Just for Fun? Spielend lernen!

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Seit 27. Mai ist alles neu im Ars Electronica Center. Ein Thema, das sich überall wiederfindet, ist Künstliche Intelligenz – ein nicht immer ganz einfach zu vermittelnder Inhalt, egal ob Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen. Gut also, dass es dafür Profis gibt, mit fachlicher, menschlicher und humoristischer Expertise. Wir haben mit Nicole Grüneis, Leiterin Bildung und Kulturvermittlung, und Katharina Hof, ihre Mitarbeiterin, gesprochen.

Wie legt ihr die Vermittlung für Kinder und Jugendliche an? Wie leitet ihr in die Thematik – etwa Künstliche Intelligenz – ein? Und inwieweit unterscheidet sich diese Herangehensweise in der zu Erwachsenen?

Nicole Grüneis: Die Mensch-Maschine-Analogie ist eine sehr hilfreiche, auch was das Verständnis für Programmierung und Computersysteme im Generellen angeht. Wir neigen ja ohnehin dazu, von unseren eigenen Erfahrungen auszugehen und das greifen wir auf und vergleichen das Lebewesen Mensch mit dem Wesen der Maschine ganz allgemein, indem wir z.B. fragen, was für Sinne Maschinen haben können. Während also maschinoide Systeme mit dem System des Lebendigen gleichgesetzt werden, kommt bei Kindern ein gutes Verständnis zustande. Natürlich klappt das auch bei Erwachsenen, aber bei Kindern wirkt es viel mitreißender, weil Animismus noch Teil des kindlichen Weltbildes ist. Ein Kind kann sich etwas mit Charakter und Lebenszügen rasch und lebhaft vorstellen. Das hat für uns in der Technologie-Vermittlung schon immer recht gut funktioniert, aber nun wird diese Analogie auch innerhalb der Ausstellung durchgespielt, was Vermittlungskonzepte und Ausstellungsstrategien noch stärker zusammenwachsen lässt.

Der Workshop zu Künstlicher Intelligenz für Volkschulkinder startet mit der Frage, wie man Maschinen steuern kann. Da landet man schnell bei Programmierung. Und dann fragen wir, ob sie denken, selbst programmiert zu sein. Sie antworten höchstwahrscheinlich mit nein. Ruft man dann aber ihren Namen, reagieren sie instinktiv. Das heißt, ganz kleine und subtile Interventionen für den Einstieg wecken das Interesse von Kindern sehr schnell. Erklären wir die Funktionsweise einer KI, arbeiten wir das selbstständige Lernen im Unterschied zur Programmierung heraus. Wieder verbinden wir dies mit ihren eigenen Lernprozessen: was sie zuletzt gelernt haben, wie oft sie es wiederholen mussten, ob sie jemand anderem schon mal was beigebacht oder ihr Haustier dressiert haben. Es geht immer um die sofortige Rückbezüglichkeit auf sich selbst oder ihnen bekannte Wesen.

Bei Erwachsenen funktioniert dies auch, aber das Interesse kommt eher, wenn man schnell in Anwendungen einsteigt. Vom theoretischen Ansatz ist es Bottom Up versus Top Down. Bei Kindern wird mit ganz einfachen Erklärungen gestartet und dann die Komplexität erhöht. Bei den Erwachsenen gibt es einen komplexen Ausgangsbegriff, von dem aus „runtergebrochen“ wird auf einfache Anwendungen. Das erklärt sich damit, dass Erwachsene bereits ein Bild zu dem Thema haben – das muss kein elaboriertes Wissen oder eine durchdachte Meinung sein, aber ein Bild ist bereits da. Bei Kindern hingegen sind Welt- und Wertvorstellungen viel skizzenhafter und somit dynamischer in ihrer Erweiterung und Adaptierung.


Credit: vog.photo

Gibt es etwas, womit sich Kinder leichter tun als Erwachsene?

Nicole Grüneis: Ausprobieren. Ihnen fehlt dieser falsche, anerzogene Respekt und deshalb trauen sie sich einfach, Hand anzulegen. Sie haben auch keine Angst zu versagen oder etwas falsch zu machen. Kindern ist das egal.

Welche neuen Installationen funktionieren für Kinder am besten? Und warum?

Nicole Grüneis: Der Marionetten-Roboter „pinocchio“ ist sehr beliebt – das Puppentheater-Setting, die Geschichte dazu. In dieser Installation kommen so viele Faktoren zusammen, die Faszination auslösen: Der Roboter, der die Puppen bewegt, also die Fäden in der Hand hält und der Mensch, der durch eine geschnitzte Puppe ersetzt wird. Die Angst des Menschen, durch Roboter ersetzt oder zu einem Spielball unkontrollierbarer Mächte zu werden, das ist in dieser Verpackung für Kinder, aber auch Erwachsene sehr gut fassbar und sie lassen sich auf eine abstrakte Gedankenebene ein. Wir beobachten ihre Reaktionen, sie sind gefesselt, fasziniert, die Aufmerksamkeit ist total da. Und ein Momentum an Reflexion. Zumindest für einen kurzen Moment…


Credit: Ars Electronica / Martin Hieslmair

Ihr habt ein Kinderbuch entwickelt. Wie kam es zu diesem Buch?

Katharina Hof: Die Initialidee kam von Ulrike Mair, einer Infotrainerin und sodann wurde es zu einem Projekt der Infotrainerinnen und Infotrainer des Ars Electronica Center, bei dem viele ihre Expertise eingebracht haben. Alle, die Lust hatten, haben gemeinsam das wunderbare Vorsatzpapier erarbeitet – es sieht aus wie eine Tapete oder ein Briefpapier, zusammengestellt aus einzelnen, individuell entworfenen Wassertropfen. Der Wassertropfen symbolisiert ja die Initialzündung für das „Wiedererwachen“ des Protagonisten. (Dazu später mehr.)

Der Aufbau des Buches ist zweigeteilt – einerseits gibt es die fortlaufende Geschichte, andererseits den Exkurs. Der Exkurs ist jeweils rechts neben der Geschichte und erklärt die teilweise recht komplexen Themen und Begriffe immer genau da, wo sie vorkommen.
Zielgruppe sind Kinder ab etwa vier Jahren für die Abenteuergeschichte, ab ca. sieben Jahren für die erklärenden Exkurse. Aber das Buch ist sicherlich auch für Erwachsene interessant.

Nicole Grüneis: Es ist aber nicht „nur“ ein Kinderbuch, in dem der Protagonist die unterschiedlichsten und ungewöhnlichsten Abenteuer erlebt, darüber steht auch eine bestimmte Wertehaltung, die wir mit der Geschichte mittransportieren möchten. Und die lautet: Bleib offen für ungewöhnlicheBegegnungen und unterschiedliche Figuren, die dir gegenübertreten. Staune und sei fasziniert!


Tardi, das Bärtierchen Credit: Nini Spagl

Erzählt ein bisschen über die Geschichte. Und natürlich über den Protagonisten!

Katharina Hof: Der Protagonist des Kinderbuchs heißt Tardi und Tardi ist ein Bärtierchen.
Bärtierchen sind ganz kleine Lebewesen, maximal 1mm groß und mit freiem Auge nicht sichtbar, dabei kann man sie fast überall draußen finden. Am liebsten leben sie in feuchten Gebieten wie Wasser oder Moos. Sie sind Kosmopoliten und auf der ganzen Welt zu Hause, auch an den unmöglichsten Orten. Man könnte sie sogar ein paar Minuten im Kochtopf kochen und sie würden überleben. Sie waren auch schon im Weltraum und wurden dem Vakuum ausgesetzt und haben auch das überlebt. Und zwar, weil die Bärtierchen eine ganz besondere Fähigkeit haben: nämlich die Kryptobiose.
Bei der Kryptobiose zieht das Bärtierchen Arme und Beine ein und wird zu einer Art Kugel oder Tönnchen. Im Tönnchen-Stadium fährt der gesamte Stoffwechsel des Tieres komplett runter und versetzt es in eine Art Scheintod. Allerdings kann es auch ganz leicht wieder zum Leben erweckt werden – trocknet es z.B. aus, reicht ein Tropfen Wasser zur Wiederbelebung. Der totale Überlebenskünstler also.

Im neuen Biolabor gibt es Mikroskopie-Workshops, wo ins Freie gegangen und gesammelt wird, um dies anschließend im Labor zu betrachten und analysieren. Tardi wird bei so einem Workshop mit Kindern draußen an der Donau gefunden und im Mikroskop entdeckt. Und er entwischt.
Während er dann von einem Ort zum anderen im Ars Electronica Center tappt, trifft er auf die Themen der neuen Ausstellung.
Zum Beispiel trifft er auf die Muckileins, die Muskelstränge aus der Installation mit Vorläuferzellen von Ratten und Mäusen. Oder er fährt eine Runde im Konnektrom, dem Open Worm-Parcours mit einer Art Autodrom-Auto. Er muss aber gar nicht selbst steuern, weil der Wurm das selbstständig tut und deshalb kann Tardi ein paar seiner acht Beinchen in die Luft strecken – wie die Mutigen in der Achterbahn. Das Konnektrom spielt neben dem Jahrmarktsautodrom übrigens auf das Konnektom an – die Gesamtheit der Verbindungen in einem Nervensystem. Auf seiner weiteren Entdeckungstour betritt Tardi den Circus Robotica, wo der Marionettenroboter die Puppen so wunderbar tanzen lässt. Er trifft auch auf SEER, den kleinen Roboterkopf, der den Spiegeltrick beherrscht und alle Gesichtsausdrücke nachahmen kann.

Spannend ist auch das Zusammentreffen von Tardi mit „der“ KI, weil es DIE Künstliche Intelligenz ja nicht gibt. Vielmehr kann sie viele unterschiedliche Erscheinungsformen haben – Sprachassistent, Vorhersagetool für Verbrechen, selbstfahrendes Auto, Handy und vieles mehr. Diese vielfältige Darstellungsform soll aber keinesfalls mystifiziert werden, als wäre die KI ein Geist oder Monster oder sonstwie magisches Wesen. Und so haben wir uns entschlossen, dieses Aufeinandertreffen perspektivisch umzudrehen und aus der Sicht der KI zu zeigen. Tardi trifft also auf die KI und wird vorerst falsch erkannt – und zwar als Nuss. Oder vielleicht ist er doch eine Raupe?

Nicole Grüneis: Ein Bärtierchen ist einfach noch nicht im Datensatz der Künstlichen Intelligenz und deshalb kann es auch nicht erkannt werden. Am Ende wird es aber das KI-Repertoire aufgenommen.

Katharina Hof: Am Ende seines Weges entdeckt Tardi im Kinderforschungslabor eine große Mooswand und zieht dort ein. Ist man ganz geschickt mit dem Mikroskop, kann man Tardi dort finden, auf jeden Fall aber seine Freunde.


Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl

Damit sind wir beim neuen Kinderforschungslabor gelandet, das ab 24. Juni Jung und Alt begeistern wird. Was wird es dort alles zu sehen geben?

Nicole Grüneis: Im hinteren Bereich wird es wie gesagt die Mooswand geben. Diese besteht aus kultiviertem und aufbereiteten Moos, in dem wir außerhalb des Buches wohl keine Lebewesen finden werden. Dafür gibt es Glasbehältnisse mit frisch gesammelten Moos, quasi kleine Moos-Terrarien, wo das mikroskopische Leben erkundet werden kann.

Katharina Hof: Hier finden sich wiederholt Illustrationen aus dem Buch. Tardi ist also auch hier gegenwärtig und verweist auf die Grundaufgabe des Kinderforschungslabors: mit Technologie Dinge sichtbar machen.

Nicole Grüneis: Es gibt noch viele weitere, tolle Anwendungen hier: Beim „Animaker“ bauen Kinder mit Duplosteinen Tiere, die von einer KI erkannt, in ein Cartoon-Tier transformiert und an die Wand projiziert werden. In der „Sandbox“/Sandkiste ändert sich je nach Formation des Sandes die Projektion darauf. Am Musiktisch wird komponiert, bei „Non Visual Art“ ein unsichtbares Bild sichtbar gemacht. Auf der Brücke am Roboter-Spielplatz wuseln kleine Roboter rum, die zeichnen oder Strichen nachfahren oder Musik spielen und noch einiges mehr. Hier können viele unterschiedliche Interaktionen mit Maschinen ausprobiert werden.

Im ersten Stock ist die Ausstellung Mirages & miracles zu bestaunen, wo mittels Tablet oder VR-Brille eine augmentierte Dimension zu den Objekten und Zeichnungen hinzukommt. In weiterer Zukunft wäre eine erweiterte, animierte Ebene für Tardi, das Bärtierchen, natürlich auch eine hervorragende Idee!


Katharina Hof (li.) & Nicole Grüneis, Credit: Ars Electronica / Martin Hieslmair

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