Prix Ars Electronica 2024: Eine Frage des Mindsets 

Conversations Beyond the Ordinary, Jan Zuiderveld (NL), Credit: Christian Schwarz

Die Prix Ars Electronica Ausstellung gilt als Highlight des Ars Electronica Festival Programms. Wir durften schon jetzt einen Blick hineinwerfen und haben dabei einige Neuerungen sowie Projekte aus dem Archiv entdeckt. 

Die Jury des Prix Ars Electronica hatte es diesmal wirklich nicht leicht. Immerhin haben beinahe 3.000 Kunstschaffende aus aller Welt ihre vielfältigen Projekte eingereicht, um den wohl begehrtesten Preis für zeitgenössische Medienkunst zu gewinnen. Den Gewinner*innen winken nicht nur die Goldenen Nicas, sondern auch Preisgelder und der Auftritt beim Ars Electronica Festival in Linz (vom 4. bis 8. September 2024).  

Schlussendlich wurden 46 eindrucksvolle Werke aus den Kategorien New Animation Art, Interactive Art + und u19 – create your world ausgewählt. Erstmals wird heuer auch der Sonderpreis AI in Art Award vergeben. Die Ausstellung der prämierten Projekte gilt als einer der Höhepunkte des Ars Electronica Festival. Erstmals findet diese heuer im Lentos Kunstmuseum in Linz statt. Wir haben uns vorab mit Kuratorin Emiko Ogawa getroffen. Sie verrät uns, welche Kunstwerke live zu erleben sein werden und warum sie durchaus für Diskussionen sorgen könnten. 

Emiko, als Kuratorin begleitest du die Prix Ars Electronica Ausstellung bereits seit vielen Jahren. Worum geht es dabei vorangig?  

Emiko Ogawa: Die Prix Ars Electronica Ausstellung ist ein sensibles Instrument, um den aktuellen Zeitgeist zu erfassen. Wenn wir uns heute die ersten Kunstwerke aus dem Jahr 1987 ansehen, können wir die damalige Stimmung gut nachvollziehen.  

Stell‘ dir vor, im Jahr 2004 ging die Goldene Nica an Wikipedia. Da war diese Plattform neu und aufregend, heute ist sie für uns völlig normal. In diesem Sinne hat die Prix-Ausstellung nicht nur eine Bedeutung für heuer, sondern auch für die Zukunft. Um diesen Aspekt hervorzuheben, werden wir dieses Mal auch einige Projekte aus dem Archiv zeigen.  

Im Jahr 2004 galt Wikipedia als eine aufregende Neuigkeit. Welches Thema begeistert uns heute, das in zehn Jahren vielleicht völlig normal sein wird?  

Emiko Ogawa: Heute begeistern uns besonders die Entwicklungen rund um KI (Künstliche Intelligenz) – sowohl in Unternehmen und Forschungsinstituten als auch bei ihrer alltäglichen Anwendung. Deshalb gibt es heuer den Sonderpreis für AI in Art. Auf diese Weise versuchen wir, den Wendepunkt des Jahres 2024 zu erfassen.  

Smoke and Mirrors, Beatie Wolfe (GB), Photo: Hanno Dall

Von den 2.950 Einreichungen wurden 46 Projekte prämiert. Aus verschiedenen Gründen können nicht alle während des Ars Electronica Festival gezeigt werden. Wie viele davon sind sicher dabei?  

Emiko Ogawa: Wir werden 14 großartige Prix-Projekte von Künstler*innen aus aller Welt sehen können. Dazu zählt zum Beispiel „Smoke and Mirrors“ der Britin Beatie Wolfe. Mithilfe einer eindrucksvollen Visualisierung der Erde thematisiert sie steigende Methankonzentration in der Erdatmosphäre und die Lügen der Ölindustrie. Dafür wurde sie mit der Goldenen Nica in der Kategorie New Animation Art ausgezeichnet. 

Wir werden außerdem das erste offiziell beauftragte Musikvideo sehen, das vollständig mit dem Text-to-Video-Modell SORA von OpenAI generiert wurde. Es trägt den Titel „The hardest part“ und stammt von Paul Trillo, der dafür die Goldene Nica in der Sonderkategorie AI in Art Award erhalten hat. Die Musik ist von „Washed Out“.  

Auf welche Projekte können wir uns außerdem noch freuen? Vielleicht gibt es eines, das dich besonders überrascht hat … 

Emiko Ogawa: Ja, zum Beispiel „Conversations Beyond the Ordinary“ von Jan Zuiderveld aus den Niederlanden. Er stellt uns alltägliche Geräte wie etwa eine Kaffeemaschine oder eine Mikrowelle vor, die aber jeweils ihre eigene Persönlichkeit haben. Die Kaffeemaschine macht dir nur dann einen Kaffee, wenn du zuerst höflich mit ihr sprichst.  

Das Projekt zeigt, dass wir uns nicht nur mit Maschinen selbst auseinandersetzen sollten, sondern auch mit unserer Einstellung zu grundlegender Interaktion und Kommunikation. Manche Projekte sind anfangs vielleicht schwierig zu verstehen, aber im Laufe der Erfahrung entdeckt man den Sinn. Was man dafür braucht, ist Zeit.  

The Hardest Part, Paul Trillo (US), Credit: Paul Trillo

Die Prix Ars Electronica Ausstellung findet heuer zum ersten Mal im Kunstmuseum Lentos statt. Welche Herausforderungen und Besonderheiten sind mit den neuen Räumlichkeiten verbunden? 

Emiko Ogawa: Das Lentos liegt dem Ars Electronica genau gegenüber, es ist wie ein Schwester-Museum. Natürlich ist das Lentos ein sehr schönes Gebäude. Die Herausforderung für uns besteht darin, dass es aus großen Räumen besteht. Unsere Projekte haben jedoch viele verschiedene Features und Soundelemente. Diese sollten einander nicht stören, damit die Besucher*innen wirklich in die Vision und Denkweise des*der jeweiligen Künstler*ins eintauchen können. Ich bin sicher, es wird uns gut gelingen.  

Ein erwähnenswerter Bonus an der neuen Location ist, dass Besucher*innen auch gleich die aktuelle Lentos-Ausstellung „Die Reise der Bilder“ besuchen können. Die Prix-Projekte der Kategorie u19 – create your world werden übrigens nicht im Lentos gezeigt, sondern in der POSTCITY. 

Das Thema des diesjährigen Ars Electronica Festivals lautet „HOPE – who will turn the tide“. Inwiefern spiegelt es sich dieses Thema in der Ausstellung wider? 

Emiko Ogawa: Die Einreichfrist für den Prix Ars Electronica endet, bevor das Festival-Thema bekannt gegeben wird. Die Jury-Auswahl erfolgt ebenso unabhängig davon. Dennoch sehen wir jetzt viele verschiedene Projekte, die ihre künstlerische Botschaft als eine positive Aktion präsentieren. Damit sind keine großen Aktionen im Sinne von „Lasst uns die Welt verändern!“ gemeint, sondern vielmehr kleine Aktionen für die eigene Community. Das passt genau zum Thema. Ich denke, das ist kein Zufall. Dieses Mindset ist für uns Menschen jetzt wichtig zu lernen. 

Was verbindest du persönlich mit dem Festival-Thema?  

Emiko Ogawa: „HOPE“ gefällt mir als positives und zukunftsorientiertes Schlüsselwort. Viele Menschen fühlen sich machtlos angesichts der weltweiten Konflikte, die zwar scheinbar niemand möchte, aber dennoch nicht beendet werden können. Die wichtige Frage ist jedoch: Was kann ich in meinem eigenen Umfeld beitragen? Welches Mindset sollte ich für die Zukunft pflegen? Wir brauchen ein positives Gedankengut und Aktionen, um voranzukommen. In der Prix Ars Electronica Ausstellung werden wir Künstler*innen aus unterschiedlichen Teilen der Welt kennenlernen, die jeweils auf ihrem Platz mit ihren Aktionen vorangehen. 

Nosukaay, Diane Cescutti (FR), Credit: Diane Cescutti

Im Jahr 1987 hat ein Preis, der ausschließlich der digitalen Kunst gewidmet war, noch für Kontroversen gesorgt. Heute sieht man fast überall digitale Kunst. Was sind die Diskussionen von heute – gibt es sie?  

Emiko Ogawa: Ja, die gibt es. Interessanterweise hat die Jury beider Kategorien, also von New Animation Art und Interactive Art +, einige Lowtech-Projekte ausgewählt. Das hat mich überrascht. Es geht heute weniger um die Technologie selbst als vielmehr darum, wie sorgfältig diese Technologie von und für Menschen genutzt wird. Ich habe vorhin das KI-generierte Musikvideo erwähnt. Ausschlaggebend für diese Auswahl war nicht nur die hervorragende Qualität des Videos. Der spannende Punkt ist die Kollaboration mit Künstlicher Intelligenz, wodurch menschliche Kreativität durchaus gefördert anstatt ersetzt werden kann. 

Besonders in der Kategorie Interactive Art + diskutieren viele Kunstschaffende aber auch die problematischen Auswirkungen von KI. Es ist eine Diskussion entlang eines feinen Grades. Spannend ist auch die Frage, wie Künstliche Intelligenz in verschiedene Kulturen eingebettet ist bzw. wie sie in lokale Traditionen und Narrative eingreift – wie wir am Golden-Nica-Projekt „Nosukaay“ von Diane Cescutti sehen können. Sie verbindet mit ihrer Installation westafrikanische Webkunst mit Mathematik und Computertechnik.  

Es geht also darum, die soziale Botschaft zu erkennen.  

Emiko Ogawa: Ja, hier liegt der Schlüssel. Es wird auch die Gelegenheit geben, einige Künstler*innen der Prix Ars Electronica persönlich kennenzulernen. Am Mittwoch (4.9.) und Donnerstag (5.9.) gibt es jeweils eine Sonderführung mit den Preisträger*innen. Dafür muss man sich online anmelden. 

If You Have Starry Skies in Your Eyes, Rib (JP), Credit: Rib

Ein Highlight des Ars Electronica Festival ist außerdem das Prix Forum. Kannst du uns schon ein etwas über das diesjährige Programm erzählen? 

Emiko Ogawa: Wir haben das Prix Forum komplett umstrukturiert. Bisher bestand das Forum eher aus Diskussionen unter den preisgekrönten Künstler*innen, dieses Jahr werden die Gesprächspartner*innen aber themenbezogen ausgewählt. Der Samstag ist dem Thema KI gewidmet, zum Beispiel mit „Wie KI das Kunstschaffen anfacht“ oder „Wie die KI als Kollaborateur für den Menschen genutzt werden kann“. Zu den jeweiligen Themen werden Künstler*innen sowie Unternehmen eingeladen, die in diesem Bereich bereits aktiv sind. Denn wir wollen wirklich über sinnvolle Aktionen sprechen, nicht nur über schöne Theorien. 

Danke für das Gespräch und viel Erfolg für die diesjährige Ausstellung!  

Die Prix Ars Electronica Ausstellung ist vom 4. bis 8. September 2024 im Rahmen des Ars Electronica Festivals im Lentos Kunstmuseum zu sehen. Tickets sind hier erhältlich.

Emiko Ogawa

Emiko Ogawa ist sowohl Künstlerin als auch Kuratorin. Sie ist Head of Prix Ars Electronica, dem weltweit traditionsreichsten Medienkunst Wettbewerb.

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