Wer bestimmt, wie unser Leben in 20 Jahren aussehen wird? Welche Technologien werden wir bis dahin entwickeln, welche tagtäglich nutzen? Wie wird sich unsere Gesellschaft verändern? Welche künstlerischen Ideen können uns nützen? Diese Fragen stellt sich „create your world“, die Zukunftsinitiative der nächsten Generation. Im Rahmen der create your world Tour, des create your world Festival und des Prix lädt die Plattform zum Experimentieren, Erforschen und Entwickeln ein.
Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche hier auch selbst zu Wort kommen. Sie sind IdeengeberInnen, ForscherInnen, EntwicklerInnen und MacherInnen. Sie sind es, um die es geht. Beim Prix Ars Electronica u19 – create your world werden ihre Ideen ausgezeichnet und eine ganze Reihe weiterer Projekte entdeckt. Wir haben Hans Christian Merten und Marion Friedl getroffen, die die vielen Aktivitäten von create your world das ganze Jahr über entwickeln, umsetzen und vorantreiben.
Was ist das für ein Wettbewerb, der Prix Ars Electronica u19 – create your world? Worum geht’s da?
Hans Christian Merten: Man sollte für den Prix in der Kategorie u19 – create your world einreichen, weil es der einzige Wettbewerb ist, wo man wenig Einschränkungen hat in Hinblick darauf, was man einreichen kann. Es ist fast wie ein Gewinnspiel, aber ein hochqualitatives Zukunftsgewinnspiel. Es geht darum, die Sichtweisen und Ideen von Jugendlichen zu erfahren, um als Ars Electronica immer wieder neu reflektieren zu können, ob wir am richtigen Weg sind. Das führt dazu, dass wir sagen:
„Zeig uns, womit du dich gerade beschäftigst und was dich beschäftigt: Etwas Tolles, Kritisches, etwas, das dich ärgert, das dich freut. Zeig uns deine Sicht auf die Welt, auf die Zukunft der Welt!“
Das klingt auf den ersten Blick dramatisch, aber diese Sichtweise kann sich auch in einer Zeichnung oder Idee wiederfinden, das muss noch keine konkrete Form haben. Durch unsere Erfahrung und mithilfe der Jury bringen wir eure Ideen dann in eine relevante Form. Den Wettbewerb zeichnet aus, dass er so offen wie nur möglich ist und die einzige Vorgabe Zukunftsrelevanz ist.
Gerade weil dieser Wettbewerb von Ars Electronica ausgerichtet wird, ist es die einzige Kategorie, in der es nicht ausschließlich um Medienkunst, um neue Verfahren und komplexe Technologien geht. Bei uns geht es mehr um die Ars als um die Electronica. Es geht mehr um das Analoge, es geht um die Zukunft. Das Haptische steht im Vordergrund und es ist zum Beispiel voll okay, uns eine Einreichung postalisch zuzuschicken – darüber freuen wir uns! Die Umwelt ist für uns relevant – immer schon, nicht erst, seit das Thema populär geworden ist.
Was heißt eigentlich create your world?
Hans Christian Merten: Übersetzt heißt es: Gestalte deine Welt! Das ist alles.
Marion Friedl: Es ist eine Aufforderung und durchaus wörtlich zu verstehen! Das Rufzeichen ist besonders wichtig!
Welche Einschränkungen gibt es trotzdem?
Hans Christian Merten: Die einzige Einschränkung, also wann man bei uns nicht richtig ist, ist wenn man sagt: „Früher war alles besser!“ Man sollte eher sagen: „In Zukunft sollte es so oder so sein.“ Wir suchen positive wie auch negative Zukunftsszenarien.
Ok, jetzt kenn ich mich schon besser aus. Aber was bringt es mir, da einzureichen?
Marion Friedl: Wo gibt es das sonst, dass man so frei sagen kann, was man sich vorstellt und dazu auch noch Feedback bekommt? Wo sonst hört mir jemand zu, wo kann ich umfassend alles erzählen, was mir auf dem Herzen liegt? Wo sonst bekomme ich Rückmeldung, werde ernst genommen und bekomme einen Vergleich mit anderen Projekten? Das gibt es sonst nirgends. Wir nehmen deine Visionen ernst und geben dir Feedback!
Hans Christian Merten: Wir suchen keine Superstars! Wir sind kein Wettbewerb, wo du dich verstellen musst. Wir sind mittlerweile zu einer Talenteförderung geworden und haben es uns zur Aufgabe gemacht, Talente zu entdecken. Diese versuchen wir dann auch weiterzuvermitteln an unsere Kooperationspartner und sie daran zu erinnern: Da ist eine Generation, die etwas kann, die was draufhat!
Wir maßen uns nicht an, zu bestimmen, welche Themen in Zukunft Relevanz haben. Wir stellen lediglich fest, dass es ein Talent gibt, das gefördert gehört. Wir wollen das Talent nicht verformen und in Kategorien stecken, sondern wir nehmen es, wie es ist, wie es eingereicht wurde und vermitteln es genau so weiter. Zum Beispiel für einen Sommerjob, bei dem du dein Talent weiterentwickeln kannst. Aus dem Pool von Einreichungen wird über Jahre hinweg immer wieder ausgewählt. Es kann also sein, dass du letztes Jahr eingereicht hast und 2020 kontaktieren wir dich dann, um dein Projekt international vorzustellen.
Jedes andere Format versucht, ein Konzept zu schaffen, und die Talente dementsprechend zu verformen – sei es das Schulsystem oder Deutschland sucht den Superstar. Genau das wollen wir nicht! Wir nehmen, was da ist und schauen, wo das Talent zum Einsatz kommen kann – genauso wie es ist. Wir wollen motivieren und belohnen, auch unabhängig davon, ob man beim Prix gewonnen hat oder nicht. Wir stellen auch Projekte aus, die nicht gewonnen haben, oder wählen sie für Folgeprojekte aus.
Was passiert dann, wenn ich tatsächlich gewonnen habe?
Marion Friedl: Zuerst einmal trifft sich jedes Jahr die fünfköpfige Jury, die sich immer wieder neu zusammensetzt. Sie schaut sich aus dem Pool an Einreichungen jede einzelne Einreichung genau durch und gibt letzten Endes zu jedem Projekt Feedback. Dadurch bekommt die Jury ein umfassendes Bild der Stimmungen, der Werkzeuge und Ausdrucksmöglichkeiten, die unter den verschiedenen Altersgruppen existieren, welche Themen für sie wichtig sind und was sie beschäftigt. Daraus wird herausgefiltert, welches die besten Projekte in den Kategorien Young Creatives und Young Professionals sowie dem Spezialpreis sind.
Die PreisträgerInnen werden außerdem stark involviert in die Präsentation ihrer Projekte beim Festival, sie sind selbst am Festival präsent und können über ihre Ideen und Visionen sprechen. Daraus ergeben sich wiederum neue Kontakte, Netzwerke und somit (Job-)Möglichkeiten für die Kinder und Jugendlichen.
Was hat man am Ende davon? Die Preise natürlich. Es gibt eine Preisverleihung, man lernt Menschen kennen, man kommt ins Gespräch mit anderen GewinnerInnen und kann gegenseitig voneinander profitieren, woraus möglicherweise andere Projekte entstehen.
Aber auf der anderen Seite auch den immateriellen Gewinn, die Kontakte, die Netzwerke: Kürzlich waren PreisträgerInnen am Medienkunstfestival in Dresden und kamen ganz gehypet zurück, weil sie mit vielen anderen Leuten in Kontakt kamen, die schon einmal ähnliche Phasen in der Projektgestaltung durchgemacht haben, wie sie selbst. Das hat sie ungemein weitergebracht!
Angenommen ich bin super schüchtern und will nicht auf die Bühne und in die Öffentlichkeit, ist das dann überhaupt was für mich?
Hans Christian Merten: Alles geht! Es zeichnet uns aus, dass wir sehr individuell agieren statt systematisch. Hauptsächlich wollen wir Anlaufstelle sein für jene Projekte bei denen zwar jeder sagt: „Cool was du machst“ aber niemand einen Container dafür findet. In der Schule hört man im besten Fall: „Cool was du machst, Marie, aber jetzt haben wir Mathematik.“ Wir greifen das trotzdem auf und geben dir Möglichkeiten in die Hand.
Ein gutes Beispiel ist Plottegoino. Benjamin Aster hat aus Lego einen Plotter gebaut – grundsätzlich ein tolles Projekt, aber an sich nichts Brandneues, nichts, das es noch nicht gibt. Das Legobauen ist das größte Hobby dieses Kindes, er hat sich intensiv damit beschäftigt und er hat nach Möglichkeiten gesucht, wie er einen Plotter nachbauen kann. Er hat sich eine Lösung ausgedacht, auf einzigartige Weise. Dazu gibt es aber Anleitungen im Internet, Open Source, er hat nichts Neues erfunden. Lediglich seine Begeisterung ist einzigartig. Er hat uns gezeigt, dass er extrem gerne Lego baut und womit er sich beschäftigt.
Das Projekt an sich ist also nicht bedeutungsschwanger, hat keine große Zukunftsrelevanz, es ist einfach ein Ausschnitt aus seinem Leben und zeigt, womit er sich beschäftigt. Wir haben uns die Frage gestellt, ob das Kind nicht Interesse daran hätte, sein Interesse auch anderen zu zeigen. Dieses Projekt haben wir zum Beispiel nach Budapest, zu einem anderen Medienkunstfestival geschickt, wo er es präsentiert hat. Das fiel ihm sehr leicht, weil er ja nur über seine Begeisterung reden musste. So bekam das Thema plötzlich wieder Relevanz und Wertschätzung.
Marion Friedl: Auf dem Festival selbst hat er auch mit großem Eifer und Engagement daran gearbeitet, dass das Projekt ausgestellt wird und die BesucherInnen es sehen und ausprobieren können – auch, als etwas nicht funktioniert hat. Dieses Engagement ist noch größer, wenn das Kind oder der Jugendliche merkt, dass es Wertschätzung dafür bekommt, was es macht.
Dazu kommt, dass das Projekt von anderen Seiten betrachtet wird, wenn ich es anderen zeige. Es entsteht ein Diskurs und man bekommt andere Blickwinkel – von innen und außen. Das leistet der Wettbewerb.
Wenn wir das ganze Jahr betrachten – was macht create your world noch, neben diesem Großprojekt Prix Ars Electronica u19 – create your world?
Marion Friedl: Wir haben einerseits jedes Jahr das Jugendbegegnungsprojekt – eine Kooperation mit Medienkunstfestivals, im Rahmen dessen wir Projekte austauschen. Das heißt wir schicken Projekte zu anderen Festivals, und zu unserem Festival kommt eine KünstlerIn, die dann innerhalb von fünf Tagen ein Projekt mit Jugendlichen erarbeitet. Das Ganze gibt es seit 2013.
Das Young Animation Program ist ebenfalls ein jährlich wiederkehrendes Format, bei dem wir Animationen der Prix-Einreichungen bei u19 innerhalb unseres Animationfestivals zeigen. Dazu kommen Filme unserer PartnerInnen in Europa.
Hans Christian Merten: Allgemein könnte man sagen: Wir betreiben einen intensiven internationalen Jugendaustausch – sowohl mit Medienkunstfestivals wie auch etwa mit den Kulturhauptstädten Europas. Auch diesen sind Kinder und Jugendliche sehr wichtig für die Regional- und Stadtentwicklung auf einer künstlerischen Ebene.
Über die create your world Tour gehen wir seit 2015 in das bestehende Bildungssystem hinein, allerdings auf experimentelle Art und Weise, denn wir reflektieren das Format ständig neu. Wir gehen auf KünstlerInnen zu und schauen uns an, wie wir das Projekt, das sie beim Festival gezeigt haben, mobilisieren können, um es an Schulen zu bringen. Das heißt wir bringen brandaktuelle, sich teilweise noch in Entwicklung befindende Projekte sofort in Bildungseinrichtungen.
Vielleicht lässt sich die Arbeit von create your world und die Möglichkeiten unserer Plattform am besten anhand eines konkreten Beispiels erklären. Nehmen wir „In Reactio Veritas“: Das Projekt wurde als Konzept zum Prix eingereicht, es hat nicht gewonnen. Die Jury hat es nicht als Gewinnerprojekt ausgewählt. Im Zuge einer Kooperation mit der PH und der AK, die Projekte im Rahmen eines Sommerjobs gefördert haben, haben wir die Jugendlichen animiert, das Konzept fertigzustellen. Das Projekt wurde dann als Open Lab ausgestellt, BesucherInnen konnten interagieren und testen. Anschließend wurde es mobilisiert, um auf create your world Tour zu gehen und es so an andere Jugendliche weiterzugeben. Die Einreichung an sich war noch nicht ausgereift: kein Video, kein fertiges Projekt – einfach eine Idee. Ein Jahr später war das Projekt fertig, hat internationales Interesse geweckt und ist auf Tour in Schulen gegangen, um sich zu präsentieren. Diese Möglichkeiten können wir bei create your world bieten.
Seit 2013 ist Hans Christian Merten Leiter der Initiative create your world der Ars Electronica. Er studierte Audiotechnik und – Design in Wien und absolvierte diverse Lehrgänge an der Bruckneruniversität Linz. Von 2002 bis 2010 war er Lehrender an der Fachhochschule Hagenberg (Medientechnik und Design) und an der BHS für Kommunikation und Medien in Freistadt. 2010 – 2013 war er künstlerischer Leiter des mehrfach preisgekrönten Festivals „kult – das neue Mühlfestival“ in Freistadt und ist seit 2005 selbständiger Künstler und Leiter des Projektstudios Music for Film & Media in Gutau (OÖ).
Marion Friedl ist seit 2015 Projektmanagerin bei create your world und als solche für den Prix Ars Electronica in der Kategorie „u19 – create your world“ zuständig. Sie studierte Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität in Graz und war dort bei diversen Kunst- und Kulturinstitutionen tätig. Unter anderem arbeitete sie von 2011 bis 2015 in der Architekturvermittlung im Haus der Architektur Graz und 2014 als Projektassistentin im < rotor > Verein für zeitgenössische Kunst.
Wenn du zwischen 0 und 19 Jahren alt bist, bist du herzlich eingeladen, am Prix Ars Electronica u19 – create your world teilzunehmen. Hier kannst du dein Projekt, deine Ideen, Bilder, Modelle oder was dir sonst noch so einfällt, einreichen.
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