Am Puls der Zeit

, Foto: vog.photo

Die große Schau der Medienkunst findet erneut im OÖ. Kulturquartier statt, das mit dem ehemaligen OK Centrum für Gegenwartskunst einen der größten Akteure der 2020 geschaffenen OÖ Landes-Kultur GmbH mit dem neuen Direktor Alfred Weidinger ist. Die Ausstellung läuft von 7.–12. September – und wer es ganz genau wissen will, kann eine der geführten Touren in Anspruch nehmen.

Um mehr über Herangehensweise und Ablauf, ausgestellte Arbeiten, Trends im Umgang mit der Pandemie und die Themen der Zeit zu erfahren, haben wir mit Genoveva Rückert, Kuratorin, und Petra Fohringer, Exhibitionmanagement von der OÖ Landes-Kultur GmbH und mit Emiko Ogawa, Head of Prix Ars Electronica, gesprochen.

Seit 1998, nunmehr 23 Jahren, findet die CyberArts-Ausstellung im OÖ Kulturquartier statt. Erzählt doch, wie diese Zusammenarbeit abläuft.

Emiko Ogawa: Jedes Jahr im Frühling findet die Jurysitzung des Prix Ars Electronica statt, wo durch eine internationale Fachjury die besten Arbeiten aus allen Einreichungen prämiert werden. Ab diesem Zeitpunkt sind wir mit den Gewinner*innen in Kontakt. Pro Kategorie haben wir jeweils eine goldene Nica, zwei Distinctions und 12 Honorary Mentions.

Genoveva Rückert: Gemeinsam besprechen wir, welche Werke am relevantesten sind, um ein Gesamtbild des Prix und seiner Jurys zu repräsentieren. Gleichzeitig achten wir auch darauf, dass die Ausstellung ein guter Erlebnisraum wird. Wo am Gelände wird was seinen Platz haben? Wird ein Projekt besser am Festivalgelände gezeigt, bei uns oder teilen wir es? Rashin Fahandejs „Father’s Lullaby“ ist ein geteiltes Projekt, ebenso wird Khyam Allami, der Isao Tomita-Preisträger, bei uns und im Deep Space 8K im Ars Electronica Center präsentiert.

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Petra Fohringer: Auch dieses Jahr gilt es, verschiedene Restriktionen wegen Covid-19 zu bedenken. Das macht zu Beginn keinen großen Unterschied, wir kommunizieren über E-Mail oder treffen uns virtuell auf Zoom oder Skype. Schade ist allerdings, dass wir nicht so viele Künstler*innen einladen können wie früher. Auch innerhalb der Ausstellung müssen wir den Einfluss von Corona bedenken, etwa wie wir mit Kopfhörern und Touch-Displays umgehen. Können wir ein Kunstwerk zeigen oder könnte das ein Problem werden? Im Falle von VR-Brillen haben wir zum Beispiel beschlossen, sie nicht zu verwenden.

Wird auch die Erfahrung für die Besucher*innen anders sein?

Petra Fohringer: Ja sicher, wobei ich vielmehr glaube, dass es an den Besucher*innen selbst liegt, dass es anders ist. Wir alle haben im letzten Jahr so viel gelernt, das kann man nicht einfach ausklammern. Wenn man jetzt einen Raum betritt, denkt man sofort darüber nach, ob etwas berührt werden darf – aber weniger aus künstlerischer denn aus gesundheitlicher Perspektive. Unsere Gewohnheiten haben sich geändert.

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Genoveva Rückert: Nichtsdestotrotz wird die Ausstellung spielerisch und interaktiv sein und so opulent wie möglich, damit die Besucher*innen eine gute, beeindruckende Erfahrung machen. Auf dem Ausstellungsparcours sollen sie wirklich in die Werke eintauchen – dafür stellen wir gute, dichte Texte zur Verfügung, zumal es ja ausführliche Infos im von der Ars Electronica produzierten CyberArts-Katalog gibt. Auch dieses Jahr endet die Ausstellung im Höhenrausch, der für die CyberArts-Besucher*innen kostenlos ist. Es ist übrigens der letzte Höhenrausch – eine Ära geht zu Ende.

CyberArts 2020, Salzburger Zyklus, Valie Export, Foto: vog.photo

Zieht sich ein Thema durch die Projekte? Ist ein Trend zu erkennen?

Genoveva Rückert: Der Aufstieg und Fall von Gesellschaften!

Emiko Ogawa: Viele Künstler*innen haben sich mit der Frage von Menschlichkeit beschäftigt, kombiniert mit technologischen Informationen und technologischem Umgang. Gleichberechtigung, Diversität, Umgang mit Minderheiten sind dabei ein großes Thema. Das ist, glaube ich, eine Art Trend, dass sich Künstler*innen ernsthaft mit dieser Art von sozialen Themen auseinandersetzen, aber eben auf künstlerische Art und Weise. In der Musikkategorie etwa gab es viele Einreichungen mit sozialem Hintergrund, umgesetzt mit einer Klangperspektive. In den letzten Jahren waren es vorrangig Projekte, bei denen es um künstlerische Klangqualität oder um Variationen von Klangerzeugung ging. Nun geht es nicht um den Sound an sich, sondern um den Inhalt. Vielleicht liegt es an der Pandemie und den Erfahrungen damit. Vielleicht ändert sich das auch wieder, aber wir waren wirklich überrascht über die Ähnlichkeiten in den Kategorien.

Genoveva Rückert: Vielleicht liegt es daran, dass wir im Moment mit so vielen Krisen konfrontiert sind. Es gibt die Corona-Krise und die Klimakrise und weitere gesellschaftliche Themen wie Diversität und Gender. Wie eine Gesellschaft mit Minderheiten umgeht, sagt viel darüber aus, wie diese Gesellschaft politisch zu sehen ist, auch kulturpolitisch. Aktuelle gesellschaftspolitische Themen sind es, die der Prix Ars Electronica jedes Jahr widerspiegelt.

Gibt es wieder ein Prix-Forum?

Emiko Ogawa: Ja, gibt es. Es wird sonntagnachmittags am Festivalgelände, genauer im Studio des Zirkus des Wissens in Kepler’s Gardens, stattfinden, weil es fast vollständig ein Online-Format ist. Die einzelnen Sessions wurden gestrafft und dauern nun 45 Minuten. Sie sollen einen Einblick in Motivation und Produktionsweise der*des Künstler*in geben und die Möglichkeit bieten, mit ihnen zu diskutieren. Die Moderation wird von einem Jurymitglied übernommen.

Eine der Kategorien 2021 ist Artificial Intelligence & Life Art, die jüngste und sehr aktuell. Welche Projekte werden in der CyberArts-Ausstellung gezeigt?

Genoveva Rückert: Die Goldene Nica geht an Forensic Architecture, eine Rechercheagentur, die Überwachungstechnologien sowie wissenschaftliche Modellierungs- und Simulationstechniken im humanitären Bereich einsetzt. „Cloud Studies“ analysiert toxische Wolken, seien es Gase gegen Menschen oder Vegetation oder andere gewalttätige Formen von Gewalt aus der Luft.

Cloud Studies, Forensic Architecture, Foto: Forensic Architecture

Emiko Ogawa: Eine Distinction geht an „The Museum of Edible Earth“, ein sehr sinnbildliches Projekt, passend zum Festivalthema. Die Ausstellungsversion ist im Ars Electronica Center und in Kepler‘s Gardens zu finden. Zudem wurden Partner und Gärten dazu aufgerufen, Erde bzw. Videos vom Essen von Erden zu schicken.

Genoveva Rückert: Ein gutes Beispiel für den Gender-Diversity-Aspekt ist Adriana Knouf und tranxxeno lab mit „TX-1“. Im Bereich von Black Lives Matter ist „Slave Rebellion Reenactment“ von Dread Scott anzusiedeln. „The Cleanroom Paradox“ sagt viel über das vermeintlich saubere Image von Hightech.

Emiko Ogawa: Eine lokale Arbeit ist „Transparency of Randomness“, die bereits letztes Jahr am Festivalgelände zu bestaunen war. Dieses Jahr bekam es eine Honorary Mention beim Prix Ars Electronica und wird im Hauptsaal des Ursulinenhofs gezeigt.

Wie sieht es bei Digital Musics and Sound Art aus?

Genoveva Rückert: Die Goldene Nica „Convergence“ von Alexander Schubert ist ein klassisches Bühnenstück mit Schauspieler*innen, Musiker*innen auf der Bühne, die von einer künstlichen Intelligenz arrangiert werden.

Emiko Ogawa: Es handelt sich gewissermaßen um eine kollaborative Musikperformance zwischen den menschlichen Spieler*innen und der künstlichen Intelligenz. Im ersten Teil wird großteils gelernt und gescannt – und dann beginnen sie zusammenzuarbeiten. Dadurch erlebt man mit, wie die künstliche Intelligenz denkt, also wie die Maschine den Menschen sieht. Ein seltsames, unheimliches Gefühl entsteht unmittelbar.

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Genoveva Rückert:A Father’s Lullaby“ ist eine unmittelbare, immersive Installation. Die Künstlerin erforscht darin die Rolle von Vätern bei der Erziehung, vor allem was dann geschieht, wenn diese Väter im US-amerikanischen Strafvollzug sitzen. Sie vereint Träume und Wünsche und Kindheitserinnerungen in Schlafliedern und reflektiert in diesem Projekt den systemimmanenten Rassismus.

Petra Fohringer: Es ist sehr poetisch und schön. Wenn man im Raum herumwandert und Stationen aktiviert, bekommt man eine Menge Geschichten zu sehen.

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Ein sehr analoges Werk hingegen ist „Organ Scape“ von Xoán Xil López, das er für ein Orgelpfeifenfestival kreiert hat. Die Installationsstücke sehen aus wie Stühle, die Musik machen. Es ist immens wichtig, physische und damit sinnliche Ausstellungsstücke zu haben.

Die Computer Animation ist die „Ur-Prix-Kategorie“ überhaupt…

Genoveva Rückert: Das Gewinnerprojekt der Computer Animation, „When the Sea sends Forth a Forest“ von Guangli Liu reflektiert den Trend zu gesellschaftspolitischen Themen. Es beschäftigt sich mit der Herrschaft der Roten Khmer in Cambodia in den 1970er Jahren, während der auch 200.000 Menschen chinesischer Abstammung ums Leben kamen. Da es von dieser Zeit kaum Aufnahmen gibt, versucht dieses Werk sich über Animationen an diese Geschichte des Verlustes anzunähern.

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Auch Veneta Androva mit AIVA ist mit ihrem Porträt eines weiblichen Androiden ganz am Puls der Zeit – in dem Fall beim Genderthema. Das Produkt ist ein sehr klischeehaftes Porträt der Roboter-Künstlerin.

Emiko Ogawa: Die zweite Distinction, Erick Oh mit „Opera“, ist ein brillantes Stück mit Tausenden kleinen Figuren. Wir haben es letztes Jahr schon im Deep Space gezeigt, dazwischen wurde es sogar für die Academy Awards nominiert und ist damit geradezu berühmt. Auch wenn das Werk selbst nur ein paar Minuten dauert, kann man Stunden damit verbringen.

Dieses Jahr wurde erstmals der Isao Tomita Special Prize vergeben. Erzählt doch etwas dazu.

Emiko Ogawa: Isao Tomita ist ein legendärer Künstler, ein Pionier elektronischer Musik. Er hat sich mit dem Synthesizer auseinandergesetzt, als noch niemand vermutete, dass das ein neues Musikinstrument sein könnte. Er verband moderne Technik mit klassischer Musik und inspirierte viele Menschen, neue Möglichkeiten der Klangerzeugung zu versuchen.

Genoveva Rückert: Zu dieser Zeit kamen Synthesizer gerade auf, ähnlich wie in der Entwicklung des Mediums Video wurde diese von Künstler*innen mitgeprägt.

Emiko Ogawa: Der Preisträger des Isao Tomita Special Prize, Khyam Allami und Counterpoint, schuf mit der Arbeit „Apotome“ ein wunderbares Beispiel für die Kombination von aktueller Technologie mit traditioneller Kultur und Musik. Bei dem Projekt selbst handelt es sich um eine Online-Anwendung, durch die auch abseits des klassischen westlichen Kanons komponiert werden kann.

Genoveva Rückert: Es ist eine Alternative, um andere Musiktraditionen mit einzubeziehen, die nicht auf dem westlichen Notationssystem beruhen. Es ist eine große Herausforderung, Programme zu schaffen, die nicht auf unserem Standard-Notensystem basieren.

Emiko Ogawa: Khyam Allami wird am Sonntag einen Online-Workshop veranstalten, an dem jede*r mit Computer und Internet teilnehmen kann. Die Anwendung selbst ist browserbasiert, es braucht lediglich eine Anleitung, wie sie benutzt wird.

Hannes Leopoldseder & Christine Schöpf bei der CyberArts 2016, Foto: Tom Mesic

Zu guter Letzt erinnert die Ausstellung an Hannes Leopoldseder

Emiko Ogawa: Genau. Der Prix Ars Electronica wurde 1987 von Hannes Leopoldseder erschaffen. Leider ist er dieses Jahr im Februar verstorben und deshalb gedenken wir seiner bei der diesjährigen CyberArts-Ausstellung. Es ist unsere Art, seine Leistung zu würdigen und zu zeigen, dass er bereits vor 34 Jahren diese Art von Wettbewerb geschaffen hat. Und noch immer funktioniert er jedes Jahr als Trendbarometer.

Genoveva Rückert: Es wird eine Hommage, in der wir die Person hinter dem Prix – Hannes Leopoldseder – sichtbar machen. Wir haben Fotos von der ersten Galanacht 1987 von Christine Schöpf und Hannes Leopoldseder – denn sie beide waren die treibende Kraft nicht nur beim Prix, sondern bei der gesamten Ars Electronica. Wir werden auch den Blog miteinbeziehen, auf dem sich so viele Menschen von Hannes verabschieden.

Emiko Ogawa: Viele Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Mitarbeiter*innen aus der ganzen Welt haben uns nach seinem Tod geschrieben, Abschiedsworte verfasst. Wir haben diese gesammelt und veröffentlicht. Sie zeigen, wie Hannes den Weg vieler beeinflusst hat, ihren Weg quasi angeleitet.

Petra Fohringer hat heuer die Projektleitung für die Cyberarts Ausstellung übernommen. Zuvor war sie bereits während ihres Studiums der Malerei für das OK tätig. Zwischenzeitlich Projektmanagerin für das Ars Electronica Festival, arbeitet sie nun im Ausstellungsmanagement der OÖ Landes-Kultur GmbH und als freischaffende Künstlerin.

Emiko Ogawa ist sowohl Künstlerin als auch Kuratorin. Sie arbeitet im Rahmen der Ars Electronica beim Prix Ars Electronica, dem weltweit traditionsreichsten Medienkunst Wettbewerb. Sie arbeitete im Kontext der Neueröffnung des Ars Electronica Centers 2009 mit ihren Zeichnungen für das Auszeichnungs- und Wegweisersystem, und hat seitdem bei der Planung von Ausstellungen für das Ars Electronica Center, dem Ars Electronica Festival und von Ars Electronica Export mitgewirkt. Emiko kreiert als Creative Catalyst Installationen und Workshops und lädt dabei ihr Publikum zur Mitwirkung ein. Als Künstlerin obliegt ihr die kreative Leitung, die grafische Gestaltung und das Interaktionsdesign der Media Artist Gruppe h.o(hdoto). Mit der Absicht das `Unsichtbare begreifbar zu machen´, betreibt die Gruppe Projekte, die die Kommunikation fördern und Offenbarungen über die Gesellschaft machen.

Genoveva Rückert ist Kuratorin in der OÖ Landes-Kultur GmbH; zunächst im OK Centrum für Gegenwartskunst seit 2003, ist seit 2005 Lektorin u.a. für Raumtheorie an der Kunstuniversität Linz Sie kuratiert zahlreiche internationale Ausstellungen und zeichnete verantwortlich für die Programmentwicklung, die Publikationen und leitet die Abteilung für Entwicklung und Vermittlung im OÖ Kulturquartier seit 2011. Arbeitsschwerpunkte: raumbezogene Kunst und Theorie, va. Medienkunst, Rauminstallation, KÖR und Kunst im erweiterten institutionellen Raum.

Mehr über das Ars Electronica Festival könnt ihr laufend hier auf unserem Blog, auf der Website sowie auf unseren Social Media Kanälen – auf Facebook, Instagram, Twitter und LinkedIn nachlesen.

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