Future Innovators Summit Tokyo: Ein interdisziplinärer Thinktank in der Großstadt

FIS,

BesucherInnen der vergangenen Ars Electronica Festivals sind wahrscheinlich schon auf den „Future Innovators Summit“ der japanischen Werbeagentur Hakuhodo und Ars Electronica aufmerksam geworden. Über ein Dutzend VordenkerInnen aus den verschiedensten Disziplinen und Ländern kommen seit 2014 jedes Jahr zusammen, um gemeinsam über die Entwicklung unserer Zukunft nachzudenken und zentrale Zukunftsfragen zu finden und zu formulieren. Kreative Fragen, an die wir in weiterer Folge mit tiefergehenden Fragen oder ersten Antworten anknüpfen können.

Im Mai 2018 macht der Future Innovators Summit zum ersten Mal außerhalb Österreichs Station – inmitten in einer Megacity, die zwar mehr EinwohnerInnen als Österreich hat, aber weit weniger als ein Hundertstel seiner Fläche belegen würde. An drei Tagen – von 25. bis 27. Mai 2018 – werden sich im Tokyo Midtown Atrium ausgewählte Personen mit Tokio als Labor der Zukunft beschäftigen: Wie sieht Tod und Leben in einer Stadt mit der am schnellsten alternden Gesellschaft aus? Wie entwickelt sich Mode in einer Stadt mit einer der fortschrittlichsten Technologien der Welt? Und wie steht es mit der Beziehung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit in einer Großstadt, in der kaum ein öffentlicher Raum zur Verfügung steht? Kazuko Tanaka von Hakuhodo und Gerfried Stocker von Ars Electronica stellen den Future Innovators Summit Tokyo in diesem Interview genauer vor.

Bewerben Sie sich jetzt und nehmen Sie beim Future Innovators Summit Tokyo teil! Einreichschluss ist der 28. Februar 2018. Anmeldung und weitere Informationen finden Sie auf www.aeti.jp!

Was genau ist der Future Innovators Summit?

Kazuko Tanaka: Seit Beginn des Future Innovators Summit im Jahr 2014 arbeiten wir mit jungen „Innovators“ zusammen – das sind KünstlerInnen, ForscherInnen und PhilosophInnen aus aller Welt, die während des Ars Electronica Festivals zusammenkommen und gemeinsam kreative Fragen formulieren. Es sind also Fragen, die sich an die Zukunft richten und aus intensiven Diskussionen dieser „Innovators“ hervorgehen. Für uns ist es dabei vor allem wichtig, eine große Vielfalt an TeilnehmerInnen zusammenzubringen und die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die uns von konventionellen Ansichten befreien und neue Ideen hervorbringen können.

Gerfried Stocker: Der Future Innovators Summit ist ein Thinkthank, ein Projekt, bei dem es darum geht, die Aufmerksamkeit nicht gleich auf die Probleme von morgen zu lenken, die wir lösen müssen, sondern auf die Visionen, Fragestellungen und Ideen. Das ganz Besondere an diesem Future Innovators Summit ist die Zusammensetzung der Gruppen, die hier für mehrere Tage zusammenkommen und aus unterschiedlichen Disziplinen zusammengesetzt sind: KünstlerInnen, IngenieurInnen, WissenschaftlerInnen, aber auch Social Activists und Entrepreneurs – vier sehr unterschiedliche Bereiche, in denen gesellschaftliche Innovation vorangetrieben wird – und diese Bereiche wollen wir hier auch zusammenbringen.

Warum hat Hakuhodo begonnen mit Ars Electronica zusammenzuarbeiten?

Kazuko Tanaka: Für mich ist Ars Electronica ein Ort, an dem die Menschen aufgefordert werden, weiter über Kunst nachzudenken und sich über Kunst auszudrücken. Unter „Kunst“ verstehe ich aber mehr als den herkömmlichen Begriff, unter dem sich die Meisterwerke der Kunst einreihen. „Kunst“ ist auch etwas, das Menschen auszudrücken und zu formen versuchen – mit einem starken Gefühl der Herausforderung. Und wenn man diese künstlerischen Denkweisen, das „Art Thinking“, aufgreift, öffnen sich neue Sichtweisen auf die Zukunft. Das ist der Grund, warum wir mit Ars Electronica zusammenarbeiten. Ihre Philosophie in Kunst, Technologie und Gesellschaft ist auch für uns ein besonders wichtiger Weg, wenn wir die Zukunft der Industrie betrachten.

Und nun die Gegenfrage: Warum hat Ars Electronica begonnen mit Hakuhodo zusammenzuarbeiten?

Gerfried Stocker: Worum es beim Future Innovators Summit geht ist vor allem dieser gemeinsame Blick auf unsere Zukunft. Wie können wir hier auch gemeinsam gestaltend eingreifen? Deswegen ist die Zusammenarbeit mit einem großen professionellen Unternehmen wie Hakuhodo für den Future Innovators Summit besonders fruchtbar. Es ist nicht nur die fachliche Expertise, die Hakuhodo hier einbringt. Da Hakuhodo aus Tokio agiert – aus diesem Epizentrum unserer modernen Innovationsgesellschaft – sind dadurch besonders spannende Vernetzungen in die Wirtschaft, in die Technologie und in die Forschung möglich, von denen der Future Innovators Summit enorm profitiert.

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Credit: Martin Hieslmair

Was erwarten Sie vom Future Innovators Summit Tokyo und wen würden Sie am liebsten dazu einladen?

Kazuko Tanaka: Wir veranstalten den Future Innovators Summit diesmal in Tokio. Bislang haben wir uns in einem relativ sicheren Rahmen des Ars Electronica Festivals bewegt. Jetzt fordern wir uns selbst heraus und gehen mit den Menschen in die wirkliche Welt hinaus, mit unseren alltäglichen Sorgen. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung Zukunft. Und wir suchen nach „Innovators“, die bereit sind, sich der Herausforderung zu stellen, ihren Ideen Gestalt zu verleihen, und nach „Innovators“, die voller Vorstellungskraft für die Zukunft sind. Technologie ist faszinierend; sie kann das Leben sehr bequem machen. Gleichzeitig müssen wir aber auch dafür sorgen, dass uns diese oberflächliche Attraktivität nicht übermäßig fasziniert und dass die Technologie unser Leben auch besser macht. Und wir müssen darüber nachdenken, wie wir Technologie als Nebenprodukt all unserer Lebensräume nutzen können. Dabei möchten wir intensiv mit den „Innovators“ ins Gespräch kommen, die eine große Menge an Fantasie und Zukunftsoptimismus mitbringen. Wir glauben, dass vor allem die Vielfalt notwendig ist, damit sich unsere Vorstellungskraft erweitern kann, und hoffen, uns mit den „Innovators“ so zu verbinden zu können, damit wir die Ideen aufnehmen und Gedanken für die Zukunft der Gesellschaft verbreiten können, zu der sie auch selbst gehören.

Gerfried Stocker: Die ganz besondere Qualität des Future Innovators Summit ist seine Grenzüberschreitung, die Interdisziplinarität, die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten – denn jedes Team muss aus KünstlerInnen, IngenieurInnen, WissenschaftlerInnen, Social Activists und Entrepreneurs bestehen. Diese vier Gruppen zusammenzubringen und gemeinsam über die Zukunft nachzudenken, das ist das enorme Potential und gleichzeitig auch die Zielgruppe, an die sich der Future Innovators Summit richtet.

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Credit: Tom Mesic

Das aktuelle Thema lautet „Tokio als Labor der Zukunft“ – warum?

Kazuko Tanaka: Tokio ist eine Stadt mit einem großen geschichtlichen Vermächtnis und gleichzeitig ein Symbol für modernste Technologie und Fortschritt. Es ist voll von menschengeschaffenen Gebäuden, aber es gibt hier auch noch natürliche Flecken. Tokio hat auch eine der am schnellsten alternden Gesellschaften mit vielen älteren Menschen, die Seite an Seite mit den Jugendlichen leben. Die Stadt ist eine Mischung aus vielen Dingen. Wenn wir die Stadt mit ihren Herausforderungen und Hoffnungen betrachten, als eine Stadt, in der die Zukunft nur einen Schritt näher ist: Was würden Sie in diesem größten kollektiven Labor, das die Menschheit jemals hervorgebracht hat, erschaffen und ausprobieren? Wir wollen, dass diese Frage über die Grenzen einzelner Bereiche hinweg betrachtet wird. Deshalb ist Tokio ein Labor für alle.

Gerfried Stocker: Das Interessante am Future Innovators Summit Tokyo ist die Location und die damit gesetzte Thematik. Tokio ist das „Paradezukunftslabor“ für Stadträume und unsere Gesellschaft. Tokio bietet eine enorm hohe Dichte an exzellenter Forschung, Kreativität, KünstlerInnen und natürlich ganz viele Unternehmen, die mit ihrer Arbeit und ihren Produkten entscheidend unsere Zukunft mitgestalten. Das ist eigentlich der beste Ort, wo ein Future Innovators Summit stattfinden kann.

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Credit: Martin Hieslmair

Was ist das Ziel der Ars Electronica Tokyo Initiative beim Future Innovators Summit, die gemeinsam mit Hakuhodo veranstaltet wird?

Gerfried Stocker: Die Ars Electronica Tokyo Initiative ist ein Projekt, das wir mit vielen KünstlerInnen, Leuten aus den Universitäten und vor allem mit unserem Partner Hakuhodo ins Leben gerufen haben. Da geht es schlichtweg darum: Wie können wir diese spannende Energie des kreativen künstlerischen Denkens auch in die gesellschaftliche aber auch in die wirtschaftliche Innovation übertragen.

Kazuko Tanaka:  „Initiative“ bedeutet, einen Schritt voraus zu gehen, einen neuen Versuch zu machen. Ars Electronica selbst ist ein großartiges Zusammenkommen von KünstlerInnen und Menschen, die dazu angespornt werden, über die Zukunft nachzudenken, und die neue Technologien gestalten und greifbare Objekte schaffen wollen. Mit diesem sehr wichtigen Partner, der die Zukunft, die Unternehmen und die Industrie mitgestaltet, hoffe ich, dass auch die Industrie das künstlerische Denken versteht, das für KünstlerInnen selbstverständlich ist, und dass Kunst und Industrie zusammenarbeiten. Durch diese Zusammenarbeit wird jeder Sektorengrenzen überwinden, um die Zukunft zu gestalten. Die heutigen Sektoren wurden für die heutige wirtschaftliche Zweckmäßigkeit geschaffen. Wahrscheinlich werden sich die Hürden von heute bald ändern. Um welche Herausforderungen, Fragen und Aufgaben sollten wir uns dann annehmen? Als ersten Schritt laden wir Menschen ein, die dieselben Ziele für dessen Gestaltung haben. Zuerst bauen wir eine Gemeinschaft solcher Menschen auf und dann ergreifen wir Maßnahmen für die Gemeinschaft.

Kazuko Tanaka

Kazuko Tanaka (JP) ist seit 1998 Mitglied von Hakuhodo. Sie begann ihre Karriere im Rechnungswesen, wobei sie sich rasch im Bereich Geschäftsentwicklung mit führenden ausländischen Marketingagenturen etablierte. Nebenbei ist sie Mutter von drei Kindern. Im Glauben dass arbeitende Mütter, welche in Japan noch immer eine Minderheit darstellen, einen Platz zum Austausch von Informationen und Ideen brauchen, gründete sie 2012 das so genannte „Hakuhodo Working Moms‘ Link“, ein Netzwerk das sich über 50 Firmen und mehr als 500 arbeitenden Müttern erstreckt. Im Juli 2013 kam sie als eines der Gründungsmitglieder zur VoiceVisionInc., im Rahmen welcher sie als Produzentin für Community-Projekte im Bereich Unternehmen und Kommunen auftrat. Kazuko Tanaka ist zudem Mitglied der „Ars Electronica Tokyo Initiative“, einem gemeinsamen Projekt von Hakuhodo und Ars Electronica. In den vergangenen Jahren war sie Teilnehmerin beim Future Innovators Summit am Ars Electronica Festival. Kazuko Tanaka war und ist darüber hinaus auch Jurorin in der Kategorie „Digital Communities“ beim Prix Ars Electronica 2016 und 2018.

Gerfried Stocker

Gerfried Stocker (AT) ist Medienkünstler und Ingenieur der Nachrichtentechnik. Seit 1995 ist Gerfried Stocker künstlerischer Geschäftsführer von Ars Electronica. 1995/96 entwickelte er mit einem kleinen Team von KünstlerInnen und TechnikerInnen die richtungsweisenden neuen Ausstellungsstrategien des Ars Electronica Center und betrieb den Aufbau einer eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung, des Ars Electronica Futurelab. Unter seiner Führung wurden ab 2004 das Programm für internationale Ars Electronica Ausstellungen aufgebaut und ab 2005 die Planung und inhaltliche Neupositionierung für das neue und erweiterte Ars Electronica Center aufgenommen und umgesetzt. Stocker ist Gastredner auf zahlreichen internationalen Konferenzen und Gastprofessor der Deusto University Bilbao und berät zahlreiche Unternehmen in den Bereichen Kreativität und Innovationsmanagement.

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