Ars Electronica – Art, Technology, Society. Der Claim steht für die drei Säulen, auf die unsere Philosophie baut: Kunst, Technologie, Gesellschaft. Wörtlich bedeutet Gesellschaft, “den Inbegriff räumlich vereint lebender oder vorübergehend auf einem Raum vereinter Personen”. Wir, inklusive Ars Electronica, sind ein Teil von ihr. Wir alle, das ist Gesellschaft.
Aber wofür steht dieses ominöse “Society” in unserem Namen wirklich? Mit welchen Themen setzt sich die Ars Electronica auseinander, wo bringt sie sich ein? Anhand des vergangenen Jahres möchten wir noch einmal aufrollen, wie wir unsere Rolle gegenüber und mitten in der Gesellschaft definieren und womit wir uns beschäftigen. Eines vorweg: Unser Ziel ist es, aktuelle Entwicklungen unserer digitalen Gesellschaft gemeinsam mit Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Entwickler*innen, Designer*innen, Unternehmer*innen und Aktivist*innen und spekulieren über ihre Ausprägungen in der Zukunft. Ein Credo stellen wir dabei allem voran: Im Mittelpunkt stehen wir Menschen.
Is there a Planet B?
Der Spruch “There is no Planet B” ist seit der Fridays4Future Bewegung ein Begriff. Dieser Planet B, den es eben nicht gibt, soll uns daran erinnern, dass es nur eine Erde gibt, und wir auf dem Weg sind, diese zu verlieren, wenn wir nicht handeln. “There is no Planet B” wurde so auch 2021 zum Jahresschwerpunkt im Ars Electronica Center und zum Titel einer neuen Ausstellung, die sich mit der globalen Erwärmung und der menschlichen Verantwortung beschäftigt.
2022 jetzt steht unter dem Titel “Welcome to Planet B”. Wie jetzt? Plötzlich gibt es einen Planet B, der uns alle willkommen heißt? Weit gefehlt, der Titel des diesjährigen Festivals und gleichnamiger Applikationen im Deep Space 8K (der sich übrigens im Frühjahr einer Verjüngungskur unterzog und mit neuen Funktionen und Applikationen das Publikum ins Center lockte) ist vielmehr ein Gedankenexperiment:
Wie würde das Leben auf Planet B aussehen, wenn wir es geschafft hätten? Welche Voraussetzungen hätte es gebraucht und was wäre die Rolle der Kunst dabei gewesen? Welcome to Planet B – A different life is possible! But How? Ein Festival auf der herausfordernden Suche nach Antworten auf die Widersprüchlichkeiten unserer Zeit.
“Weder die naiven Eskapismen in virtuelle Welten, noch die technologische Ultra-topie einer Weltraumbesiedelung werden uns davor bewahren, uns den großen unangenehmen Fragen zu stellen. Wie muss unser Leben auf diesem Planeten aussehen, damit wir den ökologischen Supergau verhindern können. Welche Handlungen müssen wir setzen und welche Konsequenzen in Kauf nehmen. Wieviel Überzeugungskraft, wieviel Anstrengung, wieviel Druck, wieviel Zwang wird notwendig sein, und welche „Kollateralschäden“ werden damit verbunden sein?“
“Society” meint für Ars Electronica aber nicht den Fingerzeig auf die Menschen da draußen, sondern auch das Anpacken eigener Themen: Den Festivalschwerpunkt versteht man nämlich nicht nur als Aufforderung an das Publikum, sich mit der globalen Erwärmung auseinanderzusetzen, sondern wir stellen uns auch der eigenen Verantwortung als C02-Produzent. Als Green-Event wurde heuer Nachhaltigkeit noch viel systematischer unter die Lupe genommen, als bereits in den Jahren zuvor. Ob Mobilität, Kreislaufwirtschaft, Energie und Sanitär oder soziale Verantwortung: Alles wird analysiert und Verbesserungspotenzial evaluiert.
Aber natürlich hat uns das Thema Sustainability auch auf der inhaltlichen Ebene begleitet. So stand etwa die Themenausstellung unter dem Motto STUDIO(dys)TOPIA (mehr dazu im letzten Blogbeitrag), aber auch Giulia Foscari und UNLESS mit ihrer Arbeit „Antarctic Resolution“, die Gewinner*innen des STARTS Prize 2022, seien hier erwähnt, ebenso gab es im Konferenzprogramm besonders spannende Speakers wie etwa Ernst Ulrich Weizsäcker, ehemaliger Präsident des Club of Rome, oder die Morning Inspirations des Futurelab Day, wo es darum ging, wie Kreativität dazu beitragen kann, die Klimakrise zu bekämpfen.
Zusätzlich zu den direkten Aktivitäten des Festivals fand heuer wieder eine Festival University in Kooperation mit der JKU statt, bei der junge Menschen aus aller Welt und aus allen Disziplinen eingeladen waren: Transform your world! Das Ergebnis des dreiwöchigen Sommerprogramms war ein “Climate Court”, ein fiktives Gericht, vor dem die jungen Menschen Klimafragen aus Sicht unterschiedlicher Parteien und unter dem Vorsitz anerkannter Jurist*innen der JKU verhandelten.
Übrigens: Zu Jahresende haben wir diesen Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit noch einmal bekräftigt, indem wir uns ab jetzt “Klimabündnis-Partner” nennen dürfen. Nicht unerwähnt lassen möchten wir hier unseren Kollegen Elias, der in seiner Rolle als Haustechniker wesentlich daran beteiligt ist, die Energiebilanz der Ars Electronica und vor allem des Ars Electronica Centers zu verbessern – nicht gerade leicht, wenn man bedenkt, dass das Haus auch bereits in die Jahre gekommen ist (auch wenn man es ihm nicht ansieht).
Gemeinsam für einen Europäischen Digitalen Humanismus
Nicht nur wenn es um die Zukunft unseres Planeten geht, bringen wir uns als Ars Electronica in Gesellschaftsfragen ein. Ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt, ist der Digitale Humanismus. Auf dem Weg in ein neues, digitales Zeitalter, eine Ära, indem sich Maschinen verselbstständigen zu scheinen, müssen wir die Weichen dafür stellen, dass unsere digitale Gesellschaft auch weiterhin Grundwerten wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten verpflichtet bleibt.
Deshalb gehören Ars Electronica als Plattform für Kunst, Technologie und Gesellschaft und von der Europäischen Union geförderte Kooperationsprojekte, die sich genau diesem Europäischen Digitalen Humanismus verschrieben haben, untrennbar zusammen. Aus dieser internationalen Zusammenarbeit entstehen regelmäßig spannende Allianzen zwischen Künstler*innen, Forscher*innen und Industrievertreter*innen in multidisziplinären Projekten, die weit über Österreichs Grenzen hinausreichen. Themen, die hier verhandelt werden, sind etwa die Rolle von KI, wenn es ums (digitale) Sterben und unser Vermächtnis geht, wie vorurteilsbehaftet KI ist, etwa wenn es um Geschlechterstereotype geht, aber auch um Ungleichheiten generell.
Ein Ereignis prägte das vergangene Jahr weltpolitisch gesehen besonders, und zwang uns, unser Selbstverständnis als europäische Einheit im Sinne des (digitalen) Humanismus zu hinterfragen: Der Angriffskrieg auf die Ukraine. Hier sahen wir uns als Kultureinrichtung gezwungen zu handeln, indem wir nicht nur ukrainische Künstler*innen unterstützen, sondern all jene, die in der freien Äußerung ihrer Kunst bedroht oder dafür verfolgt werden.
“Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine fordert ein klares Bekenntnis und eine gelebte Solidarität mit Kunst- und Kulturschaffenden, die ihre Tätigkeit aufgrund politischer oder sozialer Umstände nicht oder kaum sichtbar ausüben können. Mit der Ausschreibung „State of the ART(ist)“ schaffen das österreichische Außenministerium und Ars Electronica nun eine virtuelle Kunsthalle, um in einem sicheren Rahmen die Entfaltung künstlerischer Freiheiten zu ermöglichen. Damit sollen Künstler*innen in der Ukraine und weltweit unterstützt werden, denen ein Engagement für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung vor Ort nicht oder nur unter großer Bedrohung möglich ist.”
Bildung als gesellschaftlicher Auftrag
Neben unserem Einsatz für Künstler*innen ist uns aber auch die Förderung im Bildungsbereich ein Anliegen: Ein weiterer Open Call, den wir im vergangenen Jahr zum ersten Mal gestartet haben und dessen neue Ausschreibung bereits wieder läuft, ist “Klasse! Lernen.” In Kooperation mit OeAD, BMBWF und Ars Electronica wurde dieser Bildungspreis 2021 gestartet, um digitale Bildungsprojekte vor den Vorhang zu holen.
Unseren Bildungsauftrag und –anspruch nehmen wir auch in der Future Thinking School wahr. Zu Themen wir Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft werden Workshops für Schulen und Unternehmen angeboten. Eine neue Kooperation mit dem AMS Oberösterreich unterstützt Frauen beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt oder beim Wechsel in ein neues Berufsfeld, ein Programm speziell für Lehrlinge gibt Einblicke in neue Technologien und behandelt damit einhergehende Fragestellungen.
Wie stellt ihr euch denn die Zukunft vor?
Auch im Futurelab beschäftigt man sich mit gesellschaftlichen Fragestellungen, wie zum Beispiel: Wie stellen wir uns die Mobilität der Zukunft vor? Über Jahrzehnte hinweg galt das Auto als das Symbol für Freiheit, Lebenslust und Wohlstand. Es prägte das Lebensgefühl von Generationen, es veränderte das Antlitz unserer Städte. Rund 100 Jahre nachdem sein Siegeszug begann, gerät der PKW nun aber immer mehr ins Zentrum einer ebenso breiten wie intensiven Diskussion: Welche Rolle soll das Auto in einer Zukunft spielen, in der wir unseren ökologischen Fußabdruck massiv verkleinern müssen? Und noch viel grundsätzlicher: welche Mobilitätsformen braucht eine solche nachhaltige Zukunft eigentlich?
Wie stellen wir uns die Arbeit der Zukunft vor? Wie künftige Generationen ihr Einkommen verdienen werden und wie Arbeit dem Gemeinwohl dienen kann, stand im Mittelpunkt der offenen Diskussion „Arbeit der Zukunft“ beim Futurelab Day im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2022.
Wie wird sich die Menschheit und die Menschlichkeit insgesamt verändern? Wissenschaft und Technologie bringen einen neuen Sinn für die Menschheit mit sich – von den Möglichkeiten der Biowissenschaften und der Hirnforschung bis hin zu künstlicher Intelligenz und künstlichem Leben sowie der Robotik. Um diese Andeutungen eines neuen Lebensgefühls in einen Dialog zu bringen und ihnen einen Sinn zu geben, ist die Kunst gefragt. Das Ars Electronica Futurelab lud daher Expert*innen aus verschiedenen Bereichen ein, um beim Futurelab Day des Ars Electronica Festivals 2022 die Diskussion über die „Humanity of the Future“ zu vertiefen.
Und zuletzt stellte man sich im Ars Electronica auch die Frage: Welche Vorstellungen haben eigentlich die wahren Expert*innen für die Zukunft? Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Ars Electronica Futurelab im vergangenen Jahr haben Mitglieder des Ars Electronica Futurelab Meinungen von renommierten Zukunftsforscher*innen eingeholt, um gemeinsam über mögliche Zukunftsgeschichten zu spekulieren. Ihre Reise in die Zukunft führte sie sogar über die Grenzen unserer Hemisphäre hinaus zu unentdeckten Planeten, mit so unterschiedlichen Themen wie Vielfalt, Mobilität und Natur. Was ist das Besondere an den Expert*innen der Zukunft? Sie sind im Durchschnitt sieben Jahre alt!
Wir hoffen, dass wir euch anhand dieser exemplarischen Projekte des vergangenen Jahres in das Ars Electronica Universum mitnehmen und euch unser Verständnis von „Gesellschaft“ ein Stück weit näherbringen konnten. Hiermit verabschieden wir uns von 2022 und würden uns freuen, wenn ihr auch 2023 wieder mit uns diskutiert, uns besucht, mit uns arbeitet und forscht – egal ob online, in Linz oder rund um die Welt.