Die Zukunft unterm Kopfkissen

Ars Electronica Center, Credit: Ars Electronica / Martin Hieslmair

Bei Podcasts liegt die Sache schon ganz anders – da lernen wir wirklich was, während wir zuhören und trotzdem noch was anderes tun können. Oder wir erfahren etwas, das uns interessiert. Oder etwas, worüber wir noch nie nachgedacht haben. Oder etwas, das unser Leben verändert. Win-win-Situation, wie man ganz neumodisch sagen würde.

Covid-19 beeinflusst unser Leben und unsere Zukunft in einem Maße, das wir noch gar nicht abschätzen können. Aber auch abseits davon ist unsere Zukunft einen genaueren Blick wert: Künstliche Intelligenz, virtuelle Realitäten, digitaler Humanismus – zu all diesen futuristischen Themen entsenden wir ein Mal im Monat eine Expertin oder einen Experten zu Life Radio, um sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Reporter unseres Vertrauens ist Benjamin Hartwich. Gemeinsam überlegen wir uns Themen am Puls der Zeit, die es von den Think Tanks der Intellektuellen an die Stammtische der Bürgerinnen und Bürger schaffen sollten. Oder anderes gesagt: In diesem Podcast diskutieren wir über die Zukunft – technologisch und philosophisch.

Die Gegenwart ist ja bereits digital und wir kommunzieren täglich über viele Plattformen miteinander. Ich möchte gemeinsam mit der Ars Electronica beleuchten, was da eigentlich im Hintergrund passiert und wohin wir uns als Gesellschaft mit Technologie auch positiv entwickeln können. Denn ohne Technologie wird es auch in Zukunft nicht mehr gehen.
Benjamin Hartwich

Hier findet ihr alle Episoden: https://www.liferadio.at/zukunftspodcast?fbclid=IwAR134zq0bMRzasSWIRB4YL7M2q9s_F0w2XGZdGSv-bwCx2Lo6Di6hVmMf0o

„Die Technologie ist nicht schuld“

Im ersten Zukunftspodcast von Life Radio und Ars Electronica steht Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter von Ars Electronica, selbst Rede und Antwort. Als Kulisse dient das erst im Mai zuvor neu eröffnete Ars Electronica Center, das sich unter dem Titel „Compass – Navigating the Future“ ausgiebig mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. Während das Museum der Zukunft sichtbar technologieaffin daherkommt, ist es diese visuelle Präsenz, die man auch vermissen könnte. Wir wollen Hilfestellungen und Dienstleistungen, die unser Leben, unseren Alltag erleichtern – die Hardware zu sehen bringt aber keine Vorteile.

Gerfried Stocker im Ars Electronica Center, photo: Ars Electronica / Martin Hieslmair

In letzter Zeit flammen immer wieder Diskussionen auf, die nach dem Grad der Selbstbestimmtheit fragen, wenn es um digitale Nutzung geht. Welche Rechte und Möglichkeit haben NutzerInnen? Wieviel digitales Eremitentum ist notwendig? Wo bleibt die Menschenwürde neben den Gewinnmaximierungsbestrebungen von Großkonzernen?

Wenn die nahe Vergangenheit eines gezeigt hat, dann die Mitbestimmungsmöglichkeiten des Einzelnen – allein die Klimabewegung bringt Millionen Menschen für ein Ziel auf die Straße. Genau diese Möglichkeit birgt aber natürlich auch Verantwortung in sich: Schuldzuweisung oder Ablehnung von Technologie ist kontraproduktiv, vielmehr gilt es sinnvolle Symbiosen zu finden. Raus aus der pessimistischen Passivität und rein in die verantwortungsvolle Aktivität.

Warum Menschen immer zwischen den Extremen pendeln, warum der Begriff Künstliche Intelligenz missverständlich ist und warum wir endlich anfangen müssen zu definieren, was wir wollen – dafür könnt ihr euch jetzt den Laptop unter’s Kopfkissen legen oder einfach den Podcast hören:
https://audio.liferadio.at/2019/10/die-technologie-ist-nicht-schuld/

Mit der Kraft meiner Gedanken Gegenstände steuern

Was Technologie schon kann und wie das gar nicht anders als positiv bewertet werden kann, zeigt sich im Bereich der Brain Computer Interfaces, kurz BCI, im Ars Electronica Center. Das ist noch kein USB-Anschluss am Kopf, mittels dem man eine neue Sprache einfach ins Hirn lädt, wie es in Science Fiction-Filmen immer wieder vorkommt, aber es ist auch keine reine Zukunftsmusik.

Christoph Guger von g.tec erforscht seit zwei Jahrzehnten die Möglichkeiten, von Brain Computer Interfaces im medizinischen Bereich: Bei Menschen können nach einem Schlaganfall so Reaktionen initiiert werden, mehr als die Hälfte aller WachkomapatientInnen kann zumindest zeitweise mittels einfacher Ja/Nein-Kommunikation mit der Außenwelt in Kontakt treten und irgendwann wird der Zeitpunkt gekommen sein, zu dem ein vollständig Gelähmter sich eines künstlichen Körpers bedienen kann. Oder statt eines menschlichen Journalisten ein Avatar in ein Krisengebiet geschickt werden.

recoveriX: Schlaganfall-Rehabilitation/ g.tec medical engineering, vog.photo

Wie dies funktioniert, kann im Ars Electronica Center getestet werden – Erika Mondria, Supervisor Brain Projects, erklärt und unterstützt bei der Anwendung von recoveriX, mindBEAGLE und hat mit my brain code 1.0 eine künstlerische Arbeit geschaffen, die sich genau mit diesem sichtbar- und messbarmachen von individuellen Gehirnoszillationen beschäftigt. BesucherInnen können ausprobieren, ob die Installation die Stadt erkennt, an die sie gerade denken.

Klingt spannend? Ist es auch! Der vollständige Podcast ist hier nachzuhören: https://audio.liferadio.at/2019/11/mit-der-kraft-meiner-gedanken-gegenstaende-steuern/

Geschenkideen von Amazon machen wenig Sinn

Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, interessierten sich auch für den folgenden. Wer hat noch keine Odyssee durch irgendeinen Onlineshop gemacht, ständigen Empfehlungen folgend? Aber wie sind diese Vorschläge zu interpretieren? Bringen sie etwas, wenn die zündende Geschenkidee fehlt? Und wird Onlineshopping alle Läden zum Schließen bringen?

Am Christkindlmarkt trifft Life Radio-Reporter Benjamin Hartwich auf Ali Nikrang, Key Researcher am Ars Electronica Futurelab und durch seine Studien von Computer Science und Komposition derzeit ein gefragter Mann. So war er maßgeblich an der Ausstellungsgestaltung von Understanding AI und AI x Music beteiligt und konnte – gemeinsam mit dem Bruckner Orchester Linz – der unvollendeten Symphonie Gustav Mahlers eine mögliche Vollendung einräumen. In vielen Interviews hat er uns seither geduldig sein Tun erklärt und den Ars Electronica Blog so bereichert.

Ali Nikrang am Bösendorfer 290 Imperial CEUS, vog.photo

Selbstverständlich ändert sich die Welt laufend, Digitales – und damit auch die unterschiedlichen Anwendungen von Künstlicher Intelligenz – hält Einzug in unser Leben und verändert, wie wir einkaufen oder wie wir Informationen beziehen. In einer Fülle von Angeboten kann mittels KI unsere Aufmerksamkeit gelenkt werden. Das geschieht mittels Data Processing: das System sieht sich unzählige Suchen an, vergleicht diese miteinander, sucht und findet Ähnlichkeiten und schlägt dieses wechselseitig vor. Je größer die Datenmenge wird, je mehr Kunden dieses Portal benutzen, desto mehr kristallisiert sich der Durchschnitt als optimaler Absatzmarkt heraus. Amazon ist quasi vergleichbar mit einer Autobahn, wo alle in dieselbe Richtung fahren – was gut ist, wenn man schnell wo sein will. Aber manchmal muss man auch abfahren und seinen persönlichen Weg gehen.

Warum das Erleben nicht von einer KI übernommen wird, warum ihr mit den Empfehlungssystem von Amazon nicht den Preis für den kreativsten Schenker erhaltet und ob „Last Christmas“ auszuschalten ist, erfahrt ihr im Podcast: https://audio.liferadio.at/2019/12/geschenkideen-von-amazon-machen-wenig-sinn/

Dein Leben wird von Daten beeinflusst, die du bereitwillig preisgibst

Spuren im Internet geben Informationen preis, wer wir sind. Big Data ist der Begriff dazu. Dabei geht es nicht um den Einzelnen, sondern um die große Menge. Über die Sammlung von großen Datenmengen lässt sich sehr viel über die Gesellschaft sagen, über das, was begehrt wird, über das was derzeit interessiert oder eben, was sich gut verkaufen lässt.

Wie dem begegnet werden kann? Ars Electronica versucht es über die Kombination von Gesellschaft, Technologie und Kunst. Denn um überhaupt mitreden zu können, braucht es zuallererst einen Zugang: einen öffentlichen Ort wie ein Museum, einen spielerischen Ansatz über die Kunst und natürlich über die richtigen Themen.

Peter Freudling, Erwin Reitböck, Horst Hörtner, vog.photo

Peter Freudling, Lead Producer am Ars Electronica Futurelab, gibt Einblicke in die Funktionsweise von Big Data und den immer wiederkehrenden Faktor Mensch: https://audio.liferadio.at/2020/01/dein-leben-wird-von-daten-beeinflusst-die-du-bereitwillig-preisgibst/

Warum Siri deine Oma nicht versteht

Die Roboterpsychologin Martina Mara hat nicht unbedingt R2D2 auf ihrer Couch liegen, vielmehr konzentriert sie sich in ihrer Forschung auf die menschliche Perspektive in der Beschaffenheit Künstlicher Intelligenz. Die Kommunikation funktioniert dann gut, wenn Menschen sich sicher fühlen – was nicht der Fall ist, wenn Maschinen zu stark vermenschlicht werden und auch nicht, wenn die Angst besteht, von diesen ersetzt zu werden. Immer wieder sollten wir uns vergegenwärtigen, dass wir es sind, die Künstliche Intelligenz schaffen – mit allen Vor- und Nachteilen.

Martina Mara am Ars Electronica Festival 2019, photo: Philipp Greindl

Immer wieder fällt auf, dass verschiedene Menschengruppen etwa von Spracherkennungssystemen wie Siri oder Alexa schlecht verstanden werden. Frauen generell sowie ältere Menschen. Das kommt daher, wie sie programmiert werden und wovon sie lernen, nämlich große Mengen menschlicher Sprachaufnahmen. Dort, wo dies geschieht, sitzen aber vor allem junge, weiße Männer und durch diese Überrepräsentation kommt es zu einer Schlechterstellung der anderen.

Es ist wichtig, dass verschiedene Gruppen bei dieser Entwicklung teilhaben, damit es eine möglichst große Diversität gibt. Nicht nur, was Männer und Frauen angeht, sondern eben auch ältere Menschen und generell verschiedene Disziplinen oder fachliche Hintergründe wie Sozialwissenschaft, Philosophie, Kunst – unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Mindsets.

Ihr wollt mehr über Stereotype, türkische Übersetzungen und Hiroshi Ishiguros Doppelgänger wissen. Wir sagen, es lohnt sich: https://audio.liferadio.at/2020/01/warum-siri-deine-oma-nicht-versteht/

Das Schubladen-Denken ist das Problem

Künstliche Intelligenz mit all ihren unterschiedlichen Anwendungsgebieten löst immer wieder Debatten aus. Auch das Sammeln von Daten, also Big Data, gibt wiederholt Stoff für Diskussion. Zuletzt sorgte das Arbeitsmarktservice für einen Aufschrei, als bekannt wurde, dass Arbeitssuchende künftig per Algorithmus eingeteilt und bewertet werden sollen.

Horst Hörtner at the Spaxels Concept Demo, vog.photo

Horst Hörtner, Director des Ars Electronica Futurelab, sieht das Problem aber weniger in der Künstlichen Intelligenz selbst, sondern im schubladisieren. Entscheidet ein Algorithmus rein aufgrund von Statistiken, dann haben Frauen mit vielen Kindern bei Weiterbildungsmaßnahmen schlechte Chancen. Im Umkehrschluss hieße das aber auch, dass Ursula von der Leyen, ihres Zeichens Mutter von sieben Kindern und Europäische Kommissionspräsidentin, am Arbeitsmarkt schwer vermittelbar sei. Das nennt sich Vorverurteilung.

Insofern ist über allem essentiell, neben Aufklärung auf vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen. Die Entscheidung, wer die Entscheidung trifft, muss offen diskutiert werden. Künstliche Intelligenz ist darauf ausgelegt, statistisch zu entscheiden, da gibt es keine Trefferquote von 100 Prozent. Das mag bei personalisierter Werbung okay sein, sobald es aber um Lebensentscheidungen geht, ist eine Fehlerquote über der menschlichen fatal.

Was die Gretchenfrage ist, wofür OT steht und warum wir das öfter hören werden und wer die U-Bahn in Tokio lenkt, erfahrt ihr im Podcast: https://audio.liferadio.at/2020/03/das-schubladen-denken-ist-das-problem/

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