Ineffizient und komisch: Joseph Herschers Maschinen

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Eine Zündschnur, die Kugeln auslöst, die wiederum den Gashebel am Bunsenbrenner umlegen, der schließlich eine Flüssigkeit zum Kochen bringt, die den nächsten Teil der Maschine betätigt, bis am Ende eine einzelne Zeitungsseite umgeblättert wird: Das ist der „Page Turner“ von Joseph Herscher. Die Maschine ist nur ein Beispiel seiner spielerischen Vorrichtungen, die alltägliche und banale Tätigkeiten verrichten, dafür aber unfassbar komplizierte und lange Wege zurücklegen.

Genau diese Leidenschaft für das Spielerische bringt der Künstler zum Ars Electronica Festival von 7. bis 11. September 2017 nach Linz. In drei unterschiedlichen Projekten zeigt Joseph Herscher, wie seine kinetische Kunst funktioniert, warum es wichtig ist, zu spielen, und wie Spiele auch ihren Weg in die Bildung finden. Im diesjährigen Jugendbegegnungsprojekt baut er gemeinsam mit 20 Jugendlichen aus Europa eine „Unintelligent Machine“, mit dem Projekt „Machine Dream“ verwandelt er die alte Rutschenhalle der POSTCITY Linz in eine große Maschine und bei der Symposiumsreihe „Perspektiven politischer Bildung“ spricht er am Freitag, 8. September 2017, um 13:00 darüber, wie man das Spielerische in den Mittelpunkt von Bildungsmaßnahmen rücken kann.

Hier erzählt Joseph Herscher mehr darüber, was er für das Ars Electronica Festival 2017 geplant hat.

Als Künstler arbeitest du im Bereich der kinetischen Kunst und baust Rube-Goldberg-Maschinen. Wie kam es zu dieser Faszination?

Joseph Herscher: Ich baute meine erste Maschine, als ich fünf Jahre alt war. Es war eine Vorrichtung, um meine Süßigkeiten aufzubewahren. Obwohl sie vor allem eine sehr nützliche Vorrichtung für mein tägliches Leben war, fiel mir außerdem auf, dass die Maschine meine Eltern zum Lachen brachte. Das spornte mich an, immer aufwendigere Maschinen zu bauen.

Deine Maschinen brauchen eine unglaublich lange Zeit, um einfache Handlungen auszuführen, die auch auf einfachere und schnellere Weise erledigt werden könnten. Worin liegt der Charme, den komplexeren und komplizierten Weg zu gehen?

Joseph Herscher: Maschinen werden normalerweise dazu gebaut, eine Aufgabe so effizient wie möglich zu bewältigen. Meine Maschinen sind das Gegenteil davon, sie sind so ineffizient wie möglich. Das ist grundsätzlich absurd. Aber wir Menschen sind von Natur aus sehr spielerische Geschöpfe. Ich glaube, es reizt uns, wenn wir eine spielerische Maschine sehen, da sie viel menschlicher wirkt.

Eines deiner Projekte am Ars Electronica Festival 2017 ist die „Unintelligent Maschine“. Welche Idee steckt hier dahinter?

Joseph Herscher: Ich werde einen Workshop mit 20 Leuten im Create Your World Bereich leiten, wo wir im Laufe einer Woche eine riesige Kettenreaktionsmaschine bauen werden. Sie wird entweder eine Topfpflanze wässern oder die Pflanze umstoßen – das wird von der Maschine jedes Mal, wenn sie läuft, wieder zufällig entschieden.

Das Festivalthema ist „Artificial Intelligence – Das Andere Ich“. Wie passt die „Unintelligent Machine“ dazu?

Joseph Herscher: Das Furchterregende an Künstlicher Intelligenz ist nicht, dass wir unabsichtlich eine bösartige Künstliche Intelligenz erschaffen, sondern eine Künstliche Intelligenz mit den falschen Zielen. Wenn das Ziel einer Maschine mit künstlicher Intelligenz zum Beispiel ist, immer nur Früchte mit einem Stift auf Papier zu zeichnen, und wir der Maschine beibringen, super-intelligent zu sein, also weitaus intelligenter als Menschen, dann wird sich diese Maschine vielleicht selbst duplizieren und alle Menschen umbringen, damit sie hunderte von Fabriken bauen kann, die Billionen von Papierblättern produzieren. All das nur, damit sie noch mehr Skizzen von Früchten anfertigen kann. Die Künstliche Intelligenz in diesem Fall ist nicht bösartig, sie erfüllt nur ihre Aufgabe auf eine super-intelligente Art und Weise.

Ich denke, es ist extrem wichtig, dass wir sehr bedacht damit umgehen, welche Ziele wir Künstlicher Intelligenz einprogrammieren. Die „Unintelligent Machine“ wird eine große, komplexe, wunderbare Maschine, voller kinetischer Bewegungen. All das ist jedoch irrelevant für das Ergebnis der Maschine – sie wird entweder etwas Gutes tun, also die Pflanze wässern, oder etwas Böses, die Pflanze umstoßen. Als Menschen ist es unsere Aufgabe, gut darüber nachzudenken, wie wir Künstliche Intelligenz programmieren und welche Ziele wir ihr geben, anstatt uns nur darauf zu konzentrieren, wie wir etwas so schlau oder intelligent wie möglich machen.

Am Festival präsentierst du auch eine Installation, „Machine Dream“, mitten unter den riesigen Paketrutschen in der POSTCITY. Was erwartet die BesucherInnen hier?

Joseph Herscher: Ich erschaffe eine spielerische Maschine, die den Workshop-Teilnehmern und Teilnehmerinnen ihr Mittagessen servieren wird. Die Maschine benützt die spiralförmigen Rutschen, um Essenspakete auszuliefern. Außerdem verwendet die Maschine zwei große Schaukeln, einen einstürzenden Turm aus Boxen und einen riesigen Plüschpanda. Wir werden mit der Maschine mehrere Performances an einem Tag zeigen. Am Abend gibt es dann eine Variation: Die Maschine wird mich zu Bett bringen.

Schließlich hältst du auch noch einen Vortrag am Symposium der Pädagogischen Hochschule OÖ über Politische Bildung. Der Fokus hier liegt auf „Play“, also dem Spielen. Was bedeutet es für dich im Kontext von Bildung, zu spielen?

Joseph Herscher: Maschinen werden wie gesagt üblicherweise dazu gebaut, um eine Aufgabe möglichst effizient zu erledigen. Wir leben in einer Kultur, die besessen davon ist, Resultate aus allem zu pressen, was wir machen. In der Schule wird uns schon in jungen Jahren ein Fokus auf Prüfungen und Resultate eingetrichtert.

„Play“, das Spielen, ist genau das Gegenteil einer resultat-orientierten Aktivität. Das ist in Wirklichkeit sehr wichtig in der Bildung. Es bereichert unsere Weltanschauung und unser Verständnis der Welt durch die Interaktion mit anderen und führt dazu, dass wir uns durch kreativen Selbstausdruck und das Beherrschen von verschiedenen Fähigkeiten gut fühlen.

Joseph Herscher

Joseph Herscher macht komische Kettenreaktionsmaschinen. Seine Videos wurden von mehr als 30 Millionen Menschen gesehen. Sein Video von der Maschine „Creme that Egg“ brachte es auf drei Millionen Views online, was ihn dazu führte, immer aufwändigere Maschinen zu bauen. Schon bald folgten Workshops für Kinder, die Teilnahme an der Biennale in Venedig und ein Artikel in der New York Times. Er trat in mehreren Fernsehsendungen wie der Sesamstraße auf und unterrichtete an der Parsonsn new School For Design. Joseph wuchs in Neuseeland auf und lebt nun in New York, wo er sein exzentrischen Maschinen für Film, Fernsehen und internationale Festivals baut. Er hält regelmäßig Reden über seine inspirierende Geschichte bei internationalen Design- oder Wirtschaftskonferenzen.

Joseph Herscher ist mit drei Projekten am Ars Electronica Festival 2017 vertreten. Das Jugendbegegnungsprojekt „The Unintelligent Machine“ findet an den Festival-Tagen, von 7. Bis 11. September 2017, im CREATE YOUR WORLD Bereich der POSTCITY Linz statt. Zu den Öffnungszeiten der POSTCITY Linz kann man jederzeit vorbeikommen und den Fortschritt der „Unintelligent Machine“ beobachten. Die große Maschine in der Rutschenhalle der POSTCITY Linz, „Machine Dream“, wird mehrmals am Tag eine Vorstellung geben. Details zu den genauen Zeiten finden Sie in Kürze auf unserer Webseite. Joseph Herscher hält außerdem einen Vortrag zum Thema „Comedy, Science, and Playful Machines“ bei der Symposiumsreihe „Perspektiven Politischer Bildung“ am Freitag, 8. September 2017, um 13:00 Uhr in der POSTCITY Linz. Für die Symposiumsreihe kann man sich hier anmelden.

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