Mit Ungewissheit umgehen
Wir leben in einer Zeit des Wandels: Ökologische Grenzen werden überschritten, politische und gesellschaftliche Systeme sind im Umbruch, und technologische Entwicklungen schreiten schneller voran, als wir ihre Auswirkungen begreifen können. Die Vorstellung einer stabilen, berechenbaren Welt hat ausgedient.
Ungewissheit wird oft als Mangel an Klarheit oder als Fehlen von Informationen beschrieben – doch sie ist mehr als das. Sie ist ein strukturelles Merkmal der Systeme, die wir geschaffen haben, und der Krisen, mit denen wir uns aktuell konfrontiert sehen. Von Klimawandel und algorithmischer Steuerung über geopolitische Instabilität bis hin zum Aufkommen von Quantentechnologien sehen wir uns mit Formen von Ungewissheit konfrontiert, die nicht nur technischer, sondern existenzieller Natur sind. Diese Herausforderungen lassen sich nicht durch mehr Daten oder präzisere Modelle lösen, sondern erfordern ein tiefgreifendes kulturelles und politisches Umdenken. Diese Ausstellung vereint künstlerische und forschungsbasierte Ansätze, die die Systeme, in denen wir leben, hinterfragen und neue Rahmen schaffen, um das Unbekannte zu verstehen, zu fühlen und damit umzugehen.
Klimatische Ungewissheit
Die Auswirkungen des Klimawandels sind unbestreitbar, doch die Komplexität der davon betroffenen ökologischen Systeme macht es oft schwer, Ort, Zeitpunkt und Ausmaß dieser Folgen genau vorherzusagen. In diesem Abschnitt beschäftigen sich die ausgestellten Projekte mit den verflochtenen Realitäten von Umweltzerstörung, Extraktivismus und dem Verlust von Biodiversität, während sie zugleich alternative Wege des Verstehens und Handelns innerhalb ökologischer Systeme aufzeigen.
Techno-soziale Ungewissheit
Durch die beispiellose Entwicklung digitaler Technologien verändern sich nicht nur unsere Werkzeuge, sondern auch die Strukturen unserer Gesellschaft. Doch diese komplexen Systeme bleiben oft intransparent – sogenannte “Black Boxes”, deren Funktionsweise sich nur schwer nachvollziehen lässt. Dieser Teil der Ausstellung beleuchtet, wie Künstler*innen und Forscher*innen die Auswirkungen des Outputs dieser Systeme sichtbar machen und alternative Zukunftsvisionen entwerfen. Einige legen die Machtstrukturen offen, die hinter technologischen Entwicklungen stehen, andere fragen, wie Technologie dem Gemeinwohl und dem Planeten dienen kann. In diesem Kontext wird Ungewissheit zum Ausgangspunkt für ein kritisches Nachdenken darüber, wie wir Technologien gestalten und nutzen. Dabei wird die Notwendigkeit von digitaler Souveränität, gerechtem Zugang zu Infrastrukturen und kritischer Digital Literacy deutlich.
Grundlegende Ungewissheit
Quantentechnologien, die von der theoretischen Physik in die angewandte Informatik vordringen, bringen eine neue Ebene der Unsicherheit mit sich – eine, die den grundlegenden Orientierungsrahmen in Frage stellt, durch den wir die Realität interpretieren. Diese Technologien bergen ein radikales Potenzial, sind für die meisten Menschen jedoch schwer zu erfassen. Die Projekte erkunden, wie Kultur dazu beitragen kann, Quantentechnologien zu interpretieren, zu vermitteln und unser Verständnis zu erweitern. Sie sprechen sowohl die intellektuelle als auch die emotionale Ebene an und tragen so zu einem offenen, inklusiven und kritisch reflektierten Imaginieren von Quantum Futures in einer breiten Öffentlichkeit bei.
Ungewissheit ist kein Problem, das gelöst werden muss, sondern ein Zustand, den es zu verstehen gilt. Sie prägt unser Verhältnis zur Umwelt, zur Technologie und zueinander. Die Werke dieser Ausstellung bieten keine fertigen Lösungen, sondern fungieren als Werkzeuge – um klarer zu sehen, tiefer zu fühlen und weiter zu denken.
Genau hier setzt auch die STARTS-Initiative an: Sie fördert die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Technologie und Kunst, um Innovation neu zu denken – im Dienst einer gerechteren und nachhaltigeren Zukunft. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl der Gewinner*innen des STARTS Prize und STARTS Prize Africa, gefördert durch das Horizon Europe Förderprogramm der Europäischen Union und DG CNECT im Rahmen der Projekte STARTS Ec(h)o und STARTS Afropean Intelligence.
Masha Zolotova (RU) / Co-Curator STARTS Prize Exhibition