Wenn wir an AI, Roboter und andere moderne Technologien denken, ist es oft ein Gefühl von Angst, das in unserer Gesellschaft vorherrscht. Können uns die Erfindungen des letzten Jahrhunderts wirklich helfen oder ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht größer als der potentielle positive Effekt? Probleme, die gelöst gehören, Krisen, die wir überstehen müssen und eine Gesellschaft, die teilweise noch immer nicht hellhörig geworden ist. Als Reaktion auf all diese Tatsachen folgt oft Ungewissheit und Überforderung, die schließlich in Untätigkeit endet. Genau das brauchen wir jedoch nicht!
Das diesjährige Ars Electronica Festival steht unter dem Motto „A New Digital Deal“. Wir müssen mit den Gegebenheiten im 21. Jahrhundert umgehen lernen. Wir sollten es uns zutrauen, die Zukunft in die Hand zu nehmen. Stecken wir hierbei etwas Vertrauen in technologische Erfindung, können diese uns sicher auf dem Weg dorthin zur Seite stehen. Wenn neue Technologien auch meist ihre Schattenseiten haben, eröffnen sie doch unglaubliche Möglichkeiten, Möglichkeiten, die wir ergreifen können, damit die Gesellschaft, die Welt und unsere Zukunft davon profitieren. Deshalb dreht sich die nun präsentierte Auswahl an Gardens, Ausstellungen und Projekten um das Thema „Another Tech is possible“.
Ein Blick in die Zukunft
Hoffnung auf eine utopische Welt verbreitet beispielsweise das Projekt „Sonic Utopias“, Teil der Ausstellung „Interface Cult“ auf dem Campus der Kunstuni Linz mit dem Motto „LOOPS OF WISDOM“. „Sonic Utopias“ ist eine akustische Fiktion mit utopischen Erzählungen und Geschichten des Umbruchs von einer (nicht so) fernen Erde. Diese Erzählungen sind virtuell in fünf Muscheln enthalten, während Sand auf das besonders bei Kindern beliebte Sandburgbauen verweist – eine Metapher für die Notwendigkeit des Weltenbaus in brüchigen Zeiten.
Weniger utopisch, dafür realistisch setzt sich „Tara’s diary“, ausgestellt am gleichen Ort, mit der Zukunft des Internets auseinander. Es handelt sich hierbei um ein AR-Buch, das die persönliche Geschichte einer 29-Jährigen aus 2052 erzählt. Man wird als Leser mit verschiedenen Aspekten ihres Lebens konfrontiert, beeinflusst durch die spekulative Entwicklung des Internets in dieser Zeit – von unerwünschten Zukunftsbildern bis hin zu potentiellen Verbesserungsmöglichkeiten.
Technologie für Umweltschutz
Ein essenzielles Thema, das uns ohne Zweifel auch in Zukunft beschäftigen wird, ist Umwelt beziehungsweise Umweltschutz. Bezüglich der Festivalprojekte zum Thema „Ecology“ wurde bereits ein Beitrag veröffentlicht. Das Festival präsentiert neue Ideen, Erfindungen, Kunstwerke und Workshops und bietet Inspiration, wie mithilfe neuer Techniken, eine klimafreundlichere Zukunft erreicht werden kann.
Beispiel hierfür wäre eben das Branch Magazin, Gewinner des Ars Electronica Award for Digital Humanity, dem unter anderem ein eigenes Symposium gewidmet wird. Teil dieses Symposiums ist auch das „Museum of the Fossilized Internet“, ein Projekt, das aus der Perspektive von Menschen in 2050 einen Einblick in das mit Kohle und Öl betriebene Internet im Jahr 2021 geben soll. Unter anderem werden die Hauptverursacher der Internetverschmutzung erforscht und Gespräche über die Klimakrise anregt. Neun Ausstellungsstücke laden die Besucher*innen dazu ein, sich mit den Auswirkungen von Online-Werbung, Streaming, Legacy-Code, KI-Trainingsdaten und vielem mehr auseinanderzusetzen.
Ausgestellt in Kepler’s Garden findet sich das Projekt „Growing Colors“. Hier wird von Student*innen der JKU, der Kunstuni Linz und der TU Graz die Möglichkeit, Bakterien zum Färben von Textilien zu verwenden, aufgezeigt. Die Kombination dieser ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Färbemethode mit neuen Technologien eröffnet völlig neue Möglichkeiten, um die Welt sowohl bunter als auch nachhaltiger zu machen.
Einen weiteren Schritt in Richtung nachhaltige Zukunft würde eine lokale Produktion und Kreislaufwirtschaft signifizieren. Der Gastbeitrag „Wandering Factory“, entstanden durch die Zusammenarbeit zwischen Kunstuni, JKU und anderen Institutionen, verlegt die Produktion direkt dorthin, wo sie gebraucht wird. Ihr Robotersystem kann nämlich autonom Objekte aus recycelten Materialien herstellen, nachdem er sich individuell an die Umgebung und die Gegebenheiten des gewählten Standorts angepasst hat. Durch die Verwendung von jederzeit erhältlichen Produkten und durch eine kurze Produktionszeit wird gezeigt, dass die Technologie für eine mobile, urbane und flexible Produktion bereits vorhanden ist – sie muss nur noch genutzt werden.
Die STARTS Initiative der „European Platform of Digital Humanism“ will generell innovative Projekte fördern, die einen nachhaltigen positiven Effekt auf die europäische Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft haben. In Form von Konferenzen wird der Initiative ein ganzer Tag, der „STARTS Day“ gewidmet. Darüber hinaus ist eine Auswahl der preisgekrönten und nominierten Werke des STARTS Preises in Kepler’s Garden ausgestellt. Beispiel hierfür ist „Data Garden“, eine Dateninfrastruktur, die in der Lage ist, Daten in der DNA von Pflanzen zu speichern und so kohlenstoffnegativ zu arbeiten. Außerdem ist auch „The Living Light“ erwähnenswert. Das Projekt präsentiert eine Designleuchte, die auf Basis der sogenannten Mikrobiellen Brenstoffzellen-Technologie funktioniert, die es ermöglicht, Energie aus organischem Abfall zu erzeugen.
Neue Realitäten fordern neue Technologien
Um einen Anstoß für Innovation zu bieten, veranstaltet die Ars Electronica ein Hackathon zum Thema „AI Ecosystems“. Im Zuge dessen werden Entwickler*innen, Technolog*innen, Ingenieur*innen, Student*innen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen in Teams von fünf bis sieben Teilnehmern*innen zusammenarbeiten, um Lösungen für Zukunftsszenarien zu entwerfen, die später auf unserem Online-Festival vorgestellt werden. Ziel des Projekts ist das Entdecken neuer Möglichkeiten, AI zu nutzen.
Eine Krise, die im letzten Jahr präsent war und es noch immer ist und so unsere Realität, unsere Normalität gravierend beeinflusst hat, stellt die Coronapandemie dar. Vermutlich werden derartige Sonderzustände kein Einzelevent bleiben. Wie mithilfe von kreativen Erfindungen und Projekten mit einer solchen Situation umgegangen werden kann, zeigt beispielsweise der Garden Taipai/Formosa. Dieser möchte unsere Sehnsucht, die Welt zu erkunden, in eine Erkundung der Dimensionen der digitalen Welt kanalisieren. Diese Reise, genannt „Formosa Grand Tour“, führt über eine Vielzahl digitaler Plattformen und Produktionen. Der Garden versammelt taiwanesische Künstler*innen und Kreative aus verschiedenen Bereichen. Denn durch die Vielfalt an Künsten und Themen verbindet die Tour die digitale Welt und die unsere und nutzt die digitale Kunst, um über die Vergangenheit und die Zukunft nachzudenken.
Um Kommunikation im Kontext der Coronakrise dreht sich das Community Project „KEHAI: Liquid Mirror Series – Square – “. Die „Liquid Mirror Series – Square –“ ist eine verspiegelte Box, die selbstständig Töne erzeugt. Das Konzept dieses Projekts ist „kehai“, ein japanischer Begriff, der etwas Unsichtbares, aber definitiv Vorhandenes beschreibt. Der Begriff „Zeichen“ kommt der Definition von „kehai“ wohl am nächsten. Durch COVID-19 hat sich die physische Distanz vergrößert, sodass wir die Möglichkeit und Fähigkeit verloren haben, das Unsichtbare wahrzunehmen, da wir der durch unsere Monitore sichtbaren Welt vertrauen. Die Menschen hören die Geräusche, die von der verspiegelte Box ausgehen, und können alle dasselbe „kehai“ wahrnehmen, wodurch eine neue Kommunikation zwischen weit entfernten Orten möglich wird. Dieses Projekt will die Natur der nonverbalen Kommunikation erforschen, die allen Lebewesen gemeinsam ist.
Vielleicht fordert die neue Realität, in der wir leben, auch einfach eine andere Herangehensweise, einen anderen Blickwinkel. Die Vorstellung eines verflochtenen Netzwerks digitaler Daten kann als digitale Landschaft bezeichnet werden. Der Garden Atacama mit dem Titel „Networked“ versucht die Idee, dass der digitale Bereich direkt mit der Funktionsweise einer vernetzten Landschaft in Verbindung gebracht werden kann, näher zu bringen. Mittlerweile weiß man nämlich, dass natürliche Umgebungen – im Hinblick auf Kommunikation und Informationsaustausch – ähnlich funktionieren wie digitale Netzwerke: Die Bäume und Pflanzen eines Waldes beispielsweise tauschen wichtige Informationen über ihre Umgebung aus. Ziel dieses Projekts ist es, unser Verständnis von Natur zu hinterfragen und ein besseres Verständnis von Naturphänomenen zu erlangen.
Weitere Festivalprojekte zum Thema „Another Tech is possible“, die sich mit Social Media, Maschinen als selbstständige Akteuren oder alternativen Schlachtungsmethoden auseinandersetzen, sind „Personendepot“, „Tales of Arid’Nu“ und „The Affordance of Cattle“. Sie alle sind zu finden an der Kunstuni Linz als Teil der Ausstellung „Infinite Nows“ der Zürcher Hochschule der Künste.
AI und Musik
Abschließend ist fortschrittliche Technologie auch beim Prix Electronica vertreten. Das mit einer goldenen Nica ausgezeichnete Projekt „Convergence“ aus der Kategorie „Digital Musics & Sound Art“ benutzt AI, um die Merkmale menschlicher Musiker*innen zu erlernen und neue Einheiten zu erstellen. Es kommt anschließend zur Interaktion zwischen Spieler*in und generiertem*r Gegenspieler*in. Menschliche Welt- und Selbstmodelle sind oft abstrakt, unbewusst und unreflektiert und vermitteln daher den Eindruck einer absoluten Wahrheit. Durch das Projekt wird untersucht, dass diese Modelle jedoch eigentlich veränderbar sind. Ein Auto-Encoder formalisiert die Eingabedaten – also hier Gesicht, Körper, Stimme – und das „Deep Learning“ liefert eine abstrakte Beschreibung dieser Daten. Anders als beim menschlichen Verstand können die Parameter hier bearbeitet und umgewandelt werden. AI-Systeme ermöglichen also eine Verformung der Darstellung, was die Robustheit von Identitäts- und Weltmodellen hinterfragt. Eine Fähigkeit, die in eine digitalen Welt voller „Fake News“ und im Alltag sicher auch zukünftig bedeutsam sein wird.
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