Ars Electronica, das ist die Zukunft, kulturelles Erbe die Vergangenheit. Beide erzƤhlen von disruptiven Wechselbeziehungen im Schnittfeld von Kunst, Technologie und Gesellschaft. Im Deep Space 8K gehen sie eine einmalige Symbiose ein.
Kunst- und KulturschƤtze sind einzigartig und unvergƤnglich. Ob GemƤlde, Skulpturen, TheaterstĆ¼cke, Literatur, Filme, Installationen oder Architektur ā es sind KreativitƤt, VirtuositƤt und Weitblick ihrer Urheber*innen, die darin zum Ausdruck kommen und uns Jahrhunderte, ja Jahrtausende spƤter immer noch staunen machen. Es ist aber auch, was diese Werke symbolisieren. Ćhnlich wie Gesteinsschichten vom Klima, der Fauna und Flora lƤngst vergangener Erdzeitalter kĆ¼nden, zeichnet kulturelles Erbe den unwahrscheinlichen Verlauf der Entwicklung unserer Zivilisation nach. Es erzƤhlt von Welt- und Menschenbildern, MachtverhƤltnissen und Konflikten, von Sieger*innen und Verlierer*innen, revolutionƤren Technologien und GeschƤftsmodellen, von uralten SehnsĆ¼chten, groĆen TrƤumen und sehr alltƤglichen Sorgen.
„Kunst- und KulturschƤtze spiegeln aber nicht nur die politischen, religiƶsen, technologischen oder kĆ¼nstlerischen Facetten ihrer Zeit wider. Sie offenbaren auch den Wertekanon jener Gesellschaft, die sie als solche deklariert und wertschƤtzt“, sagt Michaela Wimplinger. āWas als ākulturelles Erbeā gilt, wo, wie und von wem es bewahrt werden soll und welche Geschichten es erzƤhlt, wird immer wieder anders beantwortet. Das hat weniger mit einer sich verƤndernden Bewertung kĆ¼nstlerischer QualitƤt zu tun, sondern vielmehr damit, wofĆ¼r ein Werk steht: Kunst, die eine Zeit, Ideologie oder Gesellschaft symbolisiert, die wir als positiv ansehen, versehen wir viel eher mit dem Etikett āKulturerbeā als solche, die in Epochen oder von Kulturen geschaffen wurde, die wir ablehnen.“ Es ist daher kein Zufall, dass kulturelles Erbe hƤufig gar der Zerstƶrung anheimfƤllt, wenn es gilt eine neue Gesellschaft aufzubauen: āInmitten von Symbolen einer hinter sich zu lassenden Vergangenheit fƤllt es schwer, den Neuanfang zu schaffen.ā
Kunst, Technologie, Gesellschaft
Michaela Wimplinger pflegt Kontakte zu Museen, Kunst- und Kultureinrichtungen, Sammlungen, Galerien, Start-Ups, Stiftungen und Botschaften in aller Welt. Seit 2017 ist sie fĆ¼r Sonderprojekte und Kooperationen bei der Ars Electronica zustƤndig und gestaltet Konferenzen, AusstellungsbeitrƤge und PrƤsentationen im „Deep Space 8K“. Gemeinsam mit Kolleg*innen aus allen Bereichen des Unternehmens arbeitet sie vor allem daran, digitalisierte Kunst- und KulturschƤtze ins Ars Electronica Center nach Linz zu holen. Als einmalige immersive Erlebnisse werden sie einer breiten Ćffentlichkeit zugƤnglich gemacht. āWir machen kulturelles Erbe zu einem unserer ErzƤhlstrƤnge darĆ¼ber wie Kunst, Technologie und Gesellschaft einander wechselseitig beeinflussen. Kunst- und KulturschƤtze werden dabei zu Linsen, durch die wir unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betrachten und reflektieren kƶnnen.ā
Portal in andere Welten
Wo und wie dies geschieht, ist Ergebnis jahrzehntelanger Entwicklungen. ā2009 war Linz Kulturhauptstadt Europas und das Ars Electronica Center wurde auf 8500 Quadratmeter erweitert. Teil der Architekturausschreibung war ein Raum, der ausschlieĆlich fĆ¼r riesige hochaufgelƶste Projektionen genutzt werden sollte. Die technische Entwicklung dieses āDeep Spaceā Ć¼bernahm das Ars Electronica Futurelab. Am 1. JƤnner 2009 wurde das neue Ars Electronica Center erƶffnet und der „Deep Space“ mit seinen 16 mal 9 Meter groĆen 4K-Wand- und Bodenprojektionen in Betrieb genommen. āDie Besucher*innen waren perplex.ā
Am beliebtesten war damals eine 3D-Visualisierung des gesamten bekannten Universums. āāuniviewā war ein Augenƶffnerā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. āWar man eben noch mit den Ć¼blichen Alltagsproblemchen beschƤftigt, verlor man sich im nƤchsten Moment in diesem wunderschƶnen Weltall mit seinen Myriaden von funkelnden Planeten, Sternen und Galaxien. Man fĆ¼hlte sich so winzig und unbedeutend, aber auch so privilegiert, auf diesem einen Planeten mitten in diesem riesigen Etwas existieren zu dĆ¼rfen.“ Zum ersten Mal hatte der „Deep Space“ sein immersives Potential entfaltet und es stellte sich die Frage, ob kulturelles Erbe hier nicht auch zum einmaligen Erlebnis werden kƶnnte.
Von Katalogen zu immersiven RƤumen
Die Digitalisierung von Kunst- und KulturschƤtzen war damals nichts Neues. Schon in den 1960ern hatte es erste Bestrebungen gegeben, MuseumsbestƤnde und Bibliothekssammlungen zu katalogisieren und digitalisieren. Mit der Verbreitung des Internets und dem technologischen Fortschritt in Sachen Scannen und digitaler Bildverarbeitung erhielten diese BemĆ¼hungen zunehmend Auftrieb. 1996 startete das āInternet Archiveā, ein erstes digitales Archiv fĆ¼r BĆ¼cher, Websites und andere KulturgĆ¼ter, 2002 wurde das āOpen Archival Information System Reference Modelā als ISO-Standard zertifiziert. 2004 initiierte Google sein āBooks Library Projectā zur Digitalisierung von Millionen BĆ¼chern und 2008 startete mit āEuropeanaā die digitale Bibliothek der EuropƤischen Union. āNachdem die Standford University bereits 1999 sehr genaue dreidimensionale Modelle von Michelangelos Skulpturen erstellt hatte, wurde es in diesen 2000er Jahren aber vor allem auch wegen der Fortschritte in Sachen 3D-Scanning, Fotogrammmetrie und Virtual Reality richtig spannendā, erinnert sich Michaela Wimplinger. āEs entstanden immer mehr dreidimensionale digitale Modelle, die legendƤre Artefakte und StƤtten der Menschheitsgeschichte zu immersiven Erlebnissen machten. In Gestalt des āDeep Spaceā hatte Ars Electronica dann eine vƶllig neue Infrastruktur fĆ¼r genau solche Projekte anzubieten.“
Kulturelles Erbe erstmals im āDeep Spaceā
Recht schnell avancierte der āDeep Spaceā zum Publikumsmagneten als auch zur begehrten BĆ¼hne fĆ¼r KĆ¼nstler*innen aus aller Welt. Gigapixelbilder, Datenvisualisierungen, interaktive Spiele, Konzerte und Performances loteten das Potenzial des immersiven Prototypen immer wieder aufs Neue aus. Auch kulturelles Erbe fand sich dabei im Programm. Den Auftakt bildete 2011 eine von CyArk kreierte Punktwolke der antiken Maya-Stadt Tikal im heutigen Guatemala. 2013 prƤsentierte der ƶsterreichische Maler Hermann Nietsch eine Auswahl seiner berĆ¼hmten SchĆ¼ttbilder, 2014 wurden Gigapixelbilder von Kunst- und KulturschƤtzen wie Cellinis „Saliera“ (Kunsthistorisches Museum Wien), der 1943 zerstƶrten „Ebstorfer Weltkarte“, Ingres‘ „La Grande Odalisque“ (Louvre) und Cranachs „Venus in einer Landschaft“ (Louvre) gezeigt.
8K
2015 wurde aus dem āDeep Spaceā der āDeep Space 8Kā. āDas Team des Ars Electronica Futurelab verpasste dem Raum ein technisches Upgrade, das es in sich hatte. Statt der 4K-Auflƶsung projizierten nun acht brandneue Christie-Projektoren Bilder in 8K-Auflƶsung und das mit einer Frequenz von 120 Bildern pro Sekunde. Zudem stieg die Helligkeit der Bilder von 12.000 auf 30.000 ANSI Lumenā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. āUm das immersive Potential des āDeep Space 8Kā promoten zu kƶnnen, brauchten wir aber auch neue Inhalte.ā
Besser als Fernsehen ā ein Spaziergang im antiken Rom
Der Zufall wollte es, dass die BBC eine 60-Minuten-Doku Ć¼ber das antike Rom produzierte und das Team von ScanLAB beauftragt hatte, die alten Stadtstrukturen im Untergrund des heutigen Roms mithilfe von Laserscans sichtbar zu machen. Die Daten fĆ¼r den āDeep Space 8Kā aufzubereiten, stieĆ auf groĆes Interesse und das Ars Electronica Futurelab legte los. Als man dann im Deep Space durch das antike Rom spazieren konnte, waren nicht nur die Besucher*innen baff ā die Leute von der BBC waren schwer beeindrucktā, schmunzelt Michaela Wimplinger.
Mehr kulturelles Erbe
Im Jahr darauf konnten Besucher*innen des Deep Space eine virtuelle Rekonstruktion der Linzer Synagoge erleben. āWie so viele jĆ¼dische GotteshƤuser wurde auch die Linzer Synagoge in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von Nazis in Brand gesteckt und zerstƶrt. Im Rahmen einer Diplomarbeit an der TU Wien entstand dann diese virtuelle Rekonstruktion, die das Team des Ars Electronica Futurelab fĆ¼r den āDeep Spaceā adaptierte.ā
Ebenfalls 2016 wurden Gigapixelbilder der berĆ¼hmten Venus von Willendorf, einer 29.500 Jahre alten Venusfigurine aus dem Gravettien, im āDeep Spaceā prƤsentiert. Die nur 11 cm groĆe Figur zƤhlt zu den bedeutendsten Beispielen der Ƥltesten bekannten Kunstwerke der Menschheit.
āIch fand das alles ungemein inspirierend und wollte dazu beitragen, dass mehr Menschen Zugang zu Kunst- und KulturschƤtzen erhalten. Ich wollte kulturelles Erbe zum Schwerpunkt meiner Arbeit machen“, erzƤhlt Michaela Wimplinger. Anfang 2017 suchte sie das GesprƤch mit der GeschƤftsfĆ¼hrung von Ars Electronica und Ć¼berzeugte. āIch habā mich riesig gefreutā, erinnert sie sich. āWir hatten ja auch ein wirklich tolles Paket am Start: Das Ars Electronica Futurelab entwickelte den Deep Space laufend weiter und wĆ¼rde DatensƤtze aufbereiten, das Ars Electronica Center seine jahrzehntelange Storytelling-Erfahrung einbringen. Dazu kamen das Ars Electronica Festival, das jƤhrlich Expert*innen aus aller Welt nach Linz holte, und der Prix Ars Electronica, Ć¼ber den wir KĆ¼nstler*innen erreichten, die im Deep Space vƶllig neue Inszenierungsmƶglichkeiten vorfanden. Wir brauchten also ānurā noch Partner*innen mit hochkarƤtigen Inhalten und kunsthistorischer Expertise und Sponsoren fĆ¼r die Finanzierung.“
āSharing Heritageā ā Pieter Bruegel im Deep Space 8K
2018 war das EuropƤische Jahr des Kulturerbes. āDie EU-Kommission rief das Motto āSharing Heritageā aus, was fĆ¼r uns der perfekte AufhƤnger warā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. In Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum Wien und der Generaldelegation von Flandern der Belgischen Botschaft gelang es ihr, Gigapixelbilder von GemƤlden von Pieter Bruegel dem Ćlteren nach Linz bringen. āPrƤsentiert wurden die Bilder von Geert Van der Snickt von der UniversitƤt Antwerpen, Frederik Temmermans von der Freien UniversitƤt BrĆ¼ssel und Manfred Sellink, Generaldirektor des Museums fĆ¼r Schƶne KĆ¼nste in Antwerpenā, erinnert sich Michaela Wimplinger. āEs war ein echtes Erlebnis, die Werke von Pieter Bruegel im āDeep Space 8Kā zu erleben und Expert*innen von seinem Leben erzƤhlen zu hƶren. Das groĆartige Feedback, das wir damals bekommen haben, hat mich wahnsinnig gefreut ā und angespornt.ā
In Cheops Pyramide
2019 konnten Besucher*innen des Ars Electronica Center dann Gigapixelbilder der āTabula Peutingerianaā (Ćsterreichischen Nationalbibliothek) sowie des GemƤldes āTrude Engelā von Egon Schiele (Lentos Kunstmuseum) im Deep Space sehen. DarĆ¼ber hinaus kam es zu einer weiteren Zusammenarbeit mit der BBC und ScanLab. āFĆ¼r eine Doku Ć¼ber die Cheops Pyramide war ein hochaufgelƶstes dreidimensionales Modell des antiken Weltwunders entstanden, das im Rahmen des EU-gefƶrderten Forschungsprojekts āImmersifyā vom Ars Electronica Futurelab fĆ¼r den Deep Space bearbeitet wurde. Man konnte sich durch die virtuelle Pyramide bewegen und das Blickfeld dabei frei steuern. Die Besucher*innen waren begeistert und wir motiviert, die nƤchste Projekte anzugehen.ā
Pandemie
2020 stand dann alles Kopf. āAm 30. Januar rief die Weltgesundheitsorganisation wegen der rasanten Ausbreitung des Coronavirus eine internationale Gesundheitsnotlage aus und ehe wir uns versahen, befanden wir uns mitten in der Pandemieā, erinnert sich Michaela Wimplinger. āLockdowns, QuarantƤne, Homeoffice, Kurzarbeit, Zoom-Calls ā die Arbeitsbedingungen waren extrem schwierig, alle unsere Projekte mit einem Mal ungewiss.ā Im Gegensatz zu vielen anderen Kunst- und Kulturinstitutionen, die ihre Events absagten, entschied Ars Electronica sowohl den Ausstellungsbetrieb als auch das Festival weiter- bzw. durchzufĆ¼hren nur eben anders. āInnerhalb kĆ¼rzester Zeit haben wir AusstellungsfĆ¼hrungen, Workshops, Konzerte und auch Deep Space-PrƤsentationen online oder hybrid durchgefĆ¼hrt. FĆ¼r mich war damit klar, dass auch unsere AktivitƤten zum kulturellen Erbe nicht pausieren wĆ¼rden.ā
Raffael und Jan van Eyck
Es war ausgerechnet dieses pandemiegeplagte 2020, in dem sich der 500. Todestag des genialen Raffael jƤhrte. āDas auf Digital Heritage spezialisierte italienische Unternehmen āMagister Artā hatte deshalb ein neues Projekt mit dem Titel āMagister Raffaelloā entwickelt, bei dem die āGrablegung Christiā aus der Galleria Borghese sowie die āMadonna mit dem Stieglitzā und das āSelbstportraitā aus den Uffizien zunƤchst als Gigapixelbilder digitalisiert wurden und aus diesen dann ein Video gestaltet wurdeā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. UnterstĆ¼tzt wurde āMagister Raffaelloā vom Italienischen Kulturinstitut in Wien.
Das zweite Highlight in dem Jahr war ein Projekt mit dem Museum BrĆ¼gge, der Generaldelegation Flanderns und dem Belgischen Kƶniglichen Institut fĆ¼r Kulturerbe und Kunst in Flandern. āIm April war der von Jan van Eyck gestaltete Altar der Sint Baafs Kathedrale in Gent nach langer Restaurierung wieder erƶffnet und in ganz Flandern 2020 zum Festjahr rund um den flƤmischen AusnahmekĆ¼nstler erklƤrt wordenā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. āEs gelang uns, hochaufgelƶste Bilder dieses weltberĆ¼hmten Altars zu bekommen und im ‚Deep Space 8K‘ zu zeigen. FĆ¼r die PrƤsentation war Till-Holger Borchert, der Direktor des Museums in BrĆ¼gge, zugeschalten und hat nicht nur die Bilder, sondern auch das kreative Umfeld und die Techniken van Eycks erlƤutert.ā
Guernica
āOhne dass wir es ahnen konnten, war es tragischerweise eine sehr passende Entscheidung, im September 2021 Picassos ‚Guernica‘ zu zeigen“, sagt Michaela Wimplinger. Nur wenige Monate spƤter, im Februar 2022, sollte der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland eskalieren und die russische Invasion beginnen. āUns beschƤftigte zu dem Zeitpunkt viel mehr die Spaltung unserer Gesellschaft in ImpfbefĆ¼rworter*innen und -gegner*innen, weshalb wir ein Werk zeigen wollten, das die Demokratie hochhielt. Mit Mabel Tapia war damals die stellvertretende Direktorin des Museo Nacional Centro de Arte Reina SofĆa Madrid, mit Olga Sevillano die Leiterin fĆ¼r Digitale Projekte des Museo Nacional Centro de Arte Reina SofĆa Madrid zu Gast in Linz. Gemeinsam haben sie Picassos āGuernicaā prƤsentiert.ā UnterstĆ¼tzt wurde das Projekt von der Spanischen Botschaft in Wien.
Deep Space Evolution
Im MƤrz 2022 stand zunƤchst der „Deep Space 8K“ selbst im Mittelpunkt. āDas Team des Ars Electronica Futurelab hatte monatelang gearbeitet und die technische LeistungsfƤhigkeit des prototypischen Projektionsraums auf ein neues Level gehobenā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. Der Projektionsraum war jetzt mit vier Laserprojektoren ausgestattet, die einen viel grƶĆeren Farbraum darstellen konnten, aber rund 30 Prozent weniger Strom verbrauchten. Weil sie nicht so heiĆ wurden, mussten sie viel weniger stark gekĆ¼hlt werden und waren deshalb wesentlich leiser. Komplett erneuert wurden zudem alle sieben Workstations, auf denen der āDeep Space 8Kā lief, und die Rechenleistung um rund 200 Prozent erhƶht. Eine deutliche Performancesteigerung wurde auch bei den Grafikkarten erzielt ā statt vier brauchte es nun nur noch zwei pro Rechner, was deren Stromverbrauch wiederum um 40 Prozent reduzierte. āUnter dem Motto āDeep Space Evolutionā haben wir dann Ende MƤrz zum Medientermin und zur Erƶffnung geladen und uns Ć¼ber jede Menge glƤnzende Augen und offene MĆ¼nder gefreut.ā
Frauen damals und heute
Kurz darauf stand dann mit āMerlic trifft Klimtā ein spannendes kĆ¼nstlerisches Aufeinandertreffen auf dem Programm. āUnser Thema war das sich wandelnde Frauenbildā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. āMit Franz Smola hatten wir einen renommierten Klimt-Spezialisten zu Gast, der am Beispiel hochaufgelƶster Klimt-Bilder zeigte, wie Frauen im 19. Jahrhundert idealtypisch gedacht wurden. Kontrastiert haben wir das mit Rebecca Merlic, einer jungen KĆ¼nstlerin aus Wien, und ihrem Projekt GLITCHBODIES, das im Jahr darauf beim Prix Ars Electronica eine Honorary Mention fĆ¼r New Animation Art erhielt. Es handelte sich um ein interaktives Spiel, das neue Formen des Feminismus, LGBTQ+ und Drag verband.ā
Die Vatikanischen Museen, der Louvre, ein Gastspiel
Im November 2022 feierte die āWorld Heritage Conventionā der Unesco ihr 50-Jahre-JubilƤum. āRund um die Welt gab es Konferenzen und Ausstellungen, die das Welterbe als eine Quelle der Resilienz, Menschlichkeit und Innovation zelebrierten.ā Wenige Wochen davor, im September 2022, fand sich die internationale Medienkunstszene beim Ars Electronica Festival in Linz ein.
āWir haben richtig hingefiebert auf dieses Festivalā, erinnert sich Michaela Wimplinger. āDank der UnterstĆ¼tzung durch die Botschaft des Heiligen Stuhls in Rom konnten wir gemeinsam mit den Vatikanischen Museen Gigapixel-Bilder von zwei Kunstwerken von Pietro Perugino aus der Sixtinischen Kapelle im ‚Deep Space 8K‘ zeigen. ErlƤutert wurden die Werke von Direktorin Barbara Jatta hƶchstpersƶnlich und Rosanna Di Pinto, der Leiterin der Abteilung fĆ¼r Bilder und Rechte der Vatikanischen Museen.ā
Auch das zweite Projekt war in jeder Hinsicht hochkarƤtig: eine interaktive immersive PrƤsentation von Leonardo da Vincis āMona Lisaā. āVincent Delieuvin, Chefkurator fĆ¼r italienische Malerei des 16. Jahrhunderts im Louvre, Roei Amit, General Manager von Grand Palais Immersif, und Christelle Terrier, Head of Production Mona Lisa Immersive, kamen nach Linz und gestalteten eine sensationelle Session im Deep Spaceā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. āĆberhaupt war die Zusammenarbeit mit dem Grand Palais Immersif Paris und dem MusĆ©e du Louvre fantastisch und auch das Institut Francais dĀ“Autriche und die Franzƶsischen Botschaft unterstĆ¼tzen das Projekt mit groĆem Engagement.ā
Venezianische VergƤnglichkeit, Goyas Wahrheit, Leonardos Letztes Abendmahl
2023 strahlte das kulturelle Erbe im āDeep Space 8Kā erneut sehr hell. āOb die Palazzi und KanƤle der Lagunenstadt, der Markusplatz oder die WƤnde und Decken des Dogenpalastes ā āVenice Revealedā machte alle staunenā, gerƤt Michaela Wimplinger immer noch ins SchwƤrmen. āDas riesige dreidimensionale Modell Venedigs entstand durch die Zusammenarbeit von Grand Palais Immersif, Iconem und Fondazione Musei Civici di Venezia. Dank des Institut Francais dĀ“Autriche sowie der Franzƶsischen und der Italienischen Botschaften in Wien konnten wir āVenice Revealedā nach Linz bringen.ā Doch das war nicht alles.
āUnterstĆ¼tzt von der Spanischen Botschaft in Wien, prƤsentierten wir gemeinsam mit dem Museo Nacional del Prado Gigapixelbilder von Francisco de Goyaā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. āIn einer superspannenden Session erlƤuterten Alejandro Vergara, Kurator am Prado, und Javier Pantoja Ferrari, CDIO am Prado, Goyas Werk und Denken und stellten dabei immer wieder BezĆ¼ge zum Thema des Ars Electronica Festivals her, das sich der Frage āWho Owns the Truthā verschrieben hatte.ā
Weiters wurde mit dem Reina Sofia Madrid erneut ein ebenso spannender Beitrag mit Hilfe der Gigapixel-Technologie gezeigt. Zwei wichtige Werke (Pablo Picassos Frau in Blau und Eine Welt von der KĆ¼nstlerin Ćngeles Santos) aus der Sammlung des Museo Reina SofĆa wurde von Olga Sevillano Pintado und Raul Martinez analysiert. Mƶglich wurde dies einmal mehr durch die groĆartige UnterstĆ¼tzung der Spanischen Botschaft.
Das vierte Programm des Jahres 2023 war āLast Supperā von Franz Fischnaller und Haltadefinizione. Das Besondere daran war, dass man in dieses ultra-hochaufgelƶste Gigapixelbild von Leonardo da Vincis āLetztes Abendmahlā nicht nur hineinzoomen und kleinste Details entdecken, sondern sogar die zweidimensionale Eben des Freskos durchdringen und sich virtuell im GemƤlde bewegen konnte. āMan konnte rund um die Tafel gehen, an der Jesus und die Apostel ihr letztes gemeinsames Mahl einnahmen.ā
Kulturelles Erbe, Ars Electronica, 2024
So viel zur langen, kurzen Geschichte darĆ¼ber, wie kulturelles Erbe Einzug in den āDeep Space 8Kā hielt und Ć¼ber die Jahre zum fixen Bestandteil der Ars Electronica-ErzƤhlung rund um Kunst, Technologie und Gesellschaft wurde. Was und mit wem aber wird fĆ¼r das Ars Electronica Festival 2024 geplant?
Notre Dame ƶffnet die Tore
āVorweg, ich kann es wieder einmal kaum erwarten, dass endlich September ist und wir im Rahmen des Festivals wieder in den āDeep Space 8Kā bitten dĆ¼rfenā, sagt Michaela Wimplinger. āGemeinsam mit Iconem Paris und Histovery, dem Institut Francais dĀ“Autriche, dem Institut Francais dĀ“Paris und der Franzƶsischen Botschaft werden wir ein ultrahochaufgelƶstes 3D-Modell von Notre Dame prƤsentieren.ā Jeder Winkel, der im April 2019 in Brand geratenen, weltberĆ¼hmte Kathedrale wurde fĆ¼r die Erstellung dieses Modells gescannt, fotografiert und gefilmt. Zentrale Bedeutung hatten dabei die Scans des 2018 verstorbenen Kunsthistorikers Andrew Tallon. āDas Pariser Start-Up Iconem hat aus dieser Unmenge an Daten dann ein sensationelles 3D-Modell entwickelt, das jetzt vom Ars Electronica Futurelab fĆ¼r den āDeep Space 8Kā aufbereitet wirdā, erzƤhlt Michaela Wimplinger. āNicht zuletzt, weil Notre-Dame in Paris ja am 8. Dezember dieses Jahres mit groĆem Pomp wiedererƶffnet wird, passt es einfach perfekt, dass wir vorab im September einen virtuellen Rundgang durch die Kathedrale anbieten kƶnnen und dabei auch noch international renommierte Expert*innen als Guides zu Gast haben.ā
Vittore Carpaccios junger Ritter posiert in pittoresker Landschaft
Ein zweites Projekt wird mit dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza Madrid und der UnterstĆ¼tzung der Spanischen Botschaft in Wien umgesetzt. āWir werden Gigapixelbilder von Vittore Carpaccios āYoung Knight in a Landscapeā zeigen ā eines der frĆ¼hesten Ganzkƶrperportraits der europƤischen Malerei Ć¼berhaupt, das lange Zeit Alfred DĆ¼rer zugeschrieben und nun aufwƤndig restauriert wurdeā, sagt Michaela Wimplinger.
Kulturelles Erbe, Ars Electronica, die Zukunft
Kunst- und KulturschƤtze werden Ć¼ber 2024 hinaus ein zentrales Thema der Ars Electronica-ErzƤhlung zwischen Kunst, Technologie und Gesellschaft bilden. āIch mƶchte und kann noch nichts verraten, aber wir fĆ¼hren eine ganze Reihe von GesprƤchen mit renommierten Institutionenā, sagt Michaela Wimplinger. āIm Mittelpunkt steht dabei immer die Frage, wie wir mit immersiven Technologien und einem anderen Storytelling neue und sinnstiftende Perspektiven auf Kunst- und KulturschƤtze erƶffnen kƶnnen. Wenn wir gemeinsam zufriedenstellende Antworten auf diese Frage erarbeiten kƶnnen, nehmen wir ein Projekt gemeinsam in Angriff ā wenn nicht, dann nicht. Ein Bild bloĆ ab- und wieder aufzuhƤngen, lohnt den Aufwand nicht und wird auch das Publikum nicht begeistern.ā
Was sie immer wieder motiviert, solch aufwƤndige Projekte voranzutreiben? āZum einen natĆ¼rlich die Faszination, die von diesen Kunstwerken ausgeht. Man muss sich nur mal Ć¼berlegen, was es bedeutet, zum Beispiel eine Geschichte zu schreiben, die 2000 oder 3000 Jahre spƤter Menschen immer noch in ihren Bann zieht. Das ist unglaublichā, gerƤt Michaela Wimplinger unweigerlich ins SchwƤrmen. āZum anderen inspiriert mich der Austausch mit den Menschen, die in all diesen Museen oder Start-Ups tƤtig sind. Ihre Begeisterung fĆ¼r die Kunst ist grenzenlos und ihr Wissen wirklich beeindruckend. Ich lerne sehr viel in den GesprƤchen mit diesen Persƶnlichkeiten.ā
Was sie besonders anstrengend findet? āDie rechtlichen HĆ¼rden zu Ć¼berwindenā, sagt Michaela Wimplinger sofort und lacht. āIm Ernst ā es ist wirklich nicht leicht, Gigapixelbilder von Werken wie der āMona Lisaā zeigen zu dĆ¼rfen bzw. Fotos oder Clips davon im Rahmen der Promo vorab online zu stellen. Es geht da um EigentĆ¼mer*innenrechte, Urheber*innenrechte und Nutzungsrechte, die im Fall von jahrhundertealten und weltberĆ¼hmten Kunstwerken ziemlich kompliziert sein kƶnnen.ā
Warum sie bei Ars Electronica und in keiner Kunstgalerie oder Kunstmuseum arbeitet? āWeil ich mich in der urbanen, internationalen und diversen Welt der Medienkunst ausgesprochen wohl fĆ¼hle. Themen wie Demokratie, Gender und Nachhaltigkeit haben hier zentralen Stellenwert und sind auch mir ungemein wichtigā, so Michaela Wimplinger. āIn der Zusammenarbeit mit so traditionsreichen und komplexen Institutionen wie den Vatikanischen Museen finde ich es deshalb immer wieder spannend, wie und wo wir zueinander finden ā hier die Ars Electronica, deren Welt, bedingt durch die rasante Technologieentwicklung, sehr schnelllebig und unĆ¼bersichtlich ist und in der alle Blicke auf die Zukunft gerichtet sind und dort die Welt der Kunstgeschichte, in der sich alles um das Bewahren und Erforschen von zeitlosen Artefakten dreht und Geduld und Beharrlichkeit eine wichtige Rolle spielen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es in diesen Kooperationen fĆ¼r Ars Electronica um die Verbindung zur Vergangenheit und fĆ¼r die Welt der Kunstgeschichte um die BrĆ¼cke in die Zukunft geht.ā
MedienkĆ¼nstler Karl Sims (US) grĆ¼ndete 1996 GenArts und entwickelte Spezialeffekt-Plugins, die fĆ¼r Filme wie āThe Matrixā, „Star Warsā oder āDer Herr der Ringeā genutzt wurden. Im āDeep Space 8Kā treffen seine immersiven Bildwelten auf kĆ¼nstlerisch-technologische Experimente vergangener Jahrhunderte wie der āTurmbau zu Babelā von Pieter Bruegel dem Ćlteren, der wiederum die Gestaltung von Minas Tirith in „Herr der Ringeā inspirierte.
Stichwort Zukunft. Was wĆ¼nscht sie sich fĆ¼r die kommenden Jahre? Michaela Wimplinger Ć¼berlegt kurz und sagt dann: āMehr Geld und mehr Innovation.ā Was sie damit meint? āNun ja, Geld kann man nie genug habenā, lacht sie. āAber im Ernst. Die finanziellen Mittel fĆ¼r unsere Projekte rund um das kulturelle Erbe stammen aktuell zum Ć¼berwiegenden Teil vom Dorotheum, das uns seit 2022 groĆartig unterstĆ¼tzt sowie von den in Wien angesiedelten Botschaften und Kultureinrichtungen. Aber es wƤre toll, wenn wir auch Unternehmen als langfristige Sponsoren*innen gewinnen kƶnnten. Dann wƤre es uns mƶglich ā und das bringt mich zum zweiten Punkt ā noch mehr neue Wege zu erkunden. Ich meine damit nicht mehr Programm, sondern mehr innovative Formen der Vermittlung und des ErzƤhlens ā ich wĆ¼rde etwa wahnsinnig gern mit internationalen Expert*innen darĆ¼ber nachdenken, wie wir ihre Kunst- und KulturschƤtze mittels immersiver Technologien und entsprechendem Storytelling speziell fĆ¼r Kinder und Jugendliche aufbereiten kƶnnten. Ich mƶchte kulturelles Erbe nicht als Sinnbild der Hochkultur zeigen, sondern vermitteln, dass Kunst- und KulturschƤtze aus allen Regionen und Kulturen dieser Welt etwas sehr Menschliches sind und davon zeugen, dass wir schon immer sehr verschieden waren aber auch sehr viel gemeinsam haben.ā