen sich Kinder und Jugendliche heute mit anderen Themen als vor zehn Jahren?

Sirikit Amann: Ja, das tun sie. Sie sind generell kritischer gegenüber den Möglichkeiten, die neue Technologien bieten. Themen, die sich aber immer wieder wiederholen sind all die düsteren Seiten des Lebens, mit denen sich pubertierende Jugendliche oftmals beschäftigen, wie Liebeskummer, Ausgrenzung oder gar Suizidgedanken. Neu ist, dass die Qualität und die Verwendung der technischen Hilfsmittel in eine professionellere Richtung gerückt sind, als das noch vor zehn Jahren der Fall war.

8740715901_63f5b2d6cf_kMit dem Visual:Drumset gewann Dominik Koller 2013 die Goldene Nica der Kategorie u19 – CREATE YOUR WORLD (Credit: Dominik Koller)

Erwartet man heute mehr von Kindern und Jugendlichen als früher, weil sie ja mit all den neuen Technologien und Medien aufwachsen?

Sirikit Amann: Unter den Einreichungen ist dieses Jahr beispielsweise eine wirklich beeindruckende Arbeit von einem Fünfjährigen dabei. Nun ist es zwar auch in den vergangenen Jahren durchaus vorgekommen, dass uns so junge Kinder eine Arbeit schicken, bei der sie am Computer mit Paint oder etwas Ähnlichem gemalt haben, aber im Vergleich dazu sticht das technische Können dieses Fünfjährigen sehr hervor. Er hat am Computer eine kleine Animation gemacht, bei der ein Männchen in einer Halfpipe hin und her flitzt. Das ist schon etwas Besonderes. Wenn ich mich an meine Kindheit zurück erinnere, muss ich sagen, dass ich schon um einiges älter war, als ich überhaupt nur in die Nähe von so etwas gekommen bin. Da hat sich also schon sehr viel verändert, vor allem weil die Tools heute viel günstiger und für fast jede und jeden zugänglich sind. Durch die Demokratisierung landen diese Werkzeuge jetzt auch in Kinderhänden und werden immer intensiver genutzt. Weil Kinder so lange damit herumexperimentieren, bis sie verstehen, wie diese Dinge funktionieren. Am Ende können sie dann viele tolle Projekte realisieren.

7157195504_953a8d7d15_hAgnes Aistleitner erreichte mit ihrer Videoarbeit „State of Revolution“ 2012 den ersten Platz (Credit: Agnes Aistleitner)

Wie vergleicht man als Jurorin eigentlich Arbeiten von jüngeren Kindern mit denen der Älteren?

Sirikit Amann: Ein Unterschied ist natürlich, dass die Jungen einfachere technische Tools verwenden, als Jugendliche, die das entweder schon in der Schule gelernt haben oder sich privat seit Jahren damit beschäftigen. Aber allein die technische Raffinesse macht es eben nicht aus. Uns Jurorinnen und Juroren geht es vor allem darum, etwas Erfrischendes, etwas Neues in einer Arbeit zu entdecken und da ist es nicht so wichtig, ob das Ganze noch ein bisschen ruckelt oder nicht ganz scharf ist. Wenn wir sehen, dass die Kinder und Jugendlichen Spaß daran haben eine Idee eigenständig in die Realität umzusetzen, dann ist das genauso viel wert, wie eine wirklich toll ausprogrammierte, technische Anwendung oder eine ganz ausgefeilte Animation.

Wir schauen nicht nur darauf, wie das Ergebnis aussieht, sondern welche Emotionen es uns vermittelt.

Worauf achten Sie bei den eingereichten Arbeiten sonst noch?

Sirikit Amann: Wir wollen, dass sich unter den Top 15, die dann auch im Katalog und im Rahmen des Ars Electronica Festival präsentiert werden, die gesamte Bandbreite der Einreichungen widerspiegelt. Das heißt beispielsweise, dass wenn Animationen dabei sind, auch eine davon unter den besten 15 sein soll. Darüber hinaus sollten die verschiedenen Altersgruppen vertreten und auch Jüngere unter den Gewinnerinnen und Gewinnern sein und es sollten, nicht nur Einzelarbeiten, sondern auch Gruppenarbeiten vertreten sein. Auf diese bunte Mischung achten wir bei der Sichtung der eingereichten Arbeiten.

Im Gegensatz zu den anderen Kategorien des Prix Ars Electronica haben wir ja auch die ganz besondere Situation, dass uns unsere Künstlerinnen und Künstler sozusagen immer davonwachsen. Wir bewerten nur das, was wir gerade vor uns liegen haben und können nicht, wie beispielsweise in anderen Kategorien, beurteilen, welche Arbeiten die Künstlerin oder der Künstler bereits in vorhergehenden Jahren eingereicht hat und ob sich diese verbessert oder verschlechtert haben. Wir sehen das aber als etwas Positives, weil wir jedes Jahr von vorne anfangen können und nur das miteinander vergleichen, was wir in genau diesem Jahr von den Kindern und Jugendlichen bekommen haben. Und wir sagen auch nicht: „So eine Arbeit habe ich vergangenes Jahr schon einmal gesehen und die fand ich besser oder schlechter.“ So etwas gibt es in dieser Kategorie nicht und darauf lege ich auch großen Wert, einfach weil ich möchte, dass jede Arbeit genau die Wertschätzung bekommt, die sie verdient. Wenn es innerhalb eines Jahres ähnliche Arbeiten gibt, werden diese aber natürlich miteinander verglichen und wir überlegen uns in der Jury, welche Neuigkeiten diese Arbeiten bieten. Ist es etwas, das „more-of-the-same“ ist oder ist es etwas, das unser Leben vielleicht ein bisschen verbessern kann. Der vollständige Titel von u19 lautet ja nicht zufällig „Create Your World“ und deshalb ist es wichtig, dass die Gewinnerprojekte die Welt der jungen Menschen ein bisschen verändert, verbessert oder einfacher macht.

Sirikit Amann (geb. 1961) hat Politik-, Theater- und Wirtschaftswissenschaften in Wien studiert. Seit den 80er Jahren beschäftigt sie sich hauptsächlich mit kultureller Bildung im Spannungsfeld von Kultur, Bildung und neuen Medien auf nationaler und internationaler Ebene. Bis 2007 in KulturKontakt Austria als Bereichsleiterin für Kulturvermittlung, wechselte sie ab 2008 als Leiterin der neugegründeten Stabsstelle für Kunst- und Kulturvermittlung in das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur. Bis 2013 Fachreferentin für Kunstfragen im Büro der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur. Seit 2014 Fachreferentin im Büro des Bundesminister für Kunst und Kultur im Bundeskanzleramt. Seit 2008 Kuratorin der Young Animation im Rahmen des Prix Ars Electonica und Jurymitglied von u19 seit Beginn an.

Mehr Informationen zum Prix Ars Electronica 2015: https://ars.electronica.art/prix/

Am 26. Mai 2015 wird in einer Pressekonferenz bekanntgegeben, wer die begehrten Goldenen Nicas erhält.

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