„Der Deep Space hat eine Seele“

©Olli-E03,

Der Cave ist dem Deep Space gewichen und aus dem ist der Deep Space 8K geworden und genau so einen gibt es nun auch im Sinaloa Science Center (Centro de Ciencias de Sinaloa, CCS), Mexiko. Was den Deep Space so einzigartig macht, was es mit mexikanischen Wänden auf sich hat und wie ein solches Projekt realisiert wird, dafür haben wir einen Teil des Projektteams von Ars Electronica Solutions zusammengetrommelt, um Antworten zu bekommen. Wir sprechen mit der Projektleiterin Michaela Fragner, dem Senior Director Michael Mondria, dem Medientechniker Patrick Müller, dem Kreativkonzepter Chris Bruckmayr und Vermittlungsexperte Thomas Viehböck.

Der Deep Space 8K im Ars Electronica Center ist ein visuell sehr imposanter Raum, der Menschen jeden Alters beeindruckt. Woher kommt er und was ist die Idee dahinter?

Michael Mondria: Der Strang geht in die 90er Jahre zurück und beginnt beim „Cave“, einem 3D-Multimediaraum, der mit visuellen und akustischen Grenzen spielte. Der Cave entstand aus der Idee einer Virtuellen Realität, die in den 90ern aufgepoppt, dann aber wieder verebbt ist, weil es technologisch nicht umsetzbar war. Ars Electronica hat den Cave seit 1996 und großartige Projekte dort umgesetzt – großartig sowohl in Bezug auf die Wirtschaft als auch künstlerisch.

Cave, Peter Kogler, Franz Pomassl, photo: Pilo

Beim Neubau [des Ars Electronica Centers, Anm.] 2009 bestand die Möglichkeit für einen Cave 2.0 und diesen haben wir Deep Space genannt. Er war von Anfang an als Plattform angedacht, nicht nur von den Formaten, sondern auch bei der Beschaffung der Inhalte. Das war eine ganz entscheidende Öffnung des Environment nicht nur zu Künstlerinnen und Künstlern, sondern auch zur Wirtschaft und zu anderen Organisationen, deren Inhalte man im Deep Space einzigartig und immersiv vermitteln kann.
Mittlerweile sind VR und 3D in der Gesellschaft angekommen und so konnte der Deep Space in unterschiedlichsten Projekten etabliert werden. Dadurch ergibt sich für uns die Möglichkeit, den Deep Space mit seiner Idee und seinem Potential zu replizieren.

Chris Bruckmayr: Es gab bereits kleinere Nachbauten wie etwa 2015 in Singapur, aber erstmals groß repliziert haben wir den Deep Space 8K jetzt im Sinaloa Science Center in Culiacan, Mexiko – da heißt er übrigens „Cubo Negro“ [Schwarzer Würfel, Anm.]. Darüber hinaus beraten wir die Kulturhauptstadt Timisoara in Bezug auf ein Multiplexity-Center für Art, Technology and Experiment, weil sie auch einen immersiven Space wollen. Der Vorteil des Deep Space ist neben dem Gemeinschaftserlebnis, dass er absolut zielgruppenoffen ist – da kann wirklich jedeR hingehen. Es ist eine Präsentationsplattform, die sozial gerecht und komplett barrierefrei ist, auch oder vor allem vom Denken her. In vielen Gesprächen rund um den Erdball fällt uns auf, dass genau diese empathische Sichtweise immer relevanter wird.

Das Sinaloa Science Center hat komplett umgebaut und 2020 neu eröffnet, Ars Electronica Solutions hatte den „Cubo Negro“ zu verantworten. Was war das Besondere an dem Projekt?

Michael Mondria: Der Deep Space ist kein rein technisches Projekt, man muss die Idee dahinter verstehen und leben können. Es ist eine Plattform, die für viele Formate und Menschen offen ist, das geht aber nur mittels – menschlicher – Vermittlung, sodass die Magie des Ortes rüberkommt. Unsere mexikanischen Projektpartner hatten diese Vision komplett verinnerlicht, sie haben verstanden, was sie mit einem Deep Space machen können.

Thomas Viehböck: Wer schon einmal den „Deep Space 8K“ in Linz besucht hat weiß, dass nicht nur der Inhalt, sondern vor allem auch die Präsentation und die interaktiven Elemente zum besonderen Erlebnis beitragen. Die mexikanischen Infotrainer-KollegInnen waren während der mehrtägigen Schulung vor Ort mit Eifer bei der Sache und freuten sich darauf, auch das mexikanische Publikum an diesen unvergleichlichen Erfahrungen teilhaben zu lassen.

Michaela Fragner: Das gesamte Konzept des Sinaloa Science Centers ist temporär ausgelegt, sprich spätestens nach sechs Monaten wechseln alle Ausstellungen. Die einzigen permanenten Elemente sind ein Meteorit und eben der „Cubo Negro“ im Zentrum des Gebäudes – dieser soll nicht lediglich als technologisches Bonmot dienen, sondern als gesellschaftlicher Treffpunkt. Diese beiden dauerhaften Installationen dienten auch als Inspiration für das Logos des Science Centers. Dieses besteht quasi aus einer Verbindung des Cubo Negro mit dem Meteoriten.
Im ersten Monat nach der Eröffnung schossen die Besucherzahlen in die Höhe, sie hatten so viele wie zuvor in einem Jahr! Es gibt pro Tag um die 18 Shows im Deep Space – das ist schon sehr ambitioniert. Und dabei haben sie noch Potential, wenn sie die Location auch für Events und künstlerische Shows nutzen.

Welche Inhalte werden gezeigt?

Thomas Viehböck: Die Inhalte zur Bespielung des „Cubo Negro“ kommen vom selben Pool an Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke auch im Deep Space 8K des Ars Electronica Centers zu sehen sind. Da die technische Ausstattung des „Cubo Negro“ dem Deep Space ziemlich gleicht, konnten alle ausgewählten Inhalte ohne Probleme in Mexiko installiert werden, auch etwaige zukünftige Entwicklungen werden dort laufen. Natürlich mussten spezielle Lizenz-Verträge ausgehandelt werden – die meisten KünstlerInnen, die wir kontaktiert haben, finden es aufregend, dass ihre Werke nun auch auf der anderen Seite des Globus zu bestaunen sind.

Wie können wir uns die Projektabwicklung vorstellen? Was macht ihr in Linz, was erst vor Ort in Culiacan? Wie läuft so eine Zusammenarbeit mit Mexiko?

Patrick Müller: Ars Electronica Solutions sitzt in der Tabakfabrik Linz und hat dort mehrere Studios für Testaufbauten. In dem Fall hatten wir zwar keine acht Projektoren in Originalauflösung, aber wir haben ein Testsetup mit acht Bildschirmen aufgebaut, um alles effektiv durchspielen zu können. Ohne eine Testumgebung ist ein derartiges Projekt gar nicht zu bewerkstelligen.
Für den Rollout in Mexiko konnten wir über unsere Partnerfirma Christie Digital Systems rasch einen Kooperationspartner vor Ort finden, der die dortige Ausführung nach unseren Vorgaben übernahm. So konnte eine gute Planung vonstattengehen. Allerdings kam es, je weiter es Richtung Rollout ging, zu ein paar „Fallen“. Bei sehr speziellen Produkten, die nicht auf internationalen Warenlisten verankert sind, kann es zu Komplikationen kommen. Und so blieben die Rechner leider aufgrund vieler kleiner Faktoren beim Zoll hängen und verhinderten ein Weiterarbeiten auf der Baustelle.

Michaela Fragner: Dadurch musste auch organisatorisch immer wieder nachjustiert werden, die Techniker und Programmierer konnten ohne die Hardware ja nicht arbeten. Ich habe vor Ort dann die Kommunikation mit den Zollbehörden in Verbindung mit dem Science Center übernommen, um den Prozess zu beschleunigen – wir haben verschiedene Dokumente nachgereicht, Kabelwege dokumentiert, etc. Wir standen mit dem Problem ohnehin nicht alleine da, auch andere Ausstellungsteile, mit denen wir nichts zu tun hatten, hingen im Zoll fest. Schlussendlich konnten aber alle Verschiebungen, Adjustierungen und Aktualisierungen zu einem Zeitpunkt gebündelt werden und es wurde erfolgreich eröffnet.

Michael Mondria: Alles läuft in Mexiko ein wenig anders. Sagt man bei uns, man macht eine Wand, dann geht man davon aus, dass die Wand gerade ist. (lacht)
Natürlich gibt es Unterschiede in der Kommunikation und im Ablauf, aber darauf muss man sich einfach einlassen und es birgt ja auch viele Vorteile, die Ars Electronica nach Mexiko zu bringen. Schon allein die Freude aller Beteiligten bei der Eröffnung zu sehen, war ein Wahnsinn. Seither läuft der Deep Space sehr stabil und einwandfrei.

Patrick Müller: Der große Planungsaufwand vorab und das Beharren auf Hardware, mit der wir gute Erfahrungen gemacht, haben sich wirklich ausgezahlt. Grade bei einem Projekt, das so weit entfernt von unserer Basis ist, ist ein solches Vorgehen immens wichtig, weil man nicht eben mal jemanden vorbeischicken kann, um kleinere Bugs zu beheben oder Projektoren neu einzurichten. Man darf nicht vergessen, wie komplex die Technologie hinter dem Deep Space ist, auch wenn es für Besucherinnen und Besucher recht leichtfüßig wirkt.

Was ist für euch das Besondere am Deep Space?

Michaela Fragner: Die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Culiacan war wirklich toll und ist ungebrochen. Sie recherchieren zu möglichen neuen Inhalten und tauschen sich darüber aus – so wollen sie etwa ein Gigapixelbild von Frida Kahlo präsentieren. Je mehr motivierte Menschen es hier gibt, umso besser wird das Netzwerk, das daraus entsteht und so wiederrum inspirieren sich immer mehr Menschen gegenseitig.

Chris Bruckmayr: Der „Cubo Negro“ hat, anders als ein normales 3D-Kino, eine Seele. Die bloße Anwesenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das Gruppengefühl hauchen dem Raum Leben ein. Das stellt sich in Mexiko anders dar als in Linz, aber das ist auch das Tolle an der Plattform Deep Space: Sie ist für alles offen! Es scheitert nicht an Kulturgrenzen.

Michael Mondria: Durch diese Offenheit ist auch für jedeN etwas dabei, das einen berührt. Sei das die Dimension des Weltalls, der Blick auf die Erde… es ist vor allem emotional zu begreifen und das ist das Schöne am Deep Space.

Cubo Negro, photo: Oliver Elias

Michael Mondria ist Senior Director von Ars Electronica Solutions. Er studierte Informatik an der Johannes Kepler Universität in Linz und gründete das Softwareunternehmen Memetics GmbH in Berlin. Michael Mondria war 15 Jahre als Software Engineer beim multinationalen Softwareunternehmen Fabasoft AG tätig, bevor er als Managing Director ins Ars Electronica Futurelab wechselte. Seit 2012 leitet er als Senior Director die Division Ars Electronica Solutions.

Chris Bruckmayr, Mag., studierte Kommunikationswissenschaft, Politik und Geschichte an der Universität Wien. Akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Seit 2010 Mitarbeiter der Ars Electronica Linz GmbH & Co KG. 2013-2017: Business Manager und Creative Producer der Ars Electronica SPAXELS® (Lichtdrohnenschwarm der Ars Electronica). Seit 2018 Director Products bei Ars Electronica Solutions. Sound- und Performancekünstler, produziert unter dem Namen raum.null elektronische Musik für das Vinyl-Only-Label Belgrade dubs / Belgrad. 2015-2018: diverse Performances beim Ars Electronica Festival.

Michaela Fragner ist seit 2018 Projektleiterin bei Ars Electronica Solutions. Durch ihre Auslandserfahrungen betreut sie viele internationale Kunden/Projekte. Ihre Leidenschaft für neue Medien macht sich besonders durch die Vermittlung von innovativen Installationen in Konzeptpräsentationen bemerkbar. Privat interessiert sie sich sehr für das Thema Psychologie, weshalb sie die Aspekte dieser gerne in Visionen, Konzepte und Kundenberatung einfließen lässt.

Thomas Viehböck ist Künstler und Projektleiter bei Ars Electronica Solutions. Geboren 1975 in Linz machte er sich nach der Matura am Kollegium Petrinum selbstständig und eröffnete mit einem Freund das „Starmill Studio“ in der Sternmühle in Marchtrenk. Parallel zu seiner Tätigkeit als Musiker und Musikproduzent baute er seine Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Ton- und Computertechnik aus, darunter eine abgeschlossene Lehre in IT-Technologie und die Tätigkeit als Systemadmistrator im Internetcafé „Café Online“ in Wels. Ab 2011 arbeitete er als Infotrainer und Arealsverantwortlicher für das RoboLab und das VRLab im Ars Electronica Center und wechselte 2019 zu Ars Electronica Solutions, wo er seitdem als Projektleiter tätig ist.

Patrick Müller ist Veranstaltungstechniker und spezialisiert auf Projektion und Displaytechnologien. Er arbeitet seit mehr als 10 Jahren in den Bereichen Technische Planung, Projektkoordination und als Konstruktionsleiter für verschiedene nationale und internationale Veranstaltungen und Projekte wie Prolight and Sound Shanghai 2004, Weltausstellung Saragossa 2008, verschiedene Digital Signage-Installationen in Österreich, Projektionsaufbau Klangwolke 2012 in Linz.
Seit 2005 arbeitet er mit Ars Electronica zusammen.

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