von Hans Christian Merten
Welten zwischen den Planeten — ein Gleichgewicht zwischen gegenwärtiger geistiger Gesundheit und zukünftigen Experimenten.
Es ist die Vielfalt der Herausforderungen, die viele von uns einfach nicht mehr einordnen oder bewältigen können. Egal, ob es um unsere Verantwortung als individuelle*r Endnutzer*in oder um kollektive Bewältigungsstrategien geht, wir müssen Situationen regelmäßig neu bewerten und einschätzen. Die ständige Erreichbarkeit über soziale Medien und Kommunikationsformen, die immer weniger Aufschub dulden, bringen uns an die Grenzen unserer Belastbarkeit. Das verursacht Stress in einer neuen Form. Menschen verschiedener Generationen reagieren ganz unterschiedlich auf diese Art von Alltagsstress, der manchmal einfach aus der Überforderung mit der neuen digitalen Kommunikation, manchmal aus den komplexen neuen sozialen und technischen Herausforderungen resultiert, für deren Bewältigung es noch sehr wenig Erfahrungswerte gibt.
Welche Zukunftsexperimente können und wollen wir also in dieser Stimmung überhaupt machen? Wie sollen wir in dieser akuten Dauerstresssituation über neue Ideen und Projekte nachdenken?
Das create your world-Festival lädt dazu ein, neue Ideen Schritt für Schritt gemeinsam mit anderen Kreativen zu entwickeln und dabei nicht an eine Zukunft in hundert Jahren zu denken, sondern in einem ersten Schritt “nur” an das Morgen. Und dann an das nächste Morgen. Das könnte uns die Gelassenheit geben, die uns letztlich den nötigen Weitblick verschafft.
Auch die Eigenverantwortung im Hinblick auf die Digitalisierung hat eine neue Stufe erreicht — gerade in der Bildungslandschaft muss endlich ein klarer Weg gefunden werden, um sich in diesem verwirrenden Labyrinth zurechtfinden zu können. Sonst wird aus der angestrebten Eigenverantwortung schnell ein Gefühl der Einsamkeit und Angst.
Der rote Faden
Die bereits vorherrschende Orientierungslosigkeit spiegelt sich in vielen Bereichen wider: in der sozialen Interaktion, die sich durch die Pandemie möglicherweise völlig verändert hat und in der Nutzung der digitalen Technologien. Alltägliche Gewohnheiten mussten immer wieder in Frage gestellt werden, gleichzeitig wollten wir aber nirgends Tempo und Fortschritt einbüßen. Haben wir hier den Faden verloren?
Das diesjährige create your world-Festival bringt eine bunte Mischung von Projekten aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Es werden neue Projekte vorgestellt, bekannte Projekte werden wiederentdeckt, und im gesamten Festivalbereich darf endlich wieder geforscht, experimentiert und diskutiert werden. Dieses Gemeinschaftsgefühl hat vor allem in den letzten beiden Jahren gefehlt, und dieses Jahr wollen wir es wieder schaffen — natürlich in unserem eigenen, subjektiven Tempo.
Die Siegerprojekte des diesjährigen Prix Ars Electronica in der Kategorie *u19—create your world* sprechen eine klare Sprache: Wir müssen an unserer eigenen mentalen Gesundheit arbeiten, wir müssen uns mehr denn je darum kümmern, dass es uns gut geht. Denn nur dann können wir auch als Kollektiv stärker sein, um diese Vielfalt an Herausforderungen zu meistern.
I want to see how you see
Julia Hametner (AT), Anamaria Zupancic (AT), Anna Hametner (AT), Lena Holzer (AT), Nicole Höflinger (AT), Stefanie Dürnberger (AT), Tobias Huber (AT)
Was macht uns gleich? Was macht uns anders? Der von sechs Freund*innen gestaltete, sehr persönliche Dokumentarfilm befasst sich mit dem Thema Behinderung und beleuchtet die Konzepte von Behindertenfeindlichkeit, Normalität, körperlicher Befähigung, Stigmatisierung und sozialer Ein- und Ausgrenzung. Der Film konzentriert sich auf die Wahrnehmungen und zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonist*innen und kritisiert die Probleme bei der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.
CoderDojo
CoderDojo Linz (AT)
Das CoderDojo Linz ist ein kostenloser, ehrenamtlich geführter Club für Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 17 Jahren, die tiefer in die Welt der Technik eintauchen wollen. Unterstützt von einem Team von Mentor*innen, die selbst in der Programmierung tätig sind, können Kinder und Jugendliche ihre ersten Computerspiele programmieren oder sich sogar an der Erstellung einer Website versuchen. Da das Konzept eines Dojos auf Lernen ausgerichtet ist, sind keine Vorkenntnisse erforderlich, und die Komplexität des Projekts kann an die Vorkenntnisse der Kinder angepasst werden. Für diejenigen, die sich mehr für Elektronik interessieren, bietet das CoderDojo-Team auch die Möglichkeit, mit einem Lötkolben kleine elektronische Projekte zu realisieren.
Ableton Open Lab
Ableton (DE), Instruments of Things (DE)
In diesem experimentellen, offenen Labor können die Festivalbesucher*innen ihre Fähigkeiten in der Musikprogrammierung entdecken und erweitern. Abletons Flaggschiff, die Musikproduktionssoftware Live 11, wird zusammen mit Instrument of Things Bewegungssensor-Wearable SOMI-1 ausgestellt und bietet den Besucher*innen die Möglichkeit, Körperbewegungen intuitiv in Klang zu verwandeln.
EXIT-sozial
EXIT-sozial (AT)
Auf dem diesjährigen Festival bietet der Verein EXIT-sozial psychosoziale Beratung an, denn zwei Jahre Pandemie, drohende Klimadystopien und auch immer neue Herausforderungen machen es wichtiger denn je, die psychische Gesundheit in den Vordergrund zu stellen.
Besucher*innen sind herzlich eingeladen, auf eine Tasse Kaffee und ein nettes Gespräch vorbeizuschauen, an einer Führung in Begleitung des EXIT-sozial-Teams teilzunehmen, einen Folgetermin zu vereinbaren oder auf Wunsch auch direkt eine Beratung im dafür vorgesehenen Beratungsbus BOJE in Anspruch zu nehmen.
Mehr Infos zum create your world- Festival 2022 findest du ab Mitte August auf unserer Festival Website.
Seit 2013 ist Hans Christian Merten Leiter der Initiative u19 – CREATE YOUR WORLD von Ars Electronica. Er studierte Audiotechnik und – Design in Wien und absolvierte diverse Lehrgänge an der Bruckneruniversität Linz. Von 2002 bis 2010 war er Lehrender an der Fachhochschule Hagenberg (Medientechnik und Design) und an der BHS für Kommunikation und Medien in Freistadt. 2010 – 2013 war er künstlerischer Leiter des mehrfach preisgekrönten Festivals „kult – das neue Mühlfestival“ in Freistadt und ist seit 2005 selbständiger Künstler und Leiter des Projektstudios Music for Film & Media in Gutau (OÖ).