Im dritten Kapitel des Fall Terms geht es um Maschinen aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das Fall Term ist Teil des FOUNDING LAB, einem kollaborativen Prototyp einer neuen Universität.
Das FOUNDING LAB bietet in drei Stufen, der Summer School, dem Forum und dem aktuellen Fall Term, die Möglichkeit, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Kunst und Wissenschaft zu erproben. Die Summer School hatte das Ziel, den Studierenden Anregungen durch Expert*innen aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen zu geben, damit sie Ideen sammeln konnten, wie die neue Universität gestaltet werden könnte. Die Lehrenden des FOUNDING LABs, auch Fellows genannt, traten während des Ars Electronica Festivals dem Forum bei, um die Vorschläge der Studierenden mit ihrer Erfahrung zu ergänzen. Im Fall Term kommen Student*innen und Fellows für eine sechsteilige Seminarreihe zusammen, die verschiedene Aspekte der digitalen Transformation in einzelnen Kapiteln behandelt. Auf dem Ars Electronica Blog präsentieren wir euch die genauen Themen dieser sechs Kapitel des Fall Terms sowie deren Inhalte.
Rückblick auf die letzten Kapitel
Das erste Kapitel des FOUNDING LAB Fall Terms startete mit Fragen zu digitalen Systemen, kolonialistischen Implikationen und nachhaltigen Lösungen für Technologie. Gerhard Grimm, Darsha Hannah Hewitt und Vladan Joler gestalteten vier Tage lang intensive Workshops, Ausflüge und anregende Diskussionen zum Thema Infrastruktur, um große Systeme wie die Anatomien künstlicher Intelligenzsysteme näher kennenzulernen. Das zweite Kapitel von Arianna Salazar Miranda, Roland van Dierendonck und Paolo Cirio schließt nahtlos daran an. Die Studierenden werden in Chapter 2 tiefer in die Thematik der digitalen Transformation eingeführt, die sich auf Daten, Code und Modelle konzentriert, die unser Leben beeinflussen. Das dritte Kapitel führt den roten Faden der ersten beiden Kapitel fort, indem es sich mit der Entwicklung von Maschinen beschäftigt und deren Bedeutung für Menschen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betrachtet.
Kapitel 3: Robots, Machines and Tangibles mit Nan Zhao, RAY LC und Edwina Portocarrero
Das dritte Kapitel des FOUNDING LAB Fall Terms wird von Expert*innen aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaften, Industrie und Kunst zum Thema Maschinen, Roboter und ihrer Beziehung zu Menschen geleitet. Unter ihnen ist Edwina Portocarrero, die in ihrer Tätigkeit als Forscherin, Designerin und Lehrerin ihr Können verbindet, um am Schnittpunkt zwischen Kunst, Kulturen, Technologien und Gemeinwohl zu arbeiten. Nan Zhao arbeitet als Wissenschaftlerin für maschinelles Lernen bei Tulip Interfaces. Sie ist Diplomingeneurin und hat einen Ph.D. in Media Arts & Sciences. RAY LC ist der Gründer des Studio for Narrative Spaces und untersucht mittels Storytelling die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine. RAY schafft in seiner Arbeit neue Wege, um das Verhältnis zwischen Menschen und Technologien zu begreifen. Das Ars Electronica Futurelab, ein Labor und Atelier für Systeme der Zukunft, stellt für dieses Kapitel Forschungsergebnisse zu Drohnentechnologien zur Verfügung. Peter Holzkorn, Key Researcher for Artificial Collectives im Futurelab ist derzeit federführend im Bereich Swarm Robotics. Als Catalyst des dritten Kapitels hilft er den Fellows bei der Planung und Durchführung des Kapitelprogramms und bezieht die Erfahrung und das Netzwerk von Ars Electronica mit ein.
Wenn man die Geschichte der Entwicklung von Maschinen betrachtet, erkennt man, dass diese sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne für uns arbeiten. Sie helfen uns, effizienter, präziser und sicherer zu sein und reduzieren Entfremdung, Langeweile und Belastung durch sich wiederholende Aufgaben. Das Informationszeitalter hat unser Verhältnis zu Maschinen stark verändert. Die einfache Zugänglichkeit ermöglicht es nahezu jedem, Schaltkreise und Maschinen aus handelsüblichen Teilen zu bauen, was die Innovation vorantreibt. Unser Verhältnis zu Robotern könnte sich in naher Zukunft verändern, wenn der Fortschritt Künstlicher Intelligenz die Art und Weise transformiert, wie Maschinen funktionieren. Die zentrale Frage ist: Wie wird sich die Rolle von Maschinen verändern, und vor allem – wie werden wir uns dadurch verändern?
Der erste Tag dieses Kapitels steht unter dem Motto Collision: Studierende und Fellows stellen sich einander vor, aber nicht als sie selbst, sondern als futuristische Maschinen – welche Eigenschaften, welche Geschichten hätte eine Maschine, die irgendwie ich ist? Im Anschluss führt Peter Holzkorn, Futurelab Catalyst und Koordinator des dritten Kapitels, im Schnelldurchlauf durch 11 Jahre Futurelab-Forschung im Bereich der Schwarmrobotik, von den bekannten Spaxels bis zum Projekt Space Ink – das dann auch im Futurelab Studio erleb- und begreifbar wird, und somit schon zu Beginn des Kapitels Menschen und Roboter im physischen Raum zueinander bringt und damit die Kollision verschiedener Ideen, Wahrnehmungen und Erwartungen provoziert.
Am zweiten Tag, mit dem Thema Machines of the Future, steigt RAY LC mit einer Einführung zu seiner eigenen Arbeit mit Mensch-Roboter-Interaktionen in Kunstperformances und anderen unüblichen Settings ein. Am Nachmittag sind die Studierenden an der Reihe, sich Ihre eigene Vorstellung von zukünftigen Maschinen zu erarbeiten: Wie wird sich ihre Rolle und ihr Grad an Autonomie entwickeln? Welches Maß an Selbstständigkeit können wir akzeptieren, wenn Maschinen agieren? Das wirft die Frage auf, wie Roboter in Zukunft arbeiten könnten. Diese Ãœberlegungen werden sofort getestet. Im Rahmen des „Future Machines Workshops“ fordert RAY LC die Studierenden heraus, sich mithilfe von generativer künstlicher Intelligenz (wie ChatGPT oder Stable Diffusion) Aufgaben und Szenarien zu ersinnen, zu beschreiben und zu bebildern, die wir uns für Roboter vorstellen können – und damit individuelle und kollektive Utopien offenzulegen. „Generative Künstliche Intelligenz“ bedeutet, dass Algorithmen, also Handlungsanweisungen, genutzt werden, um Daten zu generieren. Heute wird die generative KI, die durch maschinelles Lernen funktioniert, in vielen Bereichen eingesetzt, wie z.B. Architektur, Chemie oder bei der Entwicklung von Videospielen. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Chatbots wie Chat GPT, die den Studierenden bei der Vorstellung mit Ideen der KI-Anwendung helfen können.
Von Spekulation über die Zukunft zum reality check: Der dritte Tag, Machines of the Now, gibt Einblick in die Einsatzbereiche von Maschinen in der Industrie von heute, im Rahmen eines Besuches in der Metallwarenfabrik Mark in Spital am Pyhrn. Hier können Studierende den gegenwärtigen Stand der technologischen Fortschritte kennenlernen und Automatisierungstechniken vor Ort erleben. Die Tour durch die Produktion mit anschließender Diskussion mit Automatisierungsingenieur*innen soll Fragen zu unserer Vorstellung von Maschinen und deren tatsächlichem Einsatz aufwerfen. Welche Bedeutung haben Maschinen in einer Manufaktur wie Mark? Die Studierenden werden aufgefordert, darüber nachzudenken, welche Rolle Maschinen und Roboter in ihrem eigenen Leben spielen. Nan Zhao diskutiert mit den Studierenden darüber, wo Maschinen und wo Menschen unerlässlich sind- und wie technologische Neuerungen den Arbeitsmarkt und die Rolle von Arbeit in unserer Gesellschaft beeinflussen.
Tag 4 – Becoming Machines: Der letzte Schritt besteht darin, uns selbst als Maschinen zu betrachten oder uns zumindest vorzustellen, wie es wäre, wenn wir wie solche denken und fühlen würden. Nach einer offenen Diskussion mit Edwina sind die Studierenden gefordert, zugleich sich selbst und Roboter zu „programmieren“: Die Drohnen, die zu Beginn des Kapitels gezeigt wurden, dienen nun als Werkzeug für eine künstlerische Auseinandersetzung: Die Drone Design Challenge bildet den Schluss- und Konvergenzpunkt des dritten Kapitels. Drei Studierenden-Teams sind herausgefordert, über die Choreografie von mechanischen und organischen Körpern nachzudenken. Hierbei können Drohnen und Menschen zusammenarbeiten, um die Beziehung zwischen Menschen und Maschinen darzustellen. Die Flugbahnen der Drohnen werden hierzu mithilfe einer 3D-Design-Software und vom Futurelab-Team zur Verfügung gestellter Vorlagen programmiert, und den Teams steht frei, als Tänzer*innen und Performer*innen gemeinsam mit den Drohnen im Raum zu agieren – und dabei auch Videoprojektionen, Sound und beliebige Gegenstände zu verwenden. Wichtige Fragen, die sich die Studierenden stellen, formen die Performance: „Was können Drohnen, was Menschen nicht können?“ „Was sind die Grenzen der Fähigkeiten von Drohnen?“ und „Stellen Sie sich eine Zukunft vor, in der Drohnen verwendet werden. Wie sollten sie verwendet werden?“. Die Resultate, die in nur wenigen Stunden entstehen, sind kreativ, stilistisch vielseitig und beeindruckend tiefgehend: Unsere Zukunft mit intelligenten Maschinen hat ganz offensichtlich alle bewegt.
Die intensive Beschäftigung mit den Oberflächen digitaler Anwendungen, insbesondere das Beispiel SpaceInk des Ars Electronica Futurelab, deutet bereits auf den Fokus des nächsten Kapitels „Interfaces & Visualizations“ hin, das nahtlos an das dritte Kapitel anschließt. Die Fellows des vierten Kapitels sind Dietmar Offenhuber, Associate Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Kunst und Design an der Northeastern University in den Bereichen Informationsdesign und urbane Angelegenheiten, Jiabao Li, Assistenzprofessor an der University of Texas in Austin und Founding Director des Ecocentric Future Lab, und Barbara Lippe, Mitbegründerin von Holodeck VR und Doktorandin in Game Studies. Gemeinsam denken sie konventionelle Vorstellungen von Realität durch Perspektivenwechsel weiter. Mit Hilfe verschiedener wissenschaftlicher Ansätze sollen die Studierenden einen Blick unter die Oberfläche traditionellen Denkens werfen. Das kann bedeuten, sich in andere Lebensformen wie Tiere hineinzuversetzen oder neue Formen der Wissenspräsentation auszuprobieren.
Vom 26. bis 29. November folgt Kapitel 4 des Fall Terms. Mehr Informationen zum FOUNDING LAB gibt es hier.