Ein sonores Wummern liegt in der Luft, verschiedenste Gerüche wehen durch die betongrauen Gänge, gepaart mit dem Gefühl der Internationalität, des Aufbruchs, des aufregend Neuem: Das Ars Electronica Festival 2023 gastierte wieder in der POSTCITY! Nach drei Jahren am grünen Campus der Johannes Kepler Universität wurden heuer wieder die Gänge, Hallen und nicht zuletzt der Bunker des ehemaligen Postverteilerzentrums am Linzer Hauptbahnhof bespielt. Nicht zu vergessen sind aber auch die 13 Locations in der Linzer Innenstadt, die die fünf Festivaltage wieder zu etwas ganz Besonderem gemacht haben.
1542 Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Entwickler*innen, Designer*innen und Aktivist*innen aus 88 Ländern wirkten am Festival mit, das auch in diesem Jahr als „Green Event“ umgesetzt wurde. Dazu kamen 75 Studierende aus 43 Ländern, die am gemeinsam mit dem IDSA (Institute of Digital Sciences Austria) durchgeführten FOUNDING LAB teilnahmen. 338 Partner*innen und Sponsor*innen sowie 434 Mitarbeiter*innen machten es möglich, 650 Ausstellungsobjekte zu präsentieren und 575 Veranstaltungen anzubieten. 20 Kilometer Stromkabel, 550 Stück 10-Meter-Verlängerungskabel und 550 Stück 5-Meter-Verlängerungskabel, 800 Steckdosen-Verteiler, 400 Screens, 75 Projektoren, 75 Notebooks, 150 PCs und 100 Raspberry Pi, 60 Ausstellungswandmodule, 430 Tische und 2100 Sessel, hunderte Pflanzen – nur durch eine Aufzählung an Materialien, Veranstaltungen, Personen und Orten ist es möglich, jenen, die noch nie beim Festival zu Besuch waren, die Dimensionen dieses Megaevents zu verdeutlichen. Und auch all jene, die dabei gewesen sind, möchten wir in diesem Rückblick noch einmal in zahlreichen Bildern, Anekdoten und Videos einladen, die letzten fünf Tage mit uns Revue passieren zu lassen, Gefühle, Eindrücke, Gerüche und Geräusche des Ars Electronica Festival noch einmal in Erinnerung zu rufen.
Gleichzeitig blicken wir aber bereits nach vorne, denn eines ist schon sicher: Das Ars Electronica Festival 2024 findet von 4. bis 8. September statt! Wo? Das sei noch nicht verraten…
Vor allem für die Linzer*innen beginnt das Festival traditionell bereits am Vorabend der eigentlichen Eröffnung, wenn die Locations der Linzer Innenstadt zum Pre-Opening-Walk einladen. Heuer herrschte hier ein besonders großer Andrang, das Interesse an den Ausstellungen war groß, die Locations gut besucht. Los ging es im Linzer Mariendom mit der Tanzperformance The Mirage Replicas 2.0, weiter im Ursulinenhof des OÖ Kulturquartiers mit der Gruppenausstellung von Markus Riebe, Yoichiro Kawaguchi und Sofia Talanti, danach spazierte der Tross an die Kunstuniversität Linz zum Soundcampus, wo neben Medienkunst von Studierenden eine Auflegerei mit kühlen Drinks für diesen warmen Spätsommerabend serviert wurden. Lange war nicht Zeit um zu verweilen, wenn man die poetische Ausstellung Butterfly Dreams. The New Aesthetic of AI in Artistic Practice der Nanyang Technological University im Salzamt nicht verpassen wollte, bevor man auf die andere Seite der Donau in den Deep Space 8K des Ars Electronica Center huschte. Wer jetzt noch immer Energie und zu wenig Schritte auf seiner Fitnessuhr verzeichnete, konnte den Abend noch in der Stadtwerkstatt ausklingen lassen.
Tag 1: Education Day
Am nächsten Tag hieß es früh aufstehen, um nichts vom ersten Festivaltag, dem Education Day, zu verpassen: Unabdingbar für eine breite und kritische, dabei aber konstruktive Auseinandersetzung darüber, was wahr und was falsch, was echt und was fake ist, ist Bildung. Es ist daher gleichermaßen als Statement wie Forderung zu verstehen, dass die diesjährige Ars Electronica Tag 1 zum “Education Day“ erklärte. Punkt 9.45 stand das PH Symposium in der Lecture Hall am Programm, das trotz der frühen Stunde bereits gut besucht war. Passend zum Education Day öffnete außerdem der missimo Truck am Hauptplatz seine Türen, eine fahrbare spielerische Lernerfahrung zum Thema MIN(K)T. 2018 trat die Kaiserschild Stiftung, eine gemeinnützige Privatstiftung, an das Ars Electronica Futurelab heran. Ihre Idee, ein mobiles Lern- und Verbreitungskonzept für Volksschulen zu entwickeln, mündete in missimo: Deine Mission Morgen: ein Projekt für Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren, das viele Experimente zu Themen wie KI, Robotik und Programmierung bietet und per LKW Schulen in ganz Österreich besucht.
Jetzt aber zurück in die POSTCITY, wo um 11 Uhr der Klasse! Lernen Preis verliehen wurde. Unter tosendem Klatschen und Trampeln der motivierten Kids wurden die zehn von der Jury ausgewählten Gewinner*innenprojekte vorgestellt. Der Preis wurde ins Leben gerufen von OeAD (Österreichische Agentur für Bildung und Internationalisierung), BMBWF (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) und Ars Electronica, vor dem Hintergrund, dass ein zeitgemäßes Bildungssystem jungen Menschen vermitteln sollte, wie sie ihr Leben und Lernen in einer digitalisierten Welt nachhaltig aktiv gestalten können. Die Besucher*innen konnten während des Festivals in einer eigenen Ausstellung mehr zu den Projekten erfahren.
Mit dem Lernen der Zukunft beschäftigt sich vorrangig auch das FOUNDING LAB, ein Projekt zwischen IDSA und Ars Electronica, das quasi als Prototyp der in jeder Hinsicht neuen, interdisziplinären Linzer Universität, des IDSA, dient. Im Vorfeld des Festivals engagierten sich 75 Studierende in der Summer School, diskutierten und verhandelten in Expert Talks etwa mit Minister Polaschek und Ministerin Gewessler oder auch mit Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales, um die Ergebnisse schließlich im Forum und in einer Ausstellung am Festival zu präsentieren. Jetzt heißt es kurz verschnaufen, bevor es am 4. Oktober mit dem Fall Term, dem ersten „Testsemester“ der Uni der Zukunft, weitergeht.
Wer sich nicht nur passiv mit innovativen Bildungsprojekten auseinandersetzen wollte, sondern selbst aktiv werden wollte, hatte in zahlreichen Workshops die Möglichkeit dazu, wie etwa zum Theme Citizen Science oder im Workshop Planetary Public Stack von Miha Turšič und dem Waag Futurelab – bei dem die Teilnehmer*innen die Perspektive wechseln und von oben auf die Erde und ihre Umweltkatastrophen blicken konnten.
Nach einer kurzen Verschnaufpause im einladend gestalteten Courtyard der POSTCITY, flankiert von lokalen Foodtrucks, oder in einem Liegestuhl in der Transformation Lounge, ist es jetzt aber wieder Zeit, in Ausstellungen einzutauchen, von denen das Ars Electronica Festival heuer noch mehr als jemals zuvor zu bieten hatte:
2023 verlieh die Ars Electronica zum ersten Mal im Namen der Europäischen Kommission den European Union Prize for Citizen Science. Die gleichnamige Ausstellung zeigte die Vielfalt und außergewöhnliche Kreativität der europäischen Citizen-Science-Initiativen.
Gleich daneben, am Ars Electronica Campus, stellten 56 internationale Universitäten aus den Bereichen Medienkunst, Design und Technologie die Ergebnisse ihres Schaffens in einer Fülle an Projekten ihrer Studierenden aus. Die Campus Ausstellung erstreckte sich aber nicht nur über diesen riesigen Bereich in der POSTCITY, sondern umfasste außerdem noch die Ausstellungen an der Kunstuniversität sowie im Salzamt, die bereits Teil des Pre-Opening-Walks waren. Mit diesem gemeinsamen Auftritt unterstrich die Campus-Ausstellung besonders die Kreativität, die Zusammenarbeit und die Erforschung bei der Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft.
Abends dann trafen sich alle Festivalbesucher*innen und Mitwirkende in der Gleishalle zum offiziellen Opening – nicht nur des Festivals sondern auch des FOUNDING LAB; zugegebenermaßen ein etwas holpriger Start in die darauffolgenden Tage. Sorry an dieser Stelle an alle, die etwas länger beim Einlass warten mussten. Die Wartenden wurden schließlich aber mit der visuell eindrucksvollen Lasershow TRIPTYCH des Prix Ars Electronica Preisträgers Robin Fox entschädigt oder mit OSZILOT, was viele Besucher*innen als Highlight des Festivals bezeichneten: Eine Soundinstallation und Performance mit Alltagsgegenständen wie Sesseln oder Backformen, die mittels Sensoren nicht nur Klang, sondern ein ganzes Musikstück erzeugten – ebenso poetisch wie technisch faszinierend.
Tag 2: S+T+ARTS Day
Tag 2 ist S+T+ARTS Day am Ars Electronica Festival, das heißt, der Donnerstag war ganz der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Wissenschaft gewidmet, die ebenfalls zwei der drei fundamentalen Säulen der Ars Electronica darstellen. S+T+ARTS ist eine Initiative der Europäischen Kommission, durch die Technologie und künstlerische Praxis bestmöglich verbunden und zum Gewinn sowohl für die europäische Innovationspolitik als auch die Kunstwelt werden sollen. Im Mittelpunkt stehen Menschen und Projekte, die dazu beitragen, Europas soziale, ökologische und ökonomische Herausforderungen zu meistern. Der S+T+ARTS Prize zeichnet jährlich richtungsweisende Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Wissenschaft aus, die das Potential haben, zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Innovation beizutragen.
Die S+T+ARTS Ausstellung stellte ebenjene Preisträger*innen und ihre Arbeiten des heurigen Jahres vor, in der S+T+ARTS Conference wurde nicht nur über die Projekte, sondern vor allem mitteinander diskutiert und Pläne für die Zukunft gewälzt.
Die Verbindung zwischen Kunst, Technologie und Wissenschaft findet sich auch an der JKU wieder, genauer gesagt am JKU Square, wo sich die Universität präsentierte. Ob in Workshops zur Zukunft der Künstlichen Intelligenz oder einem Kasperltheater, das ebendieses Thema niederschwellig näherbrachte, bis hin zur Repräsentation des beliebten JKU Formats „Zirkus des Wissens“: „Next Truth Prediction“ war hier auf allen Ebenen das Stichwort.
Wer sich nicht sicher war, ob er*sie die Fülle an Eindrücken und Projekten alleine bewältigen kann, oder wer einfach ein bisschen mehr Hintergrund zu den Arbeiten hören wollte, war bei den Kolleg*innen am WE GUIDE YOU Desk gut aufgehoben: Von Spotlight Tours, die einen ersten Einblick in die unterschiedlichen Schwerpunkte des Festivals gaben, bis hin zu Expert Tours, die Besucher*innen die Möglichkeit hatten, von den Expert*innen – den Wissenschaftler*innen, Künstler*innen oder Kurator*innen selbst durch ihre Bereiche geführt zu werden und mit ihnen ins Gespräch zu kommen… es war für jeden Geschmack etwas dabei.
Die Ars Electronica bleibt niemals in ihrer eigenen Blase, sondern sucht Kooperationen und Partnerschaften mit wichtigen Playern, mit Meinungs- und Marktführer*innen nicht nur in Oberösterreich, sondern über die Grenzen des Landes, über die Grenzen des Kontinents hinaus. So eine Partnerschaft besteht zum Beispiel auch mit Salzkammergut 2024, der europäischen Kulturhauptstadt im eigenen Bundesland, die am Festival mit mehreren Sessions vertreten war.
Eine weitere sehr wichtige Repräsentation nicht nur einer Partnerschaft, sondern eines Herzensprojektes der Ars Electronica, stellt State of the ART(ist) dar: State of the ART(ist), eine Zusammenarbeit zwischen Ars Electronica und dem österreichischen Außenministerium, beschäftigt sich mit Kunstschaffenden, die in ihrer Existenz bedroht sind, sei es in Form von politischer Verfolgung oder Umweltkatastrophen. Ein eigens ausgeschriebener Preis würdigte künstlerische Arbeiten, am Festival war das Ergebnis in Form einer Ausstellung sowie eines Panels präsent.
Machen wir einen Abstecher auf die andere Seite der Donau, in den Deep Space 8K des Ars Electronica Center: Bildgewaltige Erlebnisse, inspirierende Vorträge und eindrucksvolle Performances waren die Programm-Highlights im Deep Space 8K während des Ars Electronica Festival 2023.
Eine seit Jahren sehr erfolgreiche Schiene der Ars Electronica wurde ebenfalls hier zur Schau gestellt, nämlich die Kooperation mit großen, renommierten Kunsthäusern, um Werke wie die des Prado oder des Reina Sofia auf die digitale Leinwand zu holen und so noch mehr Menschen zugänglich zu machen. Highlights heuer waren Venice Revealed des Grand Palais Immersif und Iconem, LAST SUPPER INTERACTIVE (LSI), „Das Letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci, A Portrait of the Artist as a Young Man (and as a Young Woman Too) sowie Goya’s Truth.
Am Abend dann, während ein Teil des Festivalpublikums in der Gleishalle die preisgekrönten Künstler*innen der Ars Electronica Preise würdigte, eroberte hier im Deep Space 8K die Medienkunst die Stage, gezeigt wurde ein Querschnitt durch die Möglichkeiten des Raumes und seiner Kunst.
Ein Haus weiter, im Studio des Futurelab, gastierte dieser Tage ein besonderes Highlight des Festivals, um dessen begehrte Plätze die Besucher*innen rangen: Rimini Protokoll, das experimentelle deutsche Theaterkollektiv, war mit einem Stück zu Gast, das statt Schauspieler*innen einen humanoiden Roboter, das Abbild des Autors Thomas Melle, auf die Bühne holte, um dem Publikum die unbequeme Frage nach dem „Uncanny Valley“ zu stellen – der Frage nach Distanz, Nähe und Ähnlichkeit zwischen dem Mensch und seinem manchmal vielleicht sogar perfekteren künstlich erschaffenen Ebenbild.
Zurück in die POSTCITY, wo ebenjene oben bereits erwähnte Award Ceremony vonstatten ging, diesmal reibungsloser als am Tag zuvor beim Opening. Die Veranstaltung bildete die gesamte Vielfalt der von Ars Electronica ausgeschriebenen Preise und ihrer Gewinner*innen ab und zeigte das Spektrum ihrer Arbeit – von New Animation Art über Digital Musics bis hin zur Innovation an der Schnittstelle zwischen Kunst, Technologie und Wissenschaft (S+T+ARTS) und den Bereich der Citizen Science.
Tag 3: More-than-Planet Day
Rise and shine hieß es kurz darauf wieder am Festivalfreitag, das Ars Electronica Festival 2023 ist bei der Halbzeit angelangt aber noch lange nicht durch mit allen Highlights, die es noch bereithält.
Werfen wir einen genaueren Blick auf die Themenausstellung: Unter dem Titel (Co)Owning More-than-Truth nahm sie sich der Frage „Wem gehört die Wahrheit?“ an und beleuchtete das Thema des diesjährigen Festivals aus vielfältigen Perspektiven. Wie in den vergangenen POSTCITY Festivalausgaben füllten ihre Exponate die Bunker und Untergeschoße des ehemaligen Postverteilerzentrums, beleuchteten düstere Gänge und setzten Hallen voller Paketbänder und Postrutschen in ein ganz anderes Licht. Aber nicht nur klassische Ausstellungsobjekte, auch Performances wie der bedrohliche Kampf zweier metallener Maschinen der Bekannten von Cod.Act, Uperqt, füllten die dunklen Hallen der POSTCITY mit unangenehmen wie eindrucksvollen Erfahrungen.
Inmitten vielfältiger globaler Herausforderungen und technologischer Revolutionen beschäftigt sich das Futurelab mit kreativen Fragen rund um „What are the Futures?“, um neue Hoffnung zu schaffen und aktiv zu werden. Im Open Futurelab konnten sich Besucher*innen mit dem Team des Ars Electronica Futurelab, deren Partner*innen und den anderen Teilnehmer*innen vernetzen und austauschen. Besucher*innen konnten in der POSTCITY in die Open-Futurelab-Ausstellung eintauchen und im Deep Space 8K des Ars Electronica Center an einzigartigen Erlebnissen teilhaben. Input zu den Ideen und Visionen für die Zukunft, an denen das Ars Electronic Futurelab gerade arbeitet, bekamen die Teilnehmer*innen auch in der Expert Tour: Open Futurelab. Ziel des Futurelab ist es vor allem, nicht nur fertige Projekte zu präsentieren, sondern den Diskurs anzuregen, was in dieser Tour wunderbar gelungen ist.
Ein weiterer Bereich der Ars Electronica, der am Festival einen Showcase seiner Aktivitäten präsentierte, ist Ars Electronica Solutions: Ars Electronica Solutions konzipiert, gestaltet und realisiert interaktive und multisensorische Erlebniswelten. Es werden kreative, individuelle Lösungen für temporäre und permanente öffentliche Ausstellungen, Brand Lands, Messen und Events entwickelt.Von Projekten mit der ESA bis hin zum Export des berühmten Deep Space 8K in die ganze Welt: Dieses und viele weitere Projekte aus dem Hause Ars Electronica Solutions konnte man in diesem eigenen Ausstellungsbereich und in Talkformaten erleben.
Die Kunst der Animation und der Dialog darüber stand beim Animationfestival und dem Expanded Animation Symposium im Fokus. Das Ars Electronica Animation Festival 2023 versteht sich als Schaufenster, das dazu einlädt, die neuesten künstlerischen Produktionen im Bereich der digitalen Animation zu entdecken. Beim Expanded Animation Symposiums diskutierten zahlreiche internationale Expert*innen aus Kunst, Wissenschaft und Forschung an drei Tagen über das diesjährige Thema „The Art of Performance“. Das Symposium bot mehrere Programmschienen: die Panels Kunst & Industrie, Artist Position, Performative Acts, und Virtual Stages, das Synaesthetic Syntax Symposium und das ASIFA Austria Forum.
Die Kooperation zwischen der Cisneros Fontanals Art Foundation (CIFO) und Ars Electronica hat zur Vergabe der prestigeträchtigen CIFO x Ars Electronica Awards geführt, die im Jahr 2022 ins Leben gerufen wurden. Mit der renommierten Auszeichnung werden aufstrebende lateinamerikanische Künstler*innen unterstützt, die sich mit Technologien im Zusammenhang mit neuen Medien und digitaler Kunst beschäftigen. Heuer wird (denn die Ausstellung ist noch bis Ende September im LENTOS zu sehen) im Rahmen der zweiten Vergabe des Awards die Ausstellung „Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America“ im Rahmen des Ars Electronica Festivals gezeigt, in der insgesamt neun künstlerische Perspektiven aus der lateinamerikanischen Kultur und Region ausgestellt werden.
Die Ars Electronica Gardens Exhibition 2023 fungierte als dynamische Plattform für kulturelle und wissenschaftliche Partner aus aller Welt. Durch ihre kreativen Projekte bringen diese Partner seit mehreren Jahren vielfältige Blickwinkel ein und bereichern das Festival mit einem reichen Spektrum an Themen und Ideen. Der Übergang zwischen Themenausstellung und Gardens Exhibition war nicht nur räumlich fließend: Die Kunstwerke standen jenen der Themenausstellung in nichts nach.
Ein wunderbares Kleinod stellte im Deep Space 8K die Präsentation des Project Humanity dar: Project Humanity ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das das Potenzial des Menschen aus bisher unbekannten Perspektiven erforscht. Für das erste Projekt wurden zwei Systeme für Menschen mit ALS entwickelt: Ein Sprachsynthesesystem, das deren Stimmen aus sehr spärlich existierenden, früheren Sprachaufnahmen in Videoaufzeichnungen rekonstruiert, und Musikinstrumente, die für die Eingabe per Blick optimiert sind. Die Präsentation war nicht nur berührend, sondern auch bewegend, als am Ende alle Besucher*innen für den an ALS erkrankten Künstler tanzten.
Beim Themensymposium beleuchteten Expert*innen, wie die Technologie unser Verhältnis zur Gesellschaft, zur Natur und zur Demokratie verändert hat. Prominente und inspirierende Persönlichkeiten wie Karen Hao, Journalistin und Datenwissenschaftlerin, bekannt für ihre Berichterstattung über KI-Forschung und Mitproduzentin des Podcasts In Machines We Trust, oder Sian Proctor, kommerzielle Astronautin, Geologieprofessorin, Künstlerin, Autorin und Major bei der Civil Air Patrol oder Sarah E. Kreps, amerikanische Politikwissenschaftlerin, Veteranin der United States Air Force und Mitglied des Council on Foreign Relations waren nur ein paar der großen Namen, die im Zentrum der Key Notes und Podiumsdiskussionen standen.
Durch Bildung und Innovation schweben uns nun Zukunftsvisionen zunehmend klarer vor. Neuerungen und Ideen sollten mit holistischem Denken umgesetzt werden, das uns nur als Teil des Ökosystems wahrnimmt, das es zu erhalten gilt. (Un)Earthing the Truth: Ownership and Narratives about the Planet, die Themenkonferenz der More-than-Planet Initiative am Samstag, griff genau diesen Gedanken auf.
Auch die Große Konzertnacht, eine weitere „alte“ Bekannte der Ars Electronica, kehrte wieder in die Hallen der POSTCITY zurück: Geleitet von Markus Poschner gab das Bruckner Orchester unter dem Titel „AUFTAKT“ – Neues beginnt Anton Bruckner zum Besten. Begleitet wurden sie dabei von den nordischen, futuristischen Klängen der isländischen Komponistin und Kontrabassistin Bára Gísladóttir und des österreichischen Rappers Def Ill, dessen gesellschaftskritischer Rap auch das klassische Publikum begeisterte.
Wer an Tag 3 noch nicht zu müde war, um die Nacht zum Tag zu machen, der wurde mit spektakulären optischen Eindrücken, tanzbaren ebenso wie unmöglich einzuordnenden Klängen der Ars Electronica Nightline belohnt. Aber am besten, wir lassen hierfür einfach Bilder sprechen…:
Tag 4: Dare-the-Truth Day
Eine unbequeme Wahrheit zu akzeptieren, darum ging es an Tag 4 des Ars Electronica Festival. Ein besonderer Fokus lag an diesem Tag auf der wissenschaftlichen Evidenz der sich entwickelnden Klimakatastrophe. In der Konferenz “The End of the Truth“ standen die Menschen im Mittelpunkt, die diese Wahrheit nicht nur akzeptiert haben, sondern schon längst alles daransetzen, das Beste daraus zu machen.
Der VH Award holte die Gewinner*innenprojekte des 5th VH Award auf die Deep Space 8K Bühne – Der 2016 von der Hyundai Motor Group ins Leben gerufene VH Award ist Asiens führende Award Platform. Er widmet sich der Entdeckung und Unterstützung aufstrebender, in Asien ansässiger Medienkünstlerinnen, die sich mit dem asiatischen Kontext und seiner Zukunft auseinandersetzen.
Nicht nur die Katakomben, der Bunker, das dunkle Labyrinth der POSTCITY gehören untrennbar zu diesem Gebäude dazu, sondern auch die bewachsene Dachfläche, von der aus man einen spannenden, völlig neuen Blickwinkel auf die Stadt Linz hat. Der Stadtökologe und Botaniker Friedrich Schwarz konnte auch heuer wieder für eine Expert Tour gewonnen werden, in der er die Besucher*innen mitnahm auf eine Reise in die fasziniernde, artenreiche wie seltene Welt der Pflanzen, die inmitten der Stadt ihr eigenes Überleben gesichert haben.
Aufmerksame Festivalbesucher*innen haben bisher in diesem Rückblick einen zentralen Teil der Ars Electronica vermisst: Das create your world Festival übernimmt immer mehr zivilgesellschaftliche Funktion — es lädt ein, gemeinsam über neue Ideen und Aktionen nachzudenken, darüber, welche Ziele friedliche Proteste verfolgen können und sollten. Gleichzeitig bot das create your world Festival wieder eine bunte Plattform für Pädagog*innen, Jugendliche und interessierte Tüftler*innen. Ein Kunst-Jahrmarkt der Zukunft, der neue Ideen und Inspirationen ermöglicht.
Am Festivalsamstag wurden dann außerdem die preisgekrönten Arbeiten des Prix Ars Electronica in der u19 – create your world Kategorie vor den Vorhang geholt – samt ihren jungen Künstler*innen. Die Bandbreite reichte vom Robotheater über die Beschäftigung mit der eigenen Erinnerungskultur bis hin zur humorvollen PiPi-Maschine: Die Arbeiten standen in ihrem Einfallsreichtum und Erfinder*innengeist den „Großen“ in nichts nach!
Ein weiterer Fixpunkt des Festivalsamstags, diesmal aber ganz anderer Natur, ist der BIO Austria Bauernmarkt, der die Besucher*innen kulinarisch verwöhnte und die volle Bandbreite lokaler, regionaler, saisonaler BIO Lebensmittel abbildete.
Wer sich zur Prompt Battle verirrte, der wurde bestimmt nicht enttäuscht: „Hast du das Zeug zum Prompt-Engineer?“ hieß es hier. Prompt Engineere verwenden magische Prompts wie eine Art Zauberspruch, um künstliche Intelligenz dazu zu bringen, die besten neuen Bilder, Texte, Videos oder Musikstücke zu erzeugen. Bei der Prompt Battle konnten mutige Menschen in einem Live-Gameshow-Format mithilfe von Text-zu-Bild-Software gegeneinander antreten.
Der Samstagabend, traditionell reserviert für die Klangwolke, die mittlerweile nicht mehr hausgemacht von der Ars Electronica, aber immer noch sehr verbunden mit ihr und ihren Inhalten ist, endete für die einen Besucher*innen ebenda, die anderen strömten zahlreich in den Deep Space 8K des Ars Electronica Center, wo das Ars Electronica Futurelab einen unterhaltsamen Einblick in seine Arbeit gab: Die Futurelab Night Performances gaben einen exklusiven Blick frei auf die neuesten künstlerischen Projekte des Ars Electronica Futurelab. In einer einzigartigen, immersiven Umgebung, die von visualisierten Klängen, sonifizierten Biodaten und experimentellen Live-Visualisierungen durchdrungen war, erwartete die Besucher*innen ein breites Spektrum an Erlebnissen.
Tag 5: Prix Ars Electronica Day
Und das letzte Wort hat natürlich die Kunst: Die Kunst ist die, die alles darf und weder vor Naivität noch Subjektivität oder Radikalität zurückschrecken braucht, um uns und unserem Denken und Tun den berühmten Spiegel vorzuhalten. Der letzte Tag des Festivals gehörte also den Gewinner*innen des Prix Ars Electronica, ihren Visionen, Ideen und Projekten, egal ob bei der Prix Ars Electronica Exhibition, die preisgekrönte Medienkunst zeigte, oder im Prix Ars Electronica Forum, wo ebendiese Kunst zwischen Expert*innen und mit dem Publikum diskutiert wurde.
Anschließend kamen Persönlichkeiten aus verschiedenen Fachbereichen, Ländern und mit unterschiedlichen Erfahrungen bei Re-build Together: Digital, human and arts-driven innovation in Africa zusammen. In diesem Gespräch wurde die Rolle digitaler, menschlicher und kunstgetriebener Innovation in Afrika erörtert, um die Möglichkeit einer Neugestaltung der Entwicklung unserer Länder und Kontinente zu thematisieren. Versucht wurde, Bereiche für eine verstärkte und gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika zu identifizieren, und alle Besucher*innen waren eingeladen, sich ebenfalls an der Diskussion zu beteiligen.
Lustig, kreativ und lebendig ging es bei der Hebocon, dem Wettstreit der Low-Tech-Roboter im create your world Bereich zu, wo Kinder und Jugendliche ihre Kreaturen in den Ring stiegen ließen – angefeuert vom Publikum. Zuvor konnten an allen Festivaltagen eigene Roboter gebaut und programmiert werden – Vorerfahrungen in Robotik oder Coding waren dabei nicht nötig. Am letzten Festivaltag schließlich konnten die jungen Kreativen ihre Kreationen in lustigen Duellen gegeneinander antreten lassen, wobei Kreativität genauso bewertet wurde wie Schnelligkeit oder Wendigkeit.
Bereits zur Tradition geworden ist schließlich das Pianographique Konzert von Maki Namekawa mit Visualisierungen von Cori O’Lan, das heuer wieder in der Gleishalle gastierte und den visuell und auditiv eindrucksvollen Abschluss des Festivals bildete.
Am Ende möchten wir uns noch einmal bei unseren 338 Kooperationspartner*innen und Sponsor*innen bedanken, die dieses Festival möglich gemacht haben, und mit denen wir hoffentlich auch zukünftig großartige Projekte gemeinsam umsetzen werden. Darunter zum Beispiel die Post AG, unsere Gastgeberin, One Mobility / Klimaticket, Aqua Alpina oder Panasonic. Herzlichen Dank!
In diesem Sinne schließen wir nach fünf Tagen und unzähligen schlaflosen Stunden voller endloser Eindrücke, anregender Gespräche, neuer Ideen und Projekte und vielen neuen Anfängen dieses Festivalkapitel fürs erste. Wir hoffen, dieser Rückblick hat euch noch einmal mitgenommen auf eine Resie durch alles, was von diesem Festival in Erinnerung bleiben wird. Jetzt bleibt uns nur mehr zu sagen, dass wir geruhsame Tage zur Verarbeitung dieser Eindrücke wünschen. Wir freuen uns schon darauf, euch alle von 4. bis 8. September 2024 wieder – an welchem Ort auch immer – zum Ars Electronica Festival 2024 willkommen zu heißen!