Faszinierende Aufnahmen der Erde: Eye in the Sky

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Ganz genau könne man nicht sagen, wie viele Satelliten um die Erde kreisen, meint Othmar Coser vom Österreichischen Weltraumforum (ÖWF). Dass viele davon wichtige Daten für das Leben auf unserem Planeten und die Umweltauswirkungen des menschlichen Handelns liefern, dass sei dafür sicher.

Welche das genau sind erklärt der Experte für Erdbeobachtung 14.12.2017 um 19:00 Uhr im Ars Electronica Center. Beim Deep Space LIVE  „Eye in the Sky“ zeigt Othmar Coser beeindruckende Aufnahmen der Erde aus der Vogelperspektive, erklärt, wie wir Satellitendaten verwenden können und verrät, was eigentlich mit Satelliten passiert, die nicht mehr senden. Wir haben uns vorab mit ihm zum Interview getroffen und mehr erfahren.

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Credit: Namib / Satellite: Kompsat-2, KARI/ESA

Was macht das Österreichische Weltraumforum?

Othmar Coser: Der Verein ÖWF forscht im Bereich der Raumfahrt, besonders auch der Marsraumfahrt. Dafür entwickelten wir unseren Raumanzug-Simulator Aouda.X, mit dem wir analog Mars-Simulationen durchführen. Die nächste ist im Februar 2018 im Oman, in der Wüste. Wir binden in diese Simulationen immer verschiedenste Forschungseinrichtungen ein und inszenieren, so authentisch wie es bei uns auf der Erde möglich ist, eine bemannte Marsreise und auch den Aufenthalt im Weltraum.

Warum gibt es ausgerechnet in Österreich einen Verein für Weltraumforschung?

Othmar Coser: Das ist Enthusiasmus. Unser Obmann Dr Gernot Grömer, ein studierter Astrophysiker, gründete den Verein vor bald 20 Jahren mit ein paar anderen Enthusiasten und Enthusiastinnen aus der Technik, den Rechtswissenschaften, oder von der ESA (European Space Agency) oder der DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt). Der Verein gründet wirklich auf einem Interesse zum Thema Raumfahrt.

Ich bin stellvertretender Finanzvorstand und beschäftige mich viel mit dem Thema Erdbeobachtung. Das hat einerseits mit Raumfahrt zu tun, diese Satellitentechnik, andererseits ist es aber auch ein Umweltthema. Mit der Raumfahrttechnik versucht man, die Geschehnisse auf der Erde zu ergründen, oder zumindest ihre Auswirkungen. Wie lange können wir den Planeten noch so auf diesem Level halten? Wann fängt es an zu kippen?

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Credit: Christopher Sonnleitner

Bei Ihrem Vortrag im Deep Space geht es genau um dieses Thema: Erdbeobachtung. Wie viele Satelliten schwirren eigentlich um uns herum?

Othmar Coser: An und für sich kann man das nicht sagen, weil zum Beispiel die Anzahl der militärischen Satelliten grundsätzlich geheim ist. Von denen weiß maximal ein Geheimdienst etwas. Bei den Erdbeobachtungssatelliten hängt es davon ab – es gibt 15 Satellitenfirmen, die weltweit starten. Von der ESA fliegen momentan ungefähr 15 Satelliten um die Erde.

Was messen diese Satelliten?

Othmar Coser: Sie messen verschiedenste Umweltparameter. Die ersten Satelliten, die ins All geschossen wurden, waren geostationäre Wettersatelliten – wie der erste Meteosat in den 70er Jahren. Ihn gibt es inzwischen schon in der fünften Generation. Außerdem gibt es noch polarumkreisende Satelliten, die zum Beispiel Luftverunreinigungen, speziell atmosphärische Verunreinigungen, messen. Stickoxide, die UV-Belastung, CO2, Temperaturmessungen, Windströme und dergleichen. Alles, was man braucht, um ein globales Klimamodell herzustellen. Einerseits benötigt man das für die Wetterprognose, die natürlich punktgenaue sein soll, andererseits möchte man natürlich auch mit diesen Daten arbeiten, um sozusagen die Zukunft vorauszusehen und ein bisschen in die Glaskugel zu schauen. Wie kann das weitergehen? Wie entwickelt sich das Klima für die nächsten Generationen?

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Credit: Craig Mayhew and Robert Simmon, NASA GSFC

Von welchem Zeitraum sprechen wir hier?

Othmar Coser: Messungen laufen eigentlich seit den 70er-Jahren. Die Apollo-Missionen waren der Startschuss. Die ersten Personen, die zum Mond geflogen sind, merkten auf einmal, auf welchem Juwel wir leben. Durch die vielen Fotos, die damals von unserem Planeten geschossen wurden, kommt das so richtig zum Ausdruck. Der Astronaut Eugene Cernan meinte zum Beispiel: „Wir sind zum Mond aufgebrochen, um ihn zu erobern, und entdeckten dabei die Erde“. Man beobachtete den eigenen Lebensraum. Bis zum heutigen Stand ist die Erde so ziemlich die einzige Kugel, wo wir leben können. Es gibt momentan nichts Anderes. Auch, wenn jährlich zuhauf exterrestrische Planeten entdeckt werden, muss man doch einmal am Boden der Realität bleiben. Wir können diese Planeten zwar mit unseren Sendesignalen und fotografisch ausmachen, aber der größte Faktor, der sie nie erreichbar machen wird, ist die Entfernung. Das muss man klar sagen.

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Credit: fields in desert, Tubarjal / Satellite: Sentinel-2, Copernicus Sentinel data (2015)

Das heißt man hat heute die Daten der letzten 50 Jahre…

Othmar Coser: …und auf diesen baut man immer auf. Die Messgeräte werden mit dem Fortschritt der Technik immer genauer, es werden auch immer neue Satelliten für weitere Daten entwickelt. Diese Projekte dauern bis zu zehn Jahre: Entwicklung und Bau sind die erste Hälfte, geplant ist üblicherweise ein fünfjähriger Einsatz im Orbit. Envisat, der größte Umweltsatellit seiner Zeit, wurde von der ESA im Jahr 2002 nach oben geschossen. Seine Laufzeit war auf fünf Jahre geplant, also bis 2007. Er funktionierte aber weit darüber hinaus bis 2012. Seit Ostern 2012 gibt es keine Funkverbindung mehr.

Was passiert mit Satelliten, die nicht mehr senden?

Othmar Coser: Sie bleiben im Orbit. Sie befinden sich auf einer Höhe, wo die Gravitation nur sehr schwach oder gar nicht mehr wirkt. Das heißt, sie werden nicht angezogen wie zum Beispiel die ISS (International Space Station), die ja doch 400 km tiefer liegt, wo die Erdanziehung stärker wirkt. Deshalb muss man die ISS auch immer wieder auf eine höhere Bahn zurücksetzen. Satelliten hingegen bleiben oben, auch wenn sie nicht mehr funktionieren. So entsteht der klassische Weltraum-Müll.

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GOCE. Credit: ESA–AOES-Medialab

Wie ist es mit denen, die zurückgeholt werden?

Othmar Coser: Diese Satelliten verglühen zum Großteil in der Erdatmosphäre. Einer der letzten der ESA war GOCE, ein Satellit, der die Gravitation maß. Er hatte ausschließlich die Aufgabe, die Gravitation der Erde global zu messen. Aus diesem Grund flog er sehr tief, in einer Höhe von 240 Kilometern. GOCE war der Ferrari unter den Satelliten, weil er sehr schnell flog – er brauchte einen eigenen Antrieb, weil ihn auf dieser Höhe die Reibungs- und Anziehungskräfte abgebremst hätten. Er war drei Jahre lang im Orbit, bis der Sprit verbraucht war. Also wurde er zurückgeholt, obwohl man sich das nicht so einfach vorstellen darf. Vielmehr wird geplant: Aufgrund dieses Umfeldes, in dem er sich bewegt, tritt nach einer gewissen Zeit, wenn der Treibstoff leer ist, der Fall ein, dass ihn die Erdanziehung langsam wieder nach unten holt. Man verfolgt dann die Bahn. Der Satellit zerbricht durch die Kräfte, die beim Wiedereintritt herrschen. Viele seiner Teile verbrennen, der Rest wird meistens in irgendeinem Ozean entsorgt, weitab vom Festland. Bis jetzt ist noch nie jemandem irgendein Satellit auf den Kopf gefallen.

Kann man durch diese Beobachtung Trends beobachten, wie wir die Umwelt verändern?

Othmar Coser: Ja. Man sieht, speziell bei mehrjährigen oder über mehrere Monate hinweggehenden Aufnahmen desselben lokalen Gebiets, sehr schön, wie sich Städte oder Landschaften durch den Eingriff des Menschen verändern. Der „Klassiker“ ist die größte von Menschenhand erzeugte Umweltkatastrophe im nunmehrigen Grenzgebiet von Kasachstan und Usbekistan, der Aralsee. Als ich in die Schule ging, war der Aralsee der viertgrößte Binnensee der Erde. Jetzt ist fast nichts mehr von ihm übrig.

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Credit: ESA/AOES Medialab

Gibt es umgekehrt auch positive Veränderungen, die man erkennen kann?

Othmar Coser: Eher weniger. Obwohl, das ist glaube ich auch Ansichtssache – was versteht man unter positiver Veränderung? Tatsache ist, dass man sieht, wie sich die Landschaft zum Nachteil für den Menschen verändert. Gerade dieses Beispiel um den Aralsee – das war früher, in den 50er- und 60er-Jahren, ein fruchtbares Gebiet. Jetzt ist dort Wüste. Das Klima hat sich verändert. Die Lebenserwartungen der Menschen sind rapide gesunken. Man kann eigentlich nicht von Vorteilen sprechen.

Man beobachtet also massive Umweltbelastungen. Sind diese Satelliten nicht selbst auch eine Umweltbelastung?

Othmar Coser: Das ist ein philosophischer Ansatz. Man muss bedenken, Umweltschutz geht nicht um ihrer selbst willen. Zumindest nicht in Österreich. Umweltschutz ist darauf ausgelegt, das Leben des Menschen oder der Tierwelt zu erhalten. Nur, damit wir eine schöne grüne Fläche haben, gibt es keinen Umweltschutz, auf keinem Land dieser Erde. Warum sollte ein Satellit also nicht im Orbit bleiben? Das ist eine philosophische Frage, da hat jeder und jede einen anderen Zugang dazu. Man kann durchwegs sagen, es sieht komisch aus, wenn da oben so viel Müll herumfliegt. Auf der anderen Seite – was tut es uns?

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Credit: ESA

Aber was tut es dem gesamten System?

Othmar Coser: Das werden wir nie wissen. Tatsache ist, dass dort oben ein Bereich ist, der im herkömmlichen Sinne, wie wir das Leben verstehen und kennen, nicht belebbar ist. Dort ist alles tot, nach unserem Verständnis.

Wie wichtig sind diese Satelliten für unser Leben auf der Erde?

Othmar Coser: Sie sind in zweierlei Hinsicht wichtig. Wenn man die Frage vom raumfahrttechnischen Aspekt aus betrachtet, sind Satelliten insofern wichtig, weil sehr viel Raumfahrttechnologie in unser tägliches Leben einfließt. Ich brauche mir nur Ihr Handy anzusehen: Ich weiß nicht, ob wir mit dieser Technik schon so weit wären, wen es Raumfahrt nicht gegeben hätte. Oder auch Weiterentwicklungen und Sicherheitssysteme in Fahrzeugen, genauso wie Technik im Haushalt, wie die Mikrowelle. Satellitentechnik bringt einen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt, Wissensvermittlung, Erweiterung des Gesichtsfeldes, Wirtschaftsfortschritt, auch die Förderung der Bequemlichkeit unseres Daseins.

Wenn man die Frage vom umweltrelevanten Bereich untersucht, hofft man, dass man mit Satelliten die Daten nicht nur verwalten, sondern interpretieren kann. Das Ziel ist, dass man Menschen zum Beispiel vor Naturkatastrophen noch schneller warnen kann, damit es noch weniger Todesopfer gibt. Verhindern lassen sie sich nicht, aber man kann sie erkennen, hoffentlich frühzeitig. Es geht auch darum, doch einmal zu erkennen, dass das, was wir an Schadstoffen in die Atmosphäre blasen, uns persönlich schadet. Es ist Irrglaube, zu meinen, dass das, was in die Luft geblasen wird, nicht irgendwo wieder zurückkommt.

Othmar Coser

Othmar Coser, geboren 1958 in Innsbruck, ist Finanzvorstand beim Österreichischen Weltraumforum und leitet die Erdbeobachtungsvorträge des Vereins. Bis 1978 war er als Reproduktionsphotograph tätig. Seit 1978 ist er bei der österreichischen Exekutive in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt seit 1994 als Bereichsleiter für Umweltkriminalität beim Landeskriminalamt für Oberösterreich. Er ist Kenner des österr. Umweltstrafrechtes und Umweltverwaltungsrecht. Seit März 2010 leitet er im Rahmen der Eye in the Sky Initiative des Österreichischen Weltraum Forums und des Landes Oberösterreichs die Koordination von Erdbeobachtungsvorträgen.

Am 14.12.2017 um 19:00 Uhr erzählt Othmar Coser im Deep Space LIVE „Eye in the Sky“ von Satelliten und Erdbeobachtung und zeigt beeindruckende Satellitenaufnahmen. Mehr über die Veranstaltung finden Sie hier.

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