2022 gestaltete das Ars Electronica Futurelab während des Ars Electronica Festival erneut einen spezielles “Open Futurelab”-Programm für das breite Publikum: den Futurelab Day am 8. September mit hochkarätig besetzten Diskussionen, der Präsentation der neuesten Laborprojekte, verschiedensten Workshops und elektrisierenden künstlerischen Performances. Der Tag stand unter dem Motto “Creative Resilience for a Planet B”, also Kreative Resilienz für einen Planeten B – in Anspielung auf das Festival-Motto “Welcome to Planet B – A different life is possible, but how?”.
Basis des Themas kreativer Resilienz war die Frage: Wie können wir alle dazu beitragen, Resilienz von einem individuellen in ein gesellschaftliches Konzept verwandeln? Wie können wir gemeinschaftlich auf eine bessere Zukunft, einen Planeten B hinwirken? Und welche Rolle können Kreativität, Kunst und Technologie dabei einnehmen? Diskutiert wurden diese Fragen und mehr mit dem internationalen Festival-Publikum sowie Freund*innen und Gästen des Labors – eine besondere Möglichkeit für Öffentlichkeit, Kunst und Industrie, miteinander in einen breiten, offenen Dialog zu treten. Dazu bot sich die Möglichkeit, die neuesten Projekte des Futurelab zu erleben.
Diskussionen über und für die Zukunft
Den Start setzte die “Morning Inspirations” Session: Hier diskutierte eine spannende Mischung aus Künstler*innen, Aktivist*innen, Forscher*innen und Teilnehmer*innen aus der Industrie über das Thema “Creative Resilience for a Planet B”. Die Teilnehmer*innen der Morning Inspirations waren Sigrid Bürstmayr (AT), Rashin Fahandej (US/IR), Adrian van Hooydonk (NL) und Jung Hsu (TW), Tom Lamberty (DE), Yuima Nakazato (JP), Marcus Neustetter (ZA/AT) und Natalia Rivera (CO). Trotz ganz unterschiedlicher Perspektiven herrschte Einigkeit, dass die Menschheit ihre Kräfte bündeln müsse: Die Zielgruppe der Gesellschaft der Zukunft müsse die globale Gemeinschaft sein. Sie wiesen darauf hin, dass Kunst nicht nur ein Werk, sondern vielmehr ein Prozess ist. Kunst wird auf vielen Ebenen geschaffen, wahrgenommen und erlebt. Kunst kann eine Sprache sein, um ein Gefühl von gemeinschaftlicher, widerstandsfähiger Menschlichkeit zu vermitteln, um diesen Planeten zu retten und einen lebenswerten weltweiten Planeten B zu schaffen.
Ein vollgepackter Nachmittag wartete anschließend mit den vielfältigen “Afternoon Experiences”, bestehend aus Workshops, Präsentationen der neuesten Arbeiten des Futurelab und vielfältigen Diskussionsformaten mit hochkarätigen Gästen.
Eines der Highlights: Die Keynote von Ernst Ulrich von Weizsäcker (DE) zum Thema “From the Limits of Growth to Wellbeing for All within Planetary Boundaries”. Von Weizsäcker konfrontierte die Zuhörer*innen mit den düsteren Prognosen für unseren Planeten und die Menschheit, wenn wir den gegenwärtigen Weg weitergehen. Sein wie immer humorvoller Vortrag konzentrierte sich dann auf konkrete Vorschläge für internationale Ansätze eines neuen Pfads. Dafür, so schlussfolgerte er, brauchen wir ein Gleichgewicht, und zählte Vorschläge wie das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur oder wirtschaftlicher Gerechtigkeit und Leistungsanreizen auf.
Zudem sprach Till Kellerhoff (DE), Program Director des Club of Rome und Manager der Earth4All Initiative. Kuratiert vom Club of Rome folgte die Diskussion “Earth 4 All – A Survival Guide for Humanity” geleitet von Friedrich Hinterberger (AT), mit Jayati Ghosh (IN), Astrid Rössler (AT) und Maria Langsenlehner (DE). Der Club of Rome stellte fest, dass wir nicht nur über Menschenrechte oder menschliche Freiheit sprechen dürfen, sondern mehr noch über menschliche Pflichten. Wir als globale Gemeinschaft haben eine Verantwortung für die nächsten Generationen, für diesen Planeten. Die Teilnehmer*innen erörterten, dass die globale Ungleichheit der Kern des Problems sei und es darum gehe, das geteilte öffentliche Interessen in den Vordergrund zu stellen, um gemeinsam eine Wende zum Wohle der ganzen Welt herbeizuführen.
Ebenfalls angeregt diskutiert wurde zum Thema “Media of the Future”, mit Rashin Fahandej (US/IR), Sarah Kriesche (AT), Oishi Nobuyuki (JP), Joanna Wright (GB) und Takeshi Yamada (JP). Auch die Frage nach der “Humanity of the Future” stand auf dem Programm, wo Guy Ben-Ary (AU), Kasia Chmielinski (US), Hiroshi Ishiguro (JP), Akane Kikuchi (JP), Martina Mara (AT), Sarah Newman (US) und Nathan John Thompson (AU) Visionen austauschten. Zum Thema “Work of the Future” tauschten sich Gianpaolo Barozzi (IT), Victoria Čaić (DE/AT), Mary Lizabeth Lu (PH) und Marcus Neustetter (ZA/AT) mit dem Publikum aus. Die Teilnehmer*innen formulierten, wie Arbeit mehr sein könnte als nur die Sicherung des Überlebens und die Erfüllung der individuellen Entwicklung, sondern einem gemeinsamen Zweck dienen könnte, um etwas zu bewirken, ohne nur das System zu füttern. Die Zuseher*innen sprachen über kulturellen Wandel für jede*n Einzelne*n und Unternehmen gleichermaßen, über die wertvolle Wirkung von Bildung und den Mut, sich zu äußern.
Innovationen und Workshops
Im Ars Electronica Center wurden gleichzeitig brandneue Projekte des Ars Electronica Futurelab vorgestellt und Workshops abgehalten. Im Deep Space 8K wurde unter anderem “Dataspace: Global impacts of the Russian war on Ukraine” präsentiert, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Innovation Lab des japanischen Medienunternehmens Nikkei – eine Art dreidimensionaler Zen-Garten der Information rund um die weltumspannenden Auswirkungen des Krieges. Ebenfalls im 3D-Erlebnisraum gezeigt wurde die Abschlusspräsentation des mehrjährigen Projekts “CoBot”, das mit zahlreichen Partner*innen wie der JKU die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter erforschte.
Auch die neue Arbeit “Life Ink” von Futurelab und Technologieunternehmen Wacom wurde präsentiert – hier wird erstmals die eigene Kreativität anhand von Körperdaten visualisiert, von voller Konzentration bis zum kreativen Funken. Die Festival-Besucher*innen konnten “Life Ink” ebenso selbst ausprobieren wie “Bio Ink” und “Space Ink”. Ersteres lässt Nachrichten aus Tinte mit Mikroorganismen entwerfen, Zweiteres mit Drohnen dreidimensionale Gemälde aus Licht gestalten. Mit dem Workshop “Revivification” wartete zudem eine künstlerische Kooperation zum Thema In-Vitro-Intelligenz. “Re-Writing the Script – A New Relationship to Finitude” wiederum ermöglichte den Teilnehmer*innen, mittels der Methode Art Thinking eine neue Sichtweise auf das eigene Leben zu gewinnen. In Kepler’s Gardens gab es darüber hinaus Workshops zu “Mobility of the Future” zusammen mit Partner BMW sowie zum Thema “Neuro-Rights” von Artist in Residence Roel Heremans.
Futurelab Night 2022
Den Abschluss des Futurelab Day 2022 bildeten die “Night Performances”, wo die neuesten Projekte des Labors ebenso vorgestellt wurden wie vielfältige künstlerische Darbietungen mit Mitgliedern und Freund*innen des Lab. Erstmalig vorgestellt wurden zum Beispiel die Futurelab-internen Projekte “SonoSynthesis”, wo Mikroorganismen und künstliche Intelligenz zusammen Musik erzeugen, sowie ein Kinderbuch zum Deep-Space-Programm “Welcome to Planet B”. Es klärt seit dem Frühjahr im Deep Space 8K über Klimaschutz-Maßnahmen auf und wurde ebenfalls vom Futurelab entwickelt.
Präsentiert wurden außerdem die Projekte “WebExpression”, das die weltweiten Daten-Verflechtungen internationaler Unternehmenskultur von Partner Cisco visualisiert, sowie “Dataspace” und “Life Ink”. Letzteres kam bei einem Auftritt der Pianistin Maki Namekawa eindruckvoll zum Einsatz. Musikalisch ging es weiter mit “Man-Machine Music”: Das Stück war anlässlich des Ingolstädter Wissenschaftskongresses 2022 mit der Futurelab-KI Ricercar komponiert und mit dem Georgischen Kammerorchester uraufgeführt worden, nun wurde es – für Klavier und Streichquartett neu arrangiert – präsentiert.
Es folgte a.ni.i.la.sjɔ̃ [annihilation] – eine Dystopie über das Aussterben des Lebens durch Technologie, ausgedrückt durch Tanz, Video und elektronische Musik. Polychoros zeigte anhand des Duetts einer menschlichen mit einer virtuellen Tänzerin fünf Stadien der Bedürfnisse auf dem Weg zur Selbstverwirklichung. Musik aus angeschwemmtem Plastikmüll stand dann mit Plasticphonia auf dem Programm, wo sich das Bewegen der Kunststoffteile zu einer elektroakustischen Symphonie verband.
Den Abschluss der Night Performances und damit auch des Futurelab Day bildete wie schon im Vorjahr Accordion Noise des Projekts 11°22’4“142°35’5“ – die künstlerische Erkundung des tiefsten Punkts der Erde, des Marianengrabens.
Weitere Artikel und Videos zum Futurelab Day 2022 finden Sie auf dem Ars Electronica Blog:
- How to create „Media of the Future“
- Earth4All: It is not too late
- Diverse, fresh, exciting: Futurelab Day 2022
- Data Telling Story
- On four wheels into the future?
- Directors Talk: Facing crises creatively
- Life Ink: On the trail of creativity
- Night Performances: Experience the night anew
- Futurelab Day: Creative Resilience for Planet B
- Expedition into the realm of ideas
Credits
Ars Electronica Futurelab: Friedrich Bachinger, Florian Berger, Patrick Berger, Alexandre Bizri, Kerstin Blätterbinder, Birgit Cakir, Arno Deutschbauer, Manuel Dobusch, Stephan Feichter, Peter Freudling, Matthew Gardiner, Bernadette Geißler, Barbara Habringer, Peter Haider, Roland Haring, Denise Hirtenfelder, Horst Hörtner, Peter Holzkorn, Susanne Kiesenhofer, Anna Kuthan, Maria Mayr, Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer, Otto Naderer, Nicolas Naveau, Ali Nikrang, Anna Oelsch, Hideaki Ogawa, Johannes Pöll, Daniel Rammer, Erwin Reitböck, Raphael Schaumburg-Lippe, Simon Schmid, Yoko Shimizu, Georgios Tsampounaris