Soundtracks für den Wandel

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“Rapper zu vier Monaten Haft verurteilt”, “TV-Netzwerk verbannt Popsong”, “Drei Personen wegen Singen und Tanzen für Musikvideo verhaftet”, “Musikerinnen von der Bühne verbannt”. Es sind Nachrichten wie diese, über die Freemuse, die weltweit größte Datenbank rund um Musikzensur, auf www.freemuse.org laufend berichtet. Vor kurzem erhielt die Plattform beim Prix Ars Electronica 2014 eine Auszeichnung in der Kategorie „Digital Communities“. Musik kann sprachliche und kulturelle Grenzen überwinden, wie die Prix-Jury die Macht dieser Kunstform treffend zusammenfasst. Es sind die Geschichten und Schicksale der MusikerInnen, die gehört werden müssen, von JournalistInnen, von Regierungen, von WissenschaftlerInnen, von anderen KünstlerInnen und AktivistInnen. Auf den ersten Blick sind es vereinzelte lokale Ereignisse, die jedoch in einer globalen Perspektive ein für viele neues Bild der Meinungsäußerung werfen. Ole Reitov, geschäftsführender Direktor der Organisation, die ihren Sitz in Dänemark hat, spricht über die Gründe von Musikzensur und wie es eigentlich zum Aufbau von Freemuse gekommen ist.

Warum ist Meinungsfreiheit gerade für MusikerInnen so wichtig? Was unterscheidet sie von anderen BürgerInnen?

Ole Reitov: MusikerInnen haben in den vergangenen Zeiten häufig ihre Frustrationen über Korruption, Rassismus und Machtmissbrauch kundgetan. Oder sie haben den „Soundtrack“ der Revolutionen geliefert, der Bewegungen und gesellschaftlichen Veränderungen. Denken Sie an die Bürgerrechtsbewegung, an die Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, an den Arabischen Frühling. Und wenn man seine Frustrationen in dieser Form öffentlich macht, dann wir man automatisch ein Ziel von Regimes und man benötigt Schutz oder Unterstützung.

Was sind die Hauptgründe von Musikzensur?

Ole Reitov: Zensur stützt sich auf Angst. Sie möchten andere kontrollieren, um ihre Macht erhalten zu können. Diktatorischen Regimes, religiöse Fundamentalisten oder größere kommerzielle Interessen wollen gegensätzliche Stimmen, andersartige kulturelle Ansichten und als gefährlich geltende Ausdrücke unterdrücken. Mit Blick auf die Geschichte sind Religion, Politik und Moral die größten „Zensoren“.

An wen richtet sich Ihre digitale Community? Warum sollte man freemuse.org verwenden?

Ole Reitov: Als wir anfingen, wollten wir die Zensur und die Verfechtung der musikalischen Meinungsfreiheit dokumentieren und diskutieren. In diesen Tagen fragten uns viele Menschen, „welche Zensur?“. Heute stellen uns unsere BesucherInnen die Fragen „Wie, wo und wer?“. Wir richten uns an Medien, KünstlerInnen, WissenschaflterInnen, Menschenrechtsorganisationen und ganz normale MusikliebhaberInnen. Sie alle haben sehr unterschiedliche Schwerpunkte und ein verschiedenartiges Hintergrundwissen, so kombiniert die Plattform Nachrichten, Hintergrundartikel, Video-Interviews und ausführliche Berichte. Die verschiedenen Communities nutzen die Website für sehr verschiedene Zwecke.

Wie schützt freemuse.org bedrohte MusikerInnen?

Ole Reitov: Als Organisation arbeiten wir mit einem enorm großen Netzwerk an anderen Organisationen weltweit zusammen. Dazu zählen auch die Unterstützung bei Gerichtsverfahren, die Überwachung der Verfahren, die Unterstützung, um in Kontakt mit sicheren Häfen und vor kurzem sogar sichere Städte zu kommen, die sich um den Wohnraum für KünstlerInnen, die in Gefahr sind, kümmern.

Befürchten Sie nicht, dass Ihre Aktivitäten im Internet blockiert werden?

Ole Reitov: Das Internet wird in vielen Ländern stark gesteuert oder blockiert. Wir geben uns nicht der Illusion hin, von überall aus erreichbar zu sein. In vielen Ländern haben verfolgte MusikerInnen nicht einmal Zugang zum Internet, so sind wir vom Web nicht wirklich abhängig.

Warum haben Sie diese digitale Community aufgebaut?

Ole Reitov: Wir betrachten Freemuse nicht nur als digitale Community. Die Web-Plattform ist sozusagen die „Startseite“ all unserer Aktivitäten. Dazu gehören Kooperationen mit Medien, BloggerInnen, Organisationen usw. und dazu gehören Seminare, Netzwerke, Gruppen, und so weiter. Aber begonnen haben wir, weil niemand sonst etwas getan hat, um das Bewusstsein zu erhöhen. Wir sahen berühmte Musiker, die über den Hunger in Afrika, Überschwemmungen und so weiter sprachen. Alles sehr wichtige Fragen, aber im Gegensatz zu Schriftstellern, die Salman Rushdie unterstützten, sahen wir keinen Sting keinen Gabriel oder Bono, der seine MusikerkollegInnen unterstützte, deren Songs verboten oder selbst verfolgt wurden. Das ist der Grund, warum wir angefangen haben.

Freemuse ist eine internationale Organisation, die die freie Meinungsäußerung für MusikerInnen und KünstlerInnen weltweit befürwortet. Freemuse wurde von Marie Korpe, der Leiterin von 1999 bis 2013 geführt. Derzeit besteht das Team aus Ole Reitov, Mik Aidt und Rikke Nagell. Im Laufe der Jahre waren zahlreiche JournalistInnen, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, Medienschaffende und Aktivisten beteiligt.

Zu sehen sein wird Freemuse im Rahmen der CyberArts Exhibition am Ars Electronica Festival 2014 von 4. – 8. September. In den Prix-Foren, am Samstag den 6. September, haben Sie zusätzlich die Möglichkeit persönlich mit den Künstler zu sprechen.

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