Musik zwischen Mensch und Maschine

Alle Menschen werden Brüder, Visible “An die Freude”, White Hands Chorus (JP),Mariko Tagashira (JP), Photo: Mariko Tagashira

Walzer mit Künstlicher Intelligenz, Orgelmusik mit Robotik, interaktive Performances und Clubnächte: Das musikalische Programm des Ars Electronica Festival 2025 eröffnet seinen Besucher*innen neue Erfahrungsräume.

Das Ars Electronica Festival bietet nicht nur eine Bühne für internationale Medienkunst, es eröffnet auch pulsierende Räume für Musik, Tanz und experimentelle Performances. Von klassischer Musik mit futuristischem Twist über Oper in Gedenken an ein Kriegsende bis hin zu Clubnächten: Das musikalische Programm 2025 baut Brücken zwischen Zeiten, Disziplinen und Technologien – und führt die Besucher*innen an außergewöhnliche Orte.

Visible “An die Freude”, Photo: Mariko Tagashira

Festival Opening: Alles Walzer!

Der Mariendom und der Domplatz werden erneut zum klingenden Zentrum für die große Eröffnungsfeier am Mittwoch, dem 3. September. Wer dabei sein möchte, braucht kein Ticket und keine Registrierung, sondern kann einfach vorbeikommen. Den Auftakt gestalten der Gebärdenchor White Hands Chorus NIPPON unter der Leitung von Erica Colon und die Company of Music unter der Leitung von Johannes Hiemetsberger: Gemeinsam präsentieren die beiden Chöre mit Visible „An die Freude“ die Europahymne und erinnern somit an das 30-jährige Jubiläum von Österreichs EU-Beitritt. Moderiert wird die Performance von Norbert Trawöger, künstlerischer Direktor des Bruckner Orchesters Linz. Mitsingen und Mitgebärden ist ausdrücklich erwünscht.

Danach steht ein musikalisches Geburtstagskind sowie kulturelle Ikone Österreichs im Zentrum: Johann Strauss (Sohn), der Walzerkönig, wäre heuer 200 Jahre alt geworden. Im Auftrag des Festjahres Johann Strauss 2025 Wien hat das Ars Electronica Futurelab gemeinsam mit vier internationalen Musikuniversitäten das Projekt Walzersymphonie realisiert. Studierende waren eingeladen, künstlerische Konzepte einzureichen, die sich kritisch und kreativ mit dem musikalischen Erbe von Strauss sowie mit der Rolle Künstlicher Intelligenz in der Komposition auseinandersetzen. Das Bruckner Orchester Linz, dirigiert von Ingmar Beck, spielt Ausschnitte dieser neuen zeitgenössischen Interpretationen – ebenso wie die Fledermaus-Ouvertüre und das Traumbild von Strauss.

Organism: In Turbulence / Navid Navab (IR/CA), Photo: Angelina Nikolayeva

Klangexperimente: Goldene Nica für Navid Navab und Garnet Willis

Zum Abschluss der Eröffnungsfeier widmet sich Navid Navab (CA/IR) in Organism: In Turbulence dem experimentellen Umgang mit Orgelklängen. Der in Montréal lebende Künstler stellt unsere Hörgewohnheiten in Frage, indem er eine hundert Jahre alte Pfeifenorgel mithilfe von Robotik in eine lebendige Klangökologie verwandelt, die ungestüme und chaotische Klänge erzeugt. Für dieses impulsive Kunstwerk wurde Navid Navab gemeinsam mit Garnet Willis (CA) mit der Goldenen Nica des Prix Ars Electronica.

2025 in der Kategorie „Digital Music & Sound Art“ ausgezeichnet. Es wird über die gesamte Festivalzeit frei im Dom (während der Öffnungszeiten) zugänglich sein. Am Samstag dürfen sich die Besucher*innen außerdem auf zwei weitere Konzerte mit Navid Navab freuen – auch hierfür sind keine Tickets notwendig.

Kaiser von Atlantis / Viktor Ullmann & Peter Kien / Filharmonie Brno (CZ), Dennis Russell Davies (US/AT), Image: Cori O´Lan

Große Konzertnacht: Der Kaiser von Atlantis

Ein musikalisches und politisches Statement setzt die Große Konzertnacht in der Gleishalle der POSTCITY am Freitag. Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs präsentiert der Abend eine Neuinszenierung der Oper Der Kaiser von Atlantis. Dieses außergewöhnliche Werk wurde 1943-44 von Viktor Ullmann und Peter Kien (DE) entgegen allen Widrigkeiten im KZ Theresienstadt komponiert. Die Handlung: Kaiser Overall erklärt darin den Krieg aller gegen alle – doch der Tod, der den Feldzug anführen soll, spielt nicht mit und tritt in Streik. Orchestermusik verbindet sich an diesem Abend mit tief bewegender, visueller Inszenierung. Dirigiert wird die Aufführung von Dennis Russell Davies: „Die Große Konzertnacht ist ein Treffpunkt, an dem zwei Welten zusammenkommen, um großartige Musik zu feiern. Die diesjährige Inszenierung ist zudem ein tief bewegender Beweis für einen unbezähmbaren und leidenschaftlichen kreativen Geist, der aus den Tiefen der Verzweiflung und Verfolgung entstanden ist. Ein klares und entschlossenes ‚Nein!‘ zu Panik.“ Die Linzer Uraufführung ist eine Kooperation von Ars Electronica, der Filharmonie Brno, dem Landestheater Linz und der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Am Samstag wird Der Kaiser von Atlantis ein zweites Mal aufgeführt.

Camilla Sparksss, Photo: Pimbonten

Immersive Performances und DJ-Sets

Wer nach der Großen Konzertnacht noch mehr erleben möchte, ist bei der Ars Electronica Nightline richtig. Das Programm lädt mit seinen experimentellen und außergewöhnlichen Musikacts zum Tanzen und Feiern ein. Für einen energiegeladenen Kick-off sorgt die Wiener Sängerin und Musikproduzentin AYGYUL (AT). Danach steht die florierende elektronische Szene der Schweiz im Fokus des Line-ups – ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Camilla Sparksss (CH/CA) bringt mit ICU RUN eine multisensorische Liveshow zwischen Noise Pop, Electro und visuellem Storytelling auf die Bühne. Ihre Performance ist konfrontativ und gleichzeitig intim – Musik, die nicht nur zum Zuhören, sondern zum Mitfühlen aufruft. Lua Jungck (CH) liefert ein Live-Set, das zwischen klanglicher Erkundung und tanzbarer Energie wechselt. Geprägt von ihrem Hintergrund als Jazzpianistin und einer tiefen Verbindung zu experimentellem Sound verwebt sie verzerrte Field Recordings, gebrochene Beats und komplexe Synth-Texturen. Auch FlexFab (CH) wird live performen, DJ-Sets spielen und seinen grenzüberschreitenden Ansatz in der Musikproduktion präsentieren. Rapper Manu Kann (CH) wird ihn dabei auf der Bühne unterstützten.

AMA / Maria Arnal – Photo: Edrien Guillermo

Headlinerin der Nightline ist die in Barcelona lebende Künstlerin Maria Arnal* (ES), die mit ihrer Perfomance AMA Gesang, Bewegung und Künstliche Intelligenz verbindet. Aus einer Zusammenarbeit mit dem Barcelona Supercomputing Center und fünf Tänzer*innen ist ein lebendiges Choralsystem entstanden, in dem synthetischen Stimmen der Künstlerin in Echtzeit durch Bewegung geformt werden. Eine radikale Reflexion über stimmliche Autonomie, Autor*innenschaft und der sich verschiebenden Grenze zwischen Mensch und Maschine.

Credit: Tatiana Panyaeva

Sonic Saturday: Hören durch die Krise

Viel Zeit zum Ausschlafen bleibt nicht, denn am Samstag geht es gleich mit dem Sonic Saturday der Anton Bruckner Privatuniversität weiter. Das Format wurde heuer zu einem zweitägigen Event für Klangkunst mit Konzerten, Performances und Installationen und informellen Austausch zwischen Künstler*innen und Forscher*innen erweitert. Klang wird hier zum Erkenntnismittel: In Anlehnung an das Festivalthema 2025 „PANIC – yes/no“ geht es darum, sich durch die Krise hindurchzuhören – nicht um sie zu beruhigen oder zu verstärken, sondern um zu spüren, was Klang sowohl verbirgt als auch offenbart.

Sound Campus—Sonic Fever / Boris Shershenkov (RU) , Obi Blanche (FI)

Innenhof der Kunstuniversität wird zum Spielplatz

Das Ars Electronica Festival startet zwar offiziell erst mit der anfangs erwähnten Eröffnungsfeier am Mittwoch, doch schon am Dienstag kann man sich beim Sound Campus auf darauf einstimmen. Der Sound Campus in Zusammenarbeit mit Ars Electronica und der Kunstuniversität Linz ist in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Fixpunkt im Festivalprogramm geworden. Die diesjährige Ausgabe von 2. bis 4. September widmet sich dem Thema Spiel: nicht als ein Mittel der Ablenkung, sondern als künstlerische Strategie. Spiel wird zum Werkzeug der Improvisation, das Grenzen aufbricht und eingefahrene Vorstellungen von Möglichkeiten infrage stellt. Gespielt wird ein Spiel ohne Gewinner*innen, das sich frei durch Spontanität entfaltet – sobald wir den Sound einschalten und dem Zufall die Bühne überlassen.

Pianographique: Mishima-Suite by Philip Glass / Maki Namekawa, Cori O’Lan – Photo: vog.photo

Pre-Opening: Maki Namekawa spielt Philip Glass

Abschließend noch ein Highlight, das man sich unbedingt vormerken sollte: Pianistin Maki Namekawa (JPN), eine profilierte Expertin für die Klaviermusik von Philip Glass, wird beim Pre-Opening Walk am Dienstag, dem 2. September, eine Suite mit sieben Stücken aus Mishima im Deep Space des Ars Electronica Center spielen. Cori OʼLan (AT) begleitet die Pianistin visuell mit digitalen Visulisierungen in Echtzeit. Das Konzert wird so zur meditativen Verschmelzung von Bild und Klang – und stimmt atmosphärisch auf ein vielschichtiges Festivalprogramm ein.

Das Ars Electronica Festival 2025 findet vom 3. bis 7. September in Linz unter dem Motto „Panic – yes/no“ statt. Tickets sind hier erhältlich.

*AMA von Maria Arnal supported by Institut Ramon Llull and Acción Cultural Española (AC/E)

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