Theater & Digital Media

The Trial Against Humanity / Det Norske Teatret - Photo: Det Norske Teatret

Theater & Digital Media

Theater ist seit jeher eine Kunstform, die verschiedene Medien und künstlerische Disziplinen miteinander verbindet und einbezieht. Digitale Ausdrucksformen fanden schon früh Eingang in experimentelle Bühneninszenierungen und gewinnen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung und Verbreitung in Theaterproduktionen.
Diese Entwicklung hat sich während und seit der Covid-Pandemie deutlich beschleunigt. Digitale Werkzeuge sind heute nicht nur stärker in den gestalterischen und inhaltlichen Aspekten des Theaters eingebettet – vom Bühnenbild über die Dramaturgie bis hin zur Einbindung des Publikums –, sondern auch digitale Technologien selbst spielen eine zunehmend zentrale Rolle in den auf der Bühne gezeigten Inhalten. Darüber hinaus sind digitale Ansätze zu einem unverzichtbaren Bestandteil des praktischen Produktionsprozesses geworden – auch wenn sie für das Publikum oft unsichtbar bleiben.

In den vergangenen drei Jahren hat Ars Electronica im Rahmen des ACuTe-Projekts gemeinsam mit einem Netzwerk europäischer Partner digitale Entwicklungen im Theater untersucht. In dieser Zusammenarbeit entstanden Experimentierfelder für Interaktivität, Performance und Technologie, aus denen neun Produktionen hervorgingen, die auf Theaterbühnen in ganz Europa aufgeführt wurden – und eine Fülle neuer Methoden und künstlerischer Ansätze, die wir nun mit der breiteren Theater-Community teilen. Über ACuTe hinaus pflegt Ars Electronica langjährige Partnerschaften auf diesem Gebiet: in Kooperation mit Theatern, Festivals und Production Labs, um den Austausch zwischen Künstler*innen, Technolog*innen und Institutionen zu fördern und gemeinsam neue performative Ausdrucksformen für das digitale Zeitalter zu erkunden.

Im diesjährigen Festivalprogramm lassen sich eindrucksvolle Beispiele der (digitalen) Theaterpraxis auf europäischen Bühnen erleben. Sie spiegeln ein sich wandelndes Feld wider, in dem Digitalität nicht nur als Mittel, sondern als strukturelles Prinzip wirkt – prägend für die Art und Weise, wie Zukunft geprobt, Handlungsspielräume verhandelt und politische Themen inszeniert werden. Zentral ist dabei die Beziehung zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen.

In The Trial Against Humanity des Det Norske Teatret (NO) hinterfragt eine allwissende KI namens Omnitron die Menschheit selbst und konfrontiert das Publikum mit der ethischen Logik digitaler Systeme – ihrer kalten Rationalität, die sich als Fürsorge tarnt. Einen ähnlich kritischen Blick auf Techno-Solutionismus wirft Ekklesia, eine VR-basierte immersive Erfahrung des Staatstheaters Augsburg (DE) und der Künstler Benjamin Seuffert und Lukas Joshua Baueregger: Hier erschaffen die Teilnehmenden gemeinsam eine neue Zivilisation von Grund auf – nur um die Konsequenzen ihrer Designentscheidungen zu erleben.

An anderer Stelle bildet Digitalität zur formgebenden Sprache des Erzählens. In White Hunger des finnischen Oulu Theatre greifen projizierte Illusionen, spielerische Ästhetik und historische Traumata zu einer performativen Reflexion über Zerbrechlichkeit und Überleben ineinander. The Butterfly Project der Fondazione Teatro Comunale di Modena (IT) – ein gemeinsames Projekt von Studierenden aus Helsinki, Gdańsk und Modena – denkt Opernproduktionen neu, indem es nachhaltige digitale Infrastrukturen und KI-gestützte Publikumsinteraktion einsetzt. So entsteht eine neue Form kollektiver Autorschaft, geprägt von Klimabewusstsein und vernetzter Zusammenarbeit über Standorte hinweg. Digitales Theater ist hier nicht nur Immersion – es ist viel mehr ein Zusammenspiel von Verstrickungen.

The Oracle von Victorine van Alphen | Brave New Human (NL) und der Netherlands Film Academy (NL) versetzt Teilnehmende in einen rituellen Raum, in dem Bildschirme zugleich als Spiegel und handelnde Instanzen fungieren. Die Performance greift auf Indigene Philosophien zurück und stellt die Frage, wie menschliche Subjektivität durch Bildkulturen und algorithmische Strukturen fortwährend neu konfiguriert wird. Dieses Auflösen des autonomen Selbst findet eine Resonanz in AREYOUARE, einer hybriden Performance von Silke Grabinger (AT), in der die einzige menschliche Darstellerin auf der Bühne mit Haushaltsrobotern und KI-Projektionen interagiert – eine feministische Neuinterpretation von Präsenz und Kontrolle. In der ortsspezifischen Installation Parallels (Linz) von Marc Da Costa (US/PT) und Matthew Niederhauser (US) wird die Wahrnehmung selbst zum dramaturgischen Thema. Mittels maschinellen Lernens und einer interaktiven LED-Wand wird die Umgebung durch die Linse eines neuronalen Netzwerks zurückgespiegelt, wodurch das Sehen in Echtzeit zu einem fortlaufenden Akt der Neuinterpretation wird.

So wie Parallels (Linz) künstliches Sehen in den öffentlichen Raum integriert, beschäftigt sich die Ausstellung der Spiel- und Objekt-Gruppe der Ernst-Busch-Akademie für Schauspielkunst (DE) ebenfalls mit Identitätsbildung und Erinnerung – mittels spekulativer Spielzeuge, performativer Archivierung und klanglicher Architekturen. Dieser performative Rahmen stellt nicht nur die Art und Weise infrage, wie wir Geschichten erzählen, sondern auch, wie wir über Raum, Zeit und Code hinweg zueinander in Beziehung treten.

Diese Arbeiten markieren den Wandel vom Digitalen als bloßem Werkzeug hin zum Digitalen als dramaturgischem Prinzip. Netzwerke, Simulationen, Rituale und Sensoren werden Teil des sich entwickelnden theatralen Vokabulars, und die Bühne ist nicht länger ortsgebunden, sondern verteilt, reaktiv und zutiefst politisch.

  • AREYOUARE

    SILK Fluegge (AT)

    In AREYOUARE ist die Performerin Silke Grabinger von fünf Robotern umgeben, deren unberechenbare Interaktion mit ihr und untereinander Grenzen neu auslotet. Im Spannungsfeld von Rückprojektionen, Hyperfeminismus und Hybridisierung werden diese Grenzen vermessen und überzeichnet.

  • Große Konzertnacht

    Viktor Ullmann & Peter Kien / Filharmonie Brno (CZ), Dennis Russell Davies (US/AT)

    Als Oper, die gegen alle Widrigkeiten, Entbehrungen und Schrecken des Ghettos und im Bewusstsein der jederzeit möglichen Deportation in ein Vernichtungslager komponiert wurde, ist Der Kaiser von Atlantis ein beeindruckendes Beispiel für Widerstand und schöpferischen Willen. Die Gleishalle der POSTCITY ist als Bühnenraum für diesen Abend von vielfacher Symbolkraft.

  • Der Atem 17/19

    Lee Jung In Creation (KR)

    Der Atem 17/19 ist eine fesselnde und eindringliche Tanzperformance, die koreanische Tradition mit einer zeitgenössischen Interpretation verbindet. Inspiriert von traditionellen Rhythmen und dem “Ganggangsullae“-Tanz, entwickeln sechs Tänzer*innen ein bewegungsreiches Zusammenspiel.

  • DRIFT IN TIME

    ULTRACOMBOS (TW)

    DRIFT IN TIME ist eine audiovisuelle Live-Performance von ULTRACOMBOS und Cicada, die sich mit dem “Gedächtnis des Eises“ und der menschlichen Verbindung zum Klimawandel auseinandersetzt.

  • EGON SCHIELE—Eine persönliche Begegnung

    AMILUX Film (AT), ACTRIO Studio (DE), LUPA Film (DE)

    Die VR-Erfahrung EGON SCHIELE—Eine persönliche Begegnung eröffnet eine einzigartige Möglichkeit, das Leben des Künstlers hautnah und intensiv zu erleben. Schiele erzählt seine Geschichte selbst und richtet Fragen an uns – unsere Antworten beeinflussen den Verlauf der Erzählung und machen daraus eine ganz persönliche Begegnung mit Egon Schiele.

  • Ekklesia

    Benjamin Seuffert (DE), Lukas Joshua Baueregger (DE), Robert Rausch (AT)

    In dieser Virtual Reality Stadt baust du eine neue Zivilisation auf. Die Performance verbindet Theater mit neuen Technologien und konfrontiert das Publikum mit satirischen Fragen über soziale Strukturen und die Konsequenzen unseres Handelns.

  • Fearless Women*: Immersive Narratives and Real Battles

    FIFTITU% (AT)

    Die Geschichten von Frauen*, die das kulturelle und soziale Gefüge von Linz entscheidend geprägt haben, sind weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Der AR-Walk rückt dieses Vergessen in den Fokus und verbindet Erinnern mit interaktivem Spiel auf innovative Weise.

  • making friends

    Annick Durán Kandzior (CL/DE), Anastasia Landa (CZ), Szerafina Roxaná Thalia Schiesser (DE), Yeganeh Shafie (IR)

    Ein partizipatives Theaterstück, in dem wichtige Freundschaftskompetenzen durch Strukturierung, Wiederholung und Übung immer wieder eingeübt werden.

  • Parallels (Linz)

    Marc Da Costa (US/PT), Matthew Niederhauser (US)

    Parallels (Linz) ist eine ortsspezifische, interaktive Installation auf Basis von Machine Learning. Sie verwandelt eine LED-Wand in ein Portal, durch das Betrachter*innen die Welt – und sich selbst – durch die Linse eines neuronalen Netzwerks erleben.

  • Project Butterfly

    Fondazione Teatro Comunale di Modena (IT), Agenzia per l’Energia e lo Sviluppo Sostenibile Associazione – AESS (IT), Opera BOX (FI), Heimspiel GmbH (DE), Opera Bałtycka w Gdańsku (PL), GOPACOM (BE)

    Drei Opernhäuser, eine Umweltorganisation, eine auf digitale Innovation spezialisierte Firma und eine internationale Kommunikationsagentur haben sich zusammengetan, um neue Wege für mehr Nachhaltigkeit in der Opernproduktion zu entwickeln.

  • Requiem for an Exit

    Frode Oldereid (NO), Thomas Kvam (NO)

    Requiem for an Exit reflektiert über wiederkehrende Ausbrüche von Gewalt in der Geschichte der Menschheit und wirft Fragen zu Schuld, Erinnerung und dem Einfluss von Technologie auf. 

  • Room no.0

    Zhuojun Li (CN), Darya Sheiko (BY), Darya Kostskina (BY), Junjian Wang (CN), Patrick Ortiz (BO), Christine Haupt (DE), Hanif Haghtalab (IR), Hanna Kortus (DE), Alireza Khosroabadi (IR)

    Ausgehend von alltäglichen Handlungen im privaten Raum entwickelt sich eine mitreißende Bühnenperformance – eine audiovisuelle Reise, bei der Gewöhnliches in interaktive Erlebnisse im Deep Space verwandelt wird

  • SUNFLOWER / BUTTERFLY ORCHID

    Chia-Hui Lu (TW)

    Die Performances SUNFLOWER / BUTTERFLY ORCHID sind multimediale Inszenierungen, die sich mit den Themen Leben, Resilienz und Hoffnung auseinandersetzen. Durch den Einsatz von Motion-Capture-Technologie, 3D-Modellierung und Software zur Echtzeiterkennung von Musik werden visuelle Elemente live mit der Musik synchronisiert. Die Werke thematisieren den inneren Kampf für Überzeugungen, Liebe und Hoffnung und setzen sich zugleich für Frieden, Mitmenschlichkeit und den Erhalt kulturellen Erbes ein.

  • The lost limbo: Sister Lin-Tou

    MeimageDance (TW)

    In this VR journey inspired by the a Taiwanese folk tale, the dancer’s body expands into a vast performance space resembling flesh or intertwining like vines. Viewers are led into Sister Lin-Tou’s ghostly realm and reflect on women’s social position in the age of human-machine interaction.

  • The Oracle: Ritual for the Future

    Victorine van Alphen / Brave New Human (NL), IDlab (NL)

    The Oracle: Ritual for the Future ist eine poetische, zum Nachdenken anregende immersive Performance, die die sich wandelnde Beziehung zwischen Menschen, Körpern und KI ins Zentrum stellt. Persönliche Erzählungen verweben sich mit einer unheimlichen systemischen Präsenz, während die Teilnehmenden in Themen wie Sinnlichkeit, Tod, Handlungsmacht, Zensur und unumkehrbare Veränderung eintauchen.

  • The Trial Against Humanity

    Det Norske Teatret (NO)

    Die Welt steht kurz vor dem Zusammenbruch. Die Künstliche Intelligenz Omnitron schlägt eine radikale Lösung vor: die Auslöschung der Art, die für das Chaos verantwortlich ist – die Menschheit. Diese interaktive Inszenierung fordert das Publikum dazu auf, sich Omnitrons Vorwürfen zu stellen, sich zu hinterfragen und zu verteidigen.

  • White Hunger

    Oulu Theatre (FI), Oxi Koskelainen (FI), Antti Leppäniemi (FI), Tero Takalo (FI), Autuas Ukkonen (FI), Mika Ryynänen (FI), Antti Lindholm (FI), Eija Juutistenaho (FI), Jaana Kahra (FI), Henri Tuominen (FI), Elviira Kujala (FI), Joose Mikkonen (FI)

    Die für die Ars Electronica geschaffene Sonderausgabe von White Hunger des Oulu Theatre bringt die audiovisuelle Welt des Werks sowie seinen dystopisch-karnevalesken Theatergeist nach Linz.

  • STAGED REALITIES

    Technology has always been both at the core of stagecraft and fueling the imagination for playwrights. Today, AI enters the stage, bringing new possibilities. The conference brings to stage leading practitioners, technologists, and researchers of AI in theater and performative art.

  • Town Hall Meeting: Theater & Digital Media

    Vanessa Hannesschläger (EU), ACuTe Consortium (EU)

    Since the beginnings of media arts, artists have been integrating technology into performative settings, but also theater makers have always been keen on experimenting with new technologies. This Town Hall Meeting invites culture professionals, technologists, and technology providers to share knowledge, exchange experiences, and build new connections.

This project has been developed and is presented in the context of ACuTe. ACuTe is co-funded by the Creative Europe Programme of the European Union.