Wieviele Einreichungen gab es bisher insgesamt? Welche Länder sind eigentlich am prominentesten vertreten, wenn es um die Anzahl der Einreichungen geht? Wie alt war der oder die jüngste GewinnerIn? Wieviel wiegt eigentlich eine Goldene Nica? Alle Antworten finden Sie in diesem Beitrag.
Den Bewerb gibt es seit 1987, seit er von Ars Electronica-Mitbegründer Hannes Leopoldseder und Christine Schöpf ins Leben gerufen wurde. Ziel war es zu zeigen, dass der Computer inzwischen zu einer der wichtigsten Ressourcen in der Hand von Kreativen geworden ist und Computerkunst im Gesamtzusammenhang der Computerkultur zu verstehen.
„Als Ende der 1970er die Ars Electronica erdacht und ins Leben gerufen wurde, war die digitale Revolution zwar eine technologisch ernstzunehmende Größe, aber darüber hinaus weitgehend unbemerkt. Gerade zehn Jahre zuvor wurden überhaupt zum ersten Mal vier Computer an unterschiedlichen Standorten im Westen der USA zu einem Netzwerk zusammengeschaltet, im Schatten der spektakulären Erfolge des Apollo-Programms. Doch 1978 kommen mit dem Apple II und einigen anderen Geräten die ersten leist- und brauchbaren Desktop Computer auf den Markt und 1981 gibt der IBM-Konzern seinem neuen Modell die Bezeichnung PC (Personal Computer). Es beginnt eine neue, und wahrscheinlich die folgenschwerste Phase des digitalen Zeitalters, die Personalisierung der Computer, die damit aus den Datenzentren der Großrechner und Forschungslaboren in unsere Welt, in unseren Alltag vordringen. (…) „
Gerfried Stocker, Künstlerischer Leiter Ars Electronica
Die Kategorien der ersten Stunde hießen Computer-Graphik, Computer-Animation und Computer-Musik, für die KünstlerInnen aus aller Welt einreichen konnten. Seit seinem Bestehen ist der Prix ein Radar für die neuesten Entwicklungen in Kunst, Technologie und Gesellschaft.
„Der Prix Ars Electronica hat sich immer als Labor und Versuchsfeld verstanden, in dem die Umrisse einer neuen digitalen Kunst identifiziert werden können.“
Hannes Leopoldseder, Gründer Ars Electronica
1990 wurde der Wettbewerb um die Kategorie Interactive Art erweitert. Erster Sieger in dieser neuen Kategorie wurde das Werk „Videoplace“, das eigentlich nicht als interaktives Kunstwerk konzipiert wurde. Ziel war es vielmehr, die Interaktivität selbst zum künstlerischen Medium zu erheben. Dazu musste die menschliche Schnittstelle neu definiert werden: Das System sollte die Bewegungen der TeilnehmerInnen erkennen, statt Befehle aus traditionellen Eingabegeräten zu verarbeiten. Beim Betreten der „Videoplace“-Installation trifft der Besucher auf sein eigenes Bild, das in eine einfache, grafische Szenerie projiziert wird und sich mit jeder seiner Bewegungen verändert.
1998 wurde der Prix Ars Electronica um eine weitere Kategorie ergänzt, die sich ausschließlich an Kinder und Jugendliche richtete. Was heute „u19 – create your world“ heißt, war in der Geburtsstunde als „Cybergeneration u19 – freestyle computing“ bekannt. Gewonnen hat im ersten Jahr des Bestehens das Projekt Titanic, ein S/W – Animations- Kurzfilm mit Elementen des klassischen Stummfilms, eingereicht von der Gruppe „Die anonymen Titaniker“.
2004 wurden erstmals die Kategorien Digital Communities und [the next idea] voestalpine Art and Technology Grant ausgeschrieben, 2007 folgte dann Hybrid Art. 2014 wartete der Prix Ars Electronica mit der nächsten Neuerung auf: Erstmals vergibt man nun auch eine Goldene Nica für die Visionary Pioneers of Media Art. Für diese Kategorie kann man nicht einreichen, sondern die Nominierung erfolgt auf Vorschlag der Jury für visionäre PionierInnen, die mit ihrem künstlerischen Schaffen die Veränderungen der Digitalisierung nicht nur vorausgedacht, sondern auch entscheidend mitgeprägt und die Grundsteine für die Medienkunst unserer Zeit gelegt haben.
2019 folgte schließlich als neueste Ergänzung die Kategorie Artificial Intelligence & Life Art. Seitdem werden die Kategorienpaare Artificial Intelligence & Life Art und Digital Musics & Sound Art sowie Interactive Art und Digital Communities abwechselnd im Zweijahresrhythmus ausgeschrieben.
Welche bekannten Persönlichkeiten waren eigentlich außer den bereits erwähnten noch unter den GewinnerInnen der letzten Jahre? Zum Beispiel gehörten John Lasseter für „Luxo Jr.“ und der Musiker Peter Gabriel für „seinen kreativen Umgang mit neuen Technologien“ zu den ersten Gewinnern, die eine Goldene Nica erhielten.
Weiters gewann Tim Berners-Lee 1989 für das Hypertext Transfer Protocol (HTTP), oder Jeffrey Shaw für „The Legible City“ eine Goldene Nica. Auch der australische Politaktivist, investigative Journalist und ehemalige Computerhacker Julian Paul Assange, der schließlich als Programmierer und Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks bekannt wurde, die es sich zum Ziel gesetzt hat, geheimgehaltene Dokumente allgemein verfügbar zu machen, war 2009 auf Einladung der Ars Electronica zu Gast in Linz. Er wurde mit einer Auszeichnung in der Kategorie Digital Communities für das Wikileaks-Projekt prämiert.
Weitere Namen aus dem alljährlichen, sehr breiten TeilnehmerInnenfeld, um nur ein paar zu nennen, sind etwa: International anerkannte KünstlerInnen wie Karlheinz Stockhausen, Roy Ascott, Lynn Hershman, Toshio Iwai und Ryuichi Sakamoto, Chris Cunningham und Aphex Twin über Oscar-Preisträger wie Chris Landreth bis hin zu jungen kreativen Pioniergeistern wie dem Graffiti Research Lab.
Das Objekt der Begierde aller potenziellen PreisträgerInnen ist klar: Die Goldene Nica! Die Statuette, die der geflügelten Göttin Nike von Samothraki nachempfunden ist, verbindet mit Linz eine besondere Geschichte: Vor der Geburt der Ars Electronica fand 1977 in Linz das Forum Metall, eine Ausstellung von großformatigen Metallskulpturen, statt. Christine Schöpf erzählt 1996:
„Symbol und Werbefigur des Forum Metall war eine Skulptur der Künstlergruppe Haus-Rucker-Co, die hoch über dem Hauptplatz aufgestellt war, eine acht Meter hohe Kopie der griechischen Siegesgöttin Nike von Samothraki, die im Louvre zu sehen ist. (…) Die Haus-Rucker-Nike löste in der gesamten Linzer Bevölkerung heftige Proteste aus. (…) Auf Befehl der Stadt wurde die Skulptur heimlich entfernt.“
Etwa acht Jahre später beschlossen Leopoldseder und Schöpf, dass es Zeit für eine Rückkehr der „Nica“ sei, wie die Preisfigur in Anlehnung an die letzten Buchstaben der „Ars Electronica“ genannt wurde. Sie sollte und würde die „Siegesgöttin der elektronischen Künste“ werden.
Wie läuft eine Prix Einreichung eigentlich ab? Der Open Call beginnt jedes Jahr gleich im Jänner. Welche Kategorien und wieviele es davon gibt, hat sich im Laufe der Jahre stetig verändert. Der Prix Ars Electronica spiegelt damit Veränderungen in Kunst, Technologie und Gesellschaft wider. Aktuelles Zwischenergebnis dieser kontinuierlichen (Weiter-) Entwicklung ist die Kategorie Artificial Intelligence and Life Art 2019, die erst 2019 initiiert wurde.
Ein Highlight im alljährlichen Ablauf jedes Prix Ars Electronica ist das Eintreffen und Tagen der hochkarätigen Prix-Fachjury. Sie setzt sich zusammen aus KünstlerInnen, KuratorInnen, WissenschaftlerInnen, ManagerInnen und JournalistInnen aus aller Welt. Am Beginn jeder Jurysitzung, die traditionell im Ars Electronica Center stattfindet, steht das Welcome Dinner – das ungezwungene Kennenlernen aller beteiligten Personen. Am Beginn jeder Jurysitzung steht das Welcome Dinner – das ungezwungene Kennenlernen aller beteiligten Personen. Die Jurysitzung selbst nimmt dann drei ganze Tage in Anspruch, gilt es doch zig Einreichungen zu analysieren und diskutieren und sich schlussendlich auf die GewinnerInnen zu einigen.
Ist die Entscheidung gefallen, werden die GewinnerInnen bei einer Pressekonferenz der breiten Öffentlichkeit in Anwesenheit von VertreterInnen lokaler, nationaler sowie internationaler Medien vorgestellt. Dabei werden die Statements der Jury erläutert sowie detailliert auf die PreisträgerInnenprojekte eingegangen.
Das nächste Highlight im Prix Ars Electronica Jahr ist schließlich das Ars Electronica Festival, das jeden September in Linz stattfindet. Im Rahmen der Gala erfolgt eine feierliche Überreichung der Goldenen Nicas, der Auszeichnungen und der Anerkennungen.
Das Ars Electronica Festival, das 2019 mit mehr als 110.000 Besuchen einen Rekord verzeichnete, speist sich zu einem Gutteil aus Prix-Einreichungen. Wichtigster Showcase des Prix Ars Electronica ist dabei ohne Zweifel die große CyberArts-Ausstellung im OK.
Darüber hinaus werden viele weitere beim Prix Ars Electronica eingereichte Projekte in unterschiedlichen Festivalprogramme gezeigt: Kunstwerke und Projekte der Kategorie Digital Musics und Sound Art etwa sind in Form von Konzerten am und um das Festival vertreten. Zu den wichtigsten zählen hierbei der Opening-Event, die Große Konzertnacht oder die OK Night.
Eine weitere Festival-Bühne für die GewinnerInnen des Prix Ars Electronica bilden die Prix-Foren, wie die CyberArts-Schau ebenfalls im OK. Die KünstlerInnen sprechen hier über ihr Werk, ihre Perspektiven und Anliegen, das Publikum kann Fragen stellen.
Das Expanded Animation Symposium, das im Rahmen des Animation Festivals stattfindet, fungiert ebenso als Austauschplattform für Animationsschaffende weltweit. Die Programmschiene, die preisgekrönte Einreichungen des Prix Ars Electronica in der Kategorie Animation würdigt, heißt Electronic Theatre.
Die ausgezeichneten Projekte des Prix Ars Electronica in der Kategorie u19 – create your world bekommen ebenfalls eine eigene Ausstellung im Rahmen des Festivals. Das Besondere daran ist, dass der gesamte Bereich gemeinsam mit den PreisträgerInnen entsteht. Außerdem gibt es eine eigene, hochkarätig besetzte u19 Ceremony, bei der die Preise und Auszeichnungen vergeben werden.
Die u19 Kategorie des Prix Ars Electronica ist wiederum in zwei Unterkategorien gegliedert: Young Creatives, das sind Einreichende bis 14 Jahre, und Young Professionals, das sind Einreichende zwischen 14 bis 19 Jahre.
Nach dem Ars Electronica Festival sind die GewinnerInnen und ihre Projekte weiterhin gefragt – zum Beispiel im Ars Electronica Center in Linz: Wenn das Projekt thematisch in die Ausstellungen passt, wird es für das Center in Erwägung gezogen und wird dort entweder in der Dauerausstellung oder im Deep Space 8K präsentiert.
Oder im Rahmen einer der vielen Ausstellungen, die Ars Electronica für und mit PartnerInnen in aller Welt zeigt: Unter dem Namen Ars Electronica Export realisiert Ars Electronica seit 2004 gemeinsam mit Partnern aus Kunst und Kultur, Wissenschaft und Bildung, Wirtschaft und Industrie unterschiedlichste Projekte in aller Welt. Die Bandbreite reicht dabei von Ausstellungen und Präsentationen über Konferenzen und Workshops bis zu Performances und Interventionen.
Zwei Beispiele, für sehr erfolgreiche Ars Electronica Export Formate der letzten Jahre sind etwa das School of the Future Festival, das 2020 zum zweiten Mal in Kooperation mit Tokyo Midtown in Tokio, Japan stattfindet. Die Veranstaltung ist ein außerschulischer Ort mit inspirierenden Impulsen der Medienkunst, die nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken über die Zukunft unserer Gesellschaft anregen sollen.
Oder die ERROR – The Art of Imperfection Ausstellung in Berlin, bei der sich Anfang 2019 anschließend an das Festivalthema im Berliner DRIVE. Volkswagen Group Forum alles um Abweichungen von der Norm drehte. ERROR – The Art of Imperfection ist ein gemeinsames Ausstellungsprojekt von Ars Electronica und der Volkswagen AG.
„Just because something doesn’t do what you planned it to do doesn’t mean it’s useless.“
Thomas A. Edison
Selbst wenn das Festival vorbei ist, die Ausstellungen im Center der Vergangenheit angehören und die Goldene Nica, die man gewonnen hat, bereits Staub ansetzt: Als KünstlerIn des Prix Ars Electronica gerät man sicher nicht in Vergessenheit. Zu guter Letzt wird jede Einreichung beim Prix Ars Electronica Teil des Ars Electronica Archivs, einer weltweit einmaligen Sammlung und Dokumentation der Medienkunst und ihrer Entwicklung.
Zum Schluss noch ein paar Zahlen, Daten und Fakten zum Prix Ars Electronica:
- Seit 1987 gab es in Summe 72.606 Einreichungen.
- Nach Ländern wären die USA das Land mit den häufigsten Einreichungen. 2019 haben aber erstmals mehr KünstlerInnen aus Japan eingereicht und die USA an der Spitze abgelöst.
- Inkludiert man die Kategorie u19, die ausschließlich österreichweit ausgeschrieben wird, kamen 2019 die meisten Einreichungen aus Österreich.
- Insgesamt blieben drei Goldene Nicas, abgesehen von der u19 Kategorie, im Land: Christa Sommerer gemeinsam mit Laurent Mignonneau (FR) 1994, Martin Kaltenbrunner und Peter Geiger gemeinsam mit Marcos Alonso und Sergi Jordà (ES) 2008 und Peter Kutin 2019.
- Der jünste Gewinner in der Kategorie u19 war erst fünf Jahre alt!
- Die goldene Nica ist 39 Zentimeter hoch und wiegt samt Box sieben Kilogramm. Jede einzelne Trophäe ist von Hand aus Holz geschnitzt von dem Künstler Michael Lauss. Anschließend wird der Sockel graviert, die Statue wird mit Goldfarbe überzogen und in eine ebenfalls eigens angefertigte Box verpackt. Das innere der Box ist ebenfalls maßangefertigt für jede einzelne Nica.