Wie können wir Räume schaffen, um virtuelle Realitäten kollaborativ erleben?
In den letzten Jahren lag der Fokus der Virtual-Reality-Forschung meist auf Einzel-User-Systemen in Form von Head-Mounted-Displays. In einigen Fällen wird in Kombination mit Lokalisierungsmethoden und drahtloser Bildübertragung eine begrenzte Bewegungsfreiheit für den bzw. die Benutzer*in im Raum erreicht. Trotz des enormen technologischen Fortschritts im Vergleich zu früheren Modellen weisen diese Systeme immer noch konstruktionsbedingte Einschränkungen auf, die kaum zu überwinden sind.
Da Nutzer*innen eine Brille tragen müssen, die ihr Sichtfeld abdeckt, sind sie völlig von der realen räumlichen Umgebung abgekoppelt. Andere Nutzer*innen, die sich im selben physischen Raum befinden (co-located), können nicht wahrgenommen werden, sodass eine Interaktion mit ihnen oder ihre Darstellung in der Visualisierung kaum möglich ist (Kopräsenz). Virtuell anwesende Personen, die oft durch Avatare visualisiert werden, haben nur eine sehr rudimentäre Körperdarstellung und damit eine begrenzte soziale Präsenz. Obwohl es einige Forschungsprototypen gibt, die sich mit diesem Problem befassen, sind praktische Anwendungen selten. Alle diese Systeme sind für größere Gruppen von Benutzer*innen, die sich in einem gemeinsamen Raum aufhalten, ungeeignet.
Damit distanziert sich die Virtual-Reality-Forschung deutlich von ihren eigenen Visionen, die ursprünglich von Ivan E. Sutherland 1965 als „The Ultimate Display“ beschrieben wurden und später als „Holodeck“ Eingang in die Populärkultur fanden. Tatsächlich hat die Thematik der co-located Multi-User-VR-Systeme nicht an Relevanz verloren. Im Gegenteil: Alle Arten von immer komplexeren Daten erfordern erweiterte Visualisierungen und Interaktionsformen, um sie für Benutzergruppen in explorativen Settings verständlich und erlebbar zu machen. Mit den Fortschritten in der VR-Projektor-Technologie, der Bilderzeugung und dem Rendering (8K und darüber hinaus) wird es notwendig, ein tiefes und breites Verständnis für die effektive Gestaltung und Umsetzung von Anwendungsszenarien zu entwickeln, die auf diesen Virtual-Reality-Systemen aufbauen.
In diesem spannenden Bereich ist der Deep Space eine Pionierumgebung für die praktische Forschung. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2009 hat der Deep Space mehr als zwei Million Besucher*innen angezogen und auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wie VR-Räume für mehrere Nutzer*innen an verschiedenen Orten nicht nur gestaltet, sondern auch erfolgreich betrieben werden können. Die im Laufe des Jahres im Deep Space realisierten VR-Erlebnisse sind vielfältig. Dazu gehören neben den täglichen Präsentationen und Sonderprogrammen auch spezifische Szenarien wie Rapid Prototyping von Simulationen, z. B. von autonomen Mobilitätssystemen, Forschung zur Mensch-Roboter-Interaktion, Tanz- und Theateraufführungen sowie medizinische Aus- und Weiterbildung. Ähnliche Infrastrukturen sind jedoch nach wie vor selten, auch weil für ihre Nachbildung viel spezifisches Know-how und Erfahrung erforderlich sind. Daher ist es notwendig, das Thema der Immersion von Nutzergruppen in projektionsbasierten, raumbezogenen Virtual-Reality-Systemen auf einer allgemeineren Ebene zu behandeln. Aus den dabei gefundenen Modellen und Mechanismen der Wahrnehmung und Interaktion lassen sich konkrete Anforderungen an die Gestaltung und Umsetzung ähnlicher zukünftiger Umgebungen ableiten.
Die Forschung zeigt, dass neben der Fähigkeit zur Interaktion (Handlungsfähigkeit) die räumliche Abbildung (Perspektive) der zweite zentrale Faktor für die Wahrnehmung von Immersion und Präsenz in VR-Umgebungen ist. Bestehende Theorien berücksichtigen jedoch bei der Definition ihrer Modelle nicht die Interaktionen zwischen mehreren Nutzer*innen an einem Ort. Daher schlagen wir den Aufbau eines erweiterten Modells der Coimmersion vor.
Aus der Erfahrung, die wir im Laufe der Jahre bei der Entwicklung vieler verschiedener Anwendungen in diesem Bereich gesammelt haben, haben sich wiederkehrende Designmuster herauskristallisiert. Ein Faktor ist, dass schon die Wahrnehmung von aktiv interagierenden Nutzer*innen in einem gemeinsam genutzten VR-Raum das Gefühl der eigenen Immersion erzeugen und verstärken kann. Ein weiterer Faktor ist, dass die Nutzer*innen in der Lage sein müssen, intuitiv zu überprüfen und zu verstehen, welche Handlungsmöglichkeiten sie in diesem Raum haben. Unter Berücksichtigung dieser und anderer Faktoren, die in zukünftigen Forschungen noch identifiziert und aufgedeckt werden müssen, wird die Forschung die Grundlage bieten für die Formulierung spezifischer Richtlinien zur Gestaltung von Erfahrungen und insbesondere der technischen Systemanforderungen einer vielseitigen, multifunktionalen und coimmersiven Umgebung.
Zentrale Arbeiten
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