Menschheit zwischen Videogames und Neurotechnologie

Ars Electronica Futurelab Artist Residency 2022: Roel Heremans – The NeuroRight Arcades, Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir

Sein transdisziplinärer Ansatz verbindet das Videospiel mit komponierter Selbstreflexion und Neurofeedback. Während seiner Artist Residency im Ars Electronica Futurelab arbeitete Roel Heremans gemeinsam mit seinem Team und dem des Labors an einem Projekt, das sich mit Neurorechten und den ethischen Rahmenbedingungen für Innovationen in unserer Gesellschaft befasst. Kooperationen wie diese dienen nicht nur Künstler*innen und Forscher*innen aus aller Welt als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer wissenschaftlicher Fragen und künstlerischer Ansätze, sondern auch dem Labor selbst sowie seinen Partnern. Auf dem Ars Electronica Festival wurde das Ergebnis dieser Artist Residency präsentiert – The NeuroRight Arcades.
Roel Heremans hat dafür fünf interaktive Installationen entwickelt, um den Menschen ihr eigenes Bedürfnis nach ihren neuronalen Rechten entdecken und fühlen zu lassen. Vor den speziell angefertigten Arcade-Maschinen tragen die Benutzer*innen BCI-Kopfhörer (brain-computer interfaces) und werden damit durch ein ästhetisches Erlebnis geführt, das ihren mentalen Zustand in Echtzeit transparent und formbar macht. Ihre unwillkürlichen Körperreaktionen machen sie auf aufkommende Bedürfnisse aufmerksam und schaffen so ein neues Bewusstsein für die Notwendigkeit der fünf Neuro-Rechte: mentale Privatsphäre, Schutz von persönlicher Identität und Willensfreiheit, gleichberechtigter Zugang zu mentaler Unterstützung und der Schutz vor algorithmischen Verzerrungen. Mit den NeuroRight Arcades will der Künstler die Menschen auf eine Zeit vorbereiten, in der Neuro-Wearables und BCIs allgegenwärtig sein werden. Roel Heremans diskutierte zusammen mit uns über das ethische Fundament einer zukünftigen Gesellschaft an der Schnittstelle zwischen Videospielen und Neurotechnologie.

Roel, du warst dieses Jahr Artist in Residence im Ars Electronica Futurelab. Was war ursprünglich dein Ziel für deine Zeit hier in Linz? Wie hast du diese Gelegenheit genutzt, um deine künstlerische Idee weiterzuentwickeln und wofür wolltest du mit den NeuroRight Arcades bei den Menschen ein neues Bewusstsein schaffen?

Mir schwebte eine Reihe eleganter Objekte voller einladender Widersprüche vor, welche die Teilnehmenden dazu bringen sollten, ihre eigenen mentalen Vorstellungen mit dem neuesten BCI-Wearable zu kombinieren, während sie sich gleichzeitig einem fesselnden audiovisuellen Spiel mit der ethischen Zukunft von BCIs widmen. Weil die spekulativen ethischen Regeln aber sehr abstrakt sind, wusste ich, dass das Werk selbst sehr einfach und in wenigen Sätzen erklärbar sein muss: Es gibt 5 NeuroRights. Also habe ich 5 NeuroRight Arcades gemacht, die dabei helfen, sich vorzustellen, wie es wäre, in Zukunft in Verbindung mit Neurotechnologie ohne ethische Rechte zu leben.

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Was sind „NeuroRights“ und was haben sie mit dem Wandel unserer Gesellschaft zu tun, die schon bald in einer Realität leben wird, in der Neuro-Wearables und Brain-Computer-Interfaces allgegenwärtig sein werden?

Die meisten Menschen kennen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In den letzten Jahren haben viele Länder über „digitale Rechte“ gesprochen. Jetzt gibt es einen Vorschlag für die NeuroRights, um damit einen ethischen Rahmen zu schaffen, bevor die Neurotechnologie weiterentwickelt und jederzeit und überall verfügbar ist.Diese 5 NeuroRechte sind: das Recht auf geistige Privatsphäre, die persönliche Identitä und die Willensfreiheit, der gleichberechtigte Zugang zu geistiger Unterstützung und der Schutz vor algorithmischen Verzerrungen.Ich bin nicht per se ein Befürworter oder blinder Verfechter dieser Rechte und betrachte sie persönlich aus einem kritischen Blickwinkel. Ich glaube jedoch, dass dieses Thema für die Zukunft der Menschheit von größter Bedeutung ist, und deshalb nutze ich diesen Rahmen, um philosophische und ethische Fragen über unsere zukünftige Zeit mit Neurotechnologie aufzuwerfen, während ein BCI eure Gehirnströme ausliest.

Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir
Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir
Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir
Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir
Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir
Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir
Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir
Photo: Ars Electronica Futurelab / Birgit Cakir

Mit BCI-Kopfhörern auf den Ohren wurden die Festivalbesucher*innen von The NeuroRight Arcades durch diese ästhetische Erfahrung geführt. Durch sie sollte ihr mentaler Zustand in Echtzeit transparent und formbar gemacht werden. Was haben die Benutzer*innen dabei erlebt und wie haben die Leute darauf reagiert? Welches Feedback hast du erhalten? – Kurzum, hat das Konzept diesen Stresstest bestanden?

Jede Installation dauert etwa 6 bis 7 Minuten und funktioniert auf dieselbe Weise: Eine Stimme spricht dich an und erklärt dir, dass deine Gehirnströme live ausgelesen werden. Danach bittet die Stimme dich, deine Augen zu schließen und dich an etwas sehr Persönliches zu erinnern oder es dir vorzustellen. Wenn die Stimme dich auffordert, die Augen wieder zu öffnen, siehst du, dass deine Gehirnströme in Form eines abstrakten Symbols aufgezeichnet wurden, das deine mentale Verfassung repräsentiert. Du wirst aufgefordert, eine Eingabe mit dem Joystick zu machen. Dieser Vorgang wird mit einer anderen mentalen Konstruktion und einem anderen Symbol wiederholt. Danach wird dir eine ethische Frage gestellt, die mit den Dingen zu tun hat, die du dir gerade vorgestellt hast, und die deine persönliche Erfahrung mit einer möglichen Zukunft der Neurotechnologie in Verbindung bringt. Am Ende dieses Erlebnisses kannst du einen QR-Code scannen und eine ästhetische Darstellung deiner persönlichen Erfahrung herunterladen.Die Reaktionen waren sehr positiv, es gab sogar Besuchende, die mehrere Tage hintereinander wiederkamen, um alle 5 Installationen zu besuchen. Es gab großes Interesse von Kuratoren aus aller Welt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese interaktiven Installationen die Live-Neurofeedback geben mit der Zeit noch einige andere Orte sehen werden.

Wie hat die Zusammenarbeit mit dem Team des Labors dich und deinen künstlerischen Ansatz geprägt und was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich hatte von dem Moment an, als ich in Linz gelandet bin, das Gefühl, dass alle Menschen im Futurelab mit dem übereinstimmen, was ich mir für das Endergebnis wünsche. Besonders die Beiträge von Hideaki Ogawa, Johannes Pöll, Nicolas Naveau, Matthew Gardiner, Anna Oelsch, Yoko Shimizu, Peter Freudling, Susanne Kiesenhofer, Erwin Reitböck, Alexandre Bizri und Manuel Dobusch fühlten sich an, wie Gold. Ich habe mit vielen Ideen begonnen, und der ganze Prozess bestand eigentlich darin, zu vereinfachen und zu abstrahieren. Die Meetings und das Feedback, das ich während dieses Prozesses bekam, waren wunderbar. Die Arbeit im Futurelab hat mir so viel gebracht und ich hoffe, dass ich in den nächsten Jahren wiederkommen kann. Ich bin mir auch sicher, dass ich weiter mit BCIs arbeiten werde und möglicherweise eine neue Zusammenarbeit mit Unicorn in Linz anstrebe. Die NeuroRight Arcades werden als nächstes von 27.10. bis 30.10. auf dem KIKK-Festival in Namur, Belgien, zu sehen sein. Wir sind auch in Gesprächen mit anderen ArtScience-Festivals und Institutionen innerhalb und außerhalb Europas, um sie in naher Zukunft zu zeigen.

Roel Heremans (BE) ist ein transdisziplinärer Künstler, der mit Klang, komponierter Introspektion und Neurofeedback arbeitet. In den meisten seiner Arbeiten komponiert er Tonfragmente, die die Vorstellungskraft der Besucher anregen, um immersive Gruppenerlebnisse zu schaffen. Dadurch werden die Besucher gleichzeitig zu Akteuren, Zeugen, Performern und Reenactors von mentalen und physischen Denk- und Bewegungsprozessen, bei denen kollektive Performances auf individuelle Reaktionen treffen und vice versa. Indem er die Menschen auf diese Weise aktiviert, erzeugt Heremans eine Simulation der zeitgenössischen Welt, in der jeder Einzelne Teil seiner eigenen, sich selbst spiegelnden Blase ist, in der der Besucher mit seiner Erfahrung die einzige metaphorische Leinwand des Künstlers bleibt. Seine vielfältige Praxis, die sich aus diesen immersiven Gruppenerfahrungen ableitet, umfasst auch Videos und Arbeiten auf Papier.Dieses Projekt wird vom flämischen Ministerium für Kultur, Jugend und Medien finanziert.

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