Gelebte Demokratie oder: Die Kunst des Widerstands 

Flood the Zone with Courage, photo: Tom Mesic

Demokratie lebt von Widerstand und Beteiligung. Beim Ars Electronica Festival 2025 zeigen künstlerische Projekte, wie Protest neue Räume eröffnet, Gemeinschaft stärkt und Visionen für eine gemeinsame Zukunft entwirft.

Demokratie ist kein Zustand, sondern ein Prozess – langsam, aufwendig, oft konfliktreich, aber einzigartig in der Möglichkeit zu Freiheit, Sicherheit und Selbstbestimmung. Gerade weil sie auf Beteiligung basiert, gerät sie immer wieder unter Druck – von außen durch autoritäre Regime, von innen durch Kräfte, die einfache Lösungen in einer vermeintlich besseren Vergangenheit suchen. Doch Demokratie lebt vom Widerstand und vom Engagement ihrer Bürger*innen.

Künstler*innen spielen dabei seit jeher eine Schlüsselrolle: Ihre Arbeit gründet auf Meinungsfreiheit, sie verbindet, sucht nach Wahrheit und eröffnet Räume für neue Gemeinschaften. Widerstand bedeutet aber nicht nur, gegen etwas einzutreten, sondern auch für etwas: für Solidarität, für Vielfalt, für inklusive Zukunftsvisionen. Festivals wie Ars Electronica sind solche Räume – Orte, an denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenkommen, Unterschiede aushalten, Gemeinsamkeiten entdecken und neue Formen des Miteinanders entwickeln.

In diesem Kontext zeigt das Ars Electronica Festival 2025 zahlreiche Projekte, die sich klar gegen Autoritarismus positionieren und zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern – im Spannungsfeld von Widerstand und Demokratie.

Flutet das Festival mit Mut! 

Die Klimakrise eskaliert, doch politische Systeme geraten ins Stocken. „Flood the Zone with Courage“  – prominent platziert zwischen Welcome Area und create your world Festival im frei zugänglichen Bereich des Festivals – setzt genau hier an: Das gemeinsame Projekt von Ars Electronica und dem Zirkus des Wissens an der JKU Linz ruft zu neuen, mutigen Protestformen auf – performativ, partizipativ und kollektiv. Kurze Interventionen von maximal sieben Minuten verwandeln öffentliche Räume und das Festivalgelände in Orte demokratischer Imagination: Tänze, Dialoge, Rituale oder Mahlzeiten werden zu Momenten des Handelns. Der Pavillon against Indifference, entworfen und realisiert von der Abteilung für Architektur an der Kunstuniversität Linz, dient dabei als Bühne und Versammlungsort, ergänzt durch mehrere Open Labs, wie das Open Democracy Lab der IG Demokratie. Performances wie LUM:ORA, Laughing Strategies oder die Aktionen des Youth Exchange Projects (dazu später mehr) machen Protest sinnlich erfahrbar – und zeigen, dass Demokratie mehr ist als Widerspruch: Sie ist gelebte Praxis.

OpenDemocracyLab /Stefan Schartlmüller, Lisa Praeg, Martyna Lorenc, Letícia Carneiro, Photo: IG Demokratie

Ein weiteres Projekt, das die JKU in die POSTCITY bringt und die Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft illustriert, ist „The Dream in Experience“ von Andreas Kaindlstorfer (AT), Andreas Strauss (AT) und Reinhard Gupfinger (AT). Hier wird Schlaf zur Kulturtechnik: Im von Andreas Strauss entworfenen „Kapselhotel“ können Festivalbesucher*innen selbst Teil eines Experiments werden. Während sie schlafen, werden ihre Daten in Echtzeit in Klang- und Bildwelten übersetzt. Das Projekt, initiiert von der Neurologie des Kepler Uniklinikums in Zusammenarbeit mit der JKU und Reinhard Gupfinger, rückt Schlaf als Grundlage von Gesundheit ins Zentrum – und eröffnet zugleich kritische Perspektiven auf Themen wie KI, Big Data und Schlafgerechtigkeit.

The Dream In Experience / Andreas Kaindlstorfer, Andreas Strauss, Reinhard Gupfinger, photo: Jonas Hörbst

Bedrohte Kunst

Der State of the ART(ist) Award, eine Zusammenarbeit zwischen Ars Electronica und dem Österreichischen Außenministerium, macht sichtbar, unter welchen existenziellen Bedrohungen viele Künstler*innen heute arbeiten – bedroht durch Repression, Vertreibung oder ökologische Katastrophen. 506 Einreichungen aus 76 Ländern zeigen: Kunst bleibt ein globaler Akt des Widerstands. Viele Arbeiten des State of the ART(ist) Award entstanden unter Zensur, Krieg oder im Exil – und dennoch voller Mut, Solidarität und Vision. Die ausgezeichneten Künstler*innen erinnern daran, dass Kunst immer auch ein Risiko ist, aber gerade darin ihre politische Kraft entfaltet.

Ein Beispiel ist das heurige Gewinner*innenprojekt: Café Kuba von David Shongo. In Kinshasa verwandelt er einen Straßenkaffee-Wagen in ein mobiles Aufnahmegerät – ein poetisches und politisches Symbol, das den Puls einer Stadt zwischen Trauma, Unsicherheit und schöpferischer Energie einfängt.

Café Kuba / David Shongo, Photo: David Shongo

Neben dem State of the ART(ist) Award lenken auch zwei weitere Preise den Blick auf Demokratie und Widerstand: Der Award for Digital Humanity, ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Außenministerium entstanden, unterstreicht, dass Kunst als humanistische Praxis wirkt – eine, die digitale Entwicklungen kritisch reflektiert und Alternativen für eine gerechtere, demokratischere Zukunft aufzeigt. Und der Citizen Science Preis der Europäischen Union zeigt wiederum, wie Kunst, Forschung und gesellschaftliches Engagement ineinandergreifen können, um eine inklusive und nachhaltige Gesellschaft aktiv mitzugestalten.

Die nächste Perspektive

Das Programm create your world schafft Räume für junge Perspektiven und kreative Selbstermächtigung – als Investition in eine Zukunft, die auf Offenheit, Teilhabe und Vorstellungskraft baut. Die u19-Ausstellung präsentiert die 23 Gewinnerprojekte des Prix Ars Electronica 2025. Junge Kreative bis 19 Jahre zeigen ihre Ideen für die Welt von morgen – analog wie digital, poetisch wie technisch. Die Projekte überzeugen durch Mut, Originalität und visionäre Ansätze. Neben der Ausstellung werden Workshops, Labs und eine feierliche Preisverleihung geboten – ein Blick in die Zukunft durch die Augen der nächsten Generation.

PA1NTING / NEA (Nea Geršak) (DE)

Seit 15 Jahren bringt das Youth Exchange Project junge Menschen aus ganz Europa nach Linz. Dieses Jahr widmen sie sich unter der Leitung von create your world (AT), c3 (HU), mb21 (DE) und Only Tomorrow Association (RO), nach einem Konzept von Mary Mayrhofer, dem Thema „Artivism“ und friedlichen Protestformen. Gemeinsam entwickeln sie subtile, manchmal kaum erkennbare Interventionen in der POSTCITY, am Alten Markt und am Domplatz – an denen Besucher*innen oft selbst unbemerkt teilnehmen. Ein Experiment, wie kreativer Widerstand neue Ausdrucksformen finden kann.

Youth Exchange Project / create your world, c3, mb21, Only Tomorrow Association, Photo: Mary Mayrhofer

Gelebte Beteiligung

Doch Demokratie lebt nicht nur von der Stimme junger Menschen – sie braucht das Engagement aller. Deshalb lädt das Festival zu aktiver Beteiligung in Workshops und Labs ein:

Fake News entlarven, Fakten prüfen, Wahrheit erforschen – im Investigationslabor (Investigation Lab) im Ars Electronica Center können Besucher*innen selbst Hand anlegen. Mit digitalen Tools und realen Fällen üben sie den kritischen Umgang mit Information und erproben investigative Strategien für das digitale Zeitalter.

Ein riesiges Pong-Spiel wird zum Labor der Demokratie. Vier Spieler*innen steuern ihre Paddles über Körperbewegungen, jede erfolgreiche Runde erlaubt das Umschreiben einer Spielregel – Fairness, Gleichheit, Freiheit oder Transparenz. Kooperation oder Regelbruch? Das Spiel kann stabil bleiben oder kollabieren. Playing Democracy 2.0 von Ling Tan (GB/SG) macht erfahrbar, wie zerbrechlich und zugleich gestaltbar demokratische Systeme sind.

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Wie lassen sich Räume gestalten, in denen junge Stimmen wirklich zählen? Der Workshop Keep Calm and Create a Critical ChangeLab von Tactical Tech (DE), INTERACT Research Group – University of Oulu (FI), Science & Society Research Group – Trinity College Dublin (IE), Esbrina Research Group – University of Barcelona (ES), Waag Futurelab (NL), Kersnikova Institute (SI), LATRA (GR), European Alternatives (FR), Institute for Social Research in Zagreb (HR), Ars Electronica (AT) zeigt Pädagog*innen neue Methoden, um Demokratie praktisch erfahrbar zu machen. Basierend auf europäischer Aktionsforschung aus dem Horizon Europe Programm lernen die Teilnehmenden, wie Schule, Forschung, Kultur und Industrie zusammenarbeiten können, um kreative und kollaborative Lernumgebungen zu schaffen.

Critical ChangeLab / Ars Electronica

Eine XR-Plattform für kollektive Vorstellungskraft: Im NeXus Studio in der POSTCITY entwickeln Besucher*innen gemeinsam immersive Zukunftsvisionen. Generative KI eröffnet dabei neue Möglichkeiten für geteiltes Erzählen und Denken. NeXus Print ist ein Forschungsprojekt des Ars Electronica Futurelab und Dai Nippon Printing – und fragt, wie XR nicht nur Kommunikation, sondern auch gesellschaftlichen Dialog bereichern kann.

NeXus Print / Dai Nippon Printing, Ars Electronica Futurelab, Photo: Patrick Berger

Symposien und Talks zu Demokratiefragen

Neben künstlerischen Projekten und Mitmach-Angeboten bietet das Festival auch Raum für Reflexion und Debatte in zahlreichen Talks, Symposien und Networking Events. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und inmitten einer neuen globalen Aufrüstung, konzentriert sich das Themensymposium heuer auf Strategien zur Eindämmung von Panik in schwierigen Zeiten. Kriegsdrohungen und Klimakatastrophen, Strategien für digitale Souveränität, die Rolle von Kunst und Kultur bei der Stärkung der Widerstandsfähigkeit Europas, die Entwicklung der KI und ihre Auswirkungen auf Gesellschaften und Schaffungsprozesse sowie die Entwicklung von Medizin- und Quantentechnologien: All dies sind wichtige Themen, die an fünf Tagen in der POSTCITY diskutiert werden. 

Welche Projekte sich mit der Rückeroberung der digitalen Souveränität beschäftigen, kannst du hier nachlesen. Diese und zahlreiche weitere Projekte kannst du am Ars Electronica Festival in Linz von 3. Bis 7. September in Linz erleben. Sichere dir jetzt deine Tickets und sei dabei! 

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