Ars Electronica Recap 2023: Auf zu neuen Horizonten

Long Nights / Kholod Hawash (IQ), Photo: Markus Schneeberger

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, doch bevor es so weit ist, möchten wir noch einmal auf ein Jahr voller Kreativität, Herausforderungen und Inspiration zurückblicken.

Im Jahr 2023 hat sich die Medienkunst weiterhin an der Schnittstelle von Tradition und Innovation bewegt, geprägt von einer Ära globaler Herausforderungen und technologischer Fortschritte. Dieses Jahr war ein Kaleidoskop aus kreativen Ausdrucksformen, das sowohl die Zerbrechlichkeit unserer globalen Gemeinschaft als auch die unermüdliche Kraft der menschlichen Kreativität widerspiegelt. 

Die Pandemie hat langanhaltende Einflüsse hinterlassen, die Künstler*innen weltweit dazu inspiriert haben, sich mit Themen wie Isolation, Gemeinschaft und der menschlichen Verfassung auseinanderzusetzen. Gleichzeitig hat die digitale Revolution neue Horizonte eröffnet. Von beeindruckenden virtuellen Ausstellungen bis hin zu bahnbrechenden digitalen Kunstwerken, die durch KI und erweiterte Realität ermöglicht wurden, haben wir gesehen, wie Kunstschaffende Technologie nutzen, um immersive und interaktive Erlebnisse zu schaffen. 

Soziale und politische Bewegungen haben ebenfalls einen tiefen Einfluss auf die Kunstszene gehabt. Werke, die sich mit Themen wie Gleichheit, Klimawandel und sozialer Gerechtigkeit beschäftigen, waren in diesem Jahr besonders präsent und zeugten von einer wachsenden Tendenz in der Kunstwelt, sich aktiv in gesellschaftliche Diskurse einzubringen. 

Mit internationalen Open Calls, spannenden Kooperationen und dem Ars Electronica Festival als Bühne haben wir versucht Menschen zu erreichen und Künstler*innen in prekären Situationen Sichtbarkeit zu ermöglichen. 

AND IF WE OBSERVE THE PRESENT, Taiye Ojo (NG), credit: ISABELLA BONET

Innovation und Widerstand: Künstlerische Antworten auf aktuelle Konflikte

Wir engagieren uns das ganze Jahr über in der Zusammenarbeit mit Partner*innen weltweit, um Künstler*innen zu unterstützen. Dabei initiieren und fördern wir Open Calls, kuratieren Ausstellungen und Konferenzen und vieles mehr. Die Ergebnisse dieser Projekte präsentieren wir im September beim Ars Electronica Festival – eine avantgardistische Bühne für Performances, eine internationale Plattform für Networking und ein interdisziplinäres Forum für Diskussionen.

Das Jahr 2023 markierte einen Wendepunkt in der künstlerischen Auseinandersetzung mit globalen Herausforderungen. Im Mittelpunkt stand das Projekt State of the ART(ist), eine Kooperation zwischen dem österreichischen Außenministerium und Ars Electronica, die 2022 als Reaktion auf den Konflikt in der Ukraine ins Leben gerufen wurde. Dieses Jahr erweiterte das Projekt seinen Fokus und beleuchtete das Schaffen von Künstler*innen, deren Werke durch vielfältige Bedrohungen wie Konflikte, politische Einflussnahme, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, Naturkatastrophen und die Klimakrise beeinträchtigt sind. 

Ein eindrucksvolles Beispiel ist der nigerianische Künstler, Ökoaktivist und Schriftsteller Taiye Ojo, dessen Werk AND IF WE OBSERVE THE PRESENT sich den verheerenden Auswirkungen der Ölverschmutzung in Ogoniland widmet. Ojo kombiniert visuelle, akustische und interaktive Elemente, um Themen wie endemischen Missbrauch, Ausbeutung durch Ölfirmen, die Kultur des Schweigens und die Folgen neokolonialer Politik zu beleuchten. 

Jowhar, Mahsa Aleph (IR), credit: Soheil Moradian

Ebenso beeindruckend ist die iranische Installationskünstlerin Jowhar, die in ihrem Werk aus Tränenfänger-Gläsern, gefüllt mit Tinte statt Tränen, die Macht der Worte und deren Neuschöpfung symbolisiert. Ihre Installation trägt die bewegende Botschaft: „Die Zukunft ist nur ein Teil der Vergangenheit, die vergessen wurde“. 

Diese herausragenden Projekte wurden aufgrund ihrer künstlerischen Qualität für das Ars Electronica Festival 2023 in der POSTCITY ausgewählt und zusammen mit sieben weiteren, als Honorary Mention ausgezeichneten Beiträgen von Künstler*innen aus aller Welt präsentiert. 

Einen frischen Blick auf Medienkunst und globale Herausforderungen brachten auch 2023 wieder Künstler*innen aus Lateinamerika zum Ars Electronica Festival nach Linz. Die CIFO-Ars Electronica Awards würdigen und fördern die Praktiken aufstrebender lateinamerikanischer Künstler*innen, die mit Technologie im Bereich der neuen Medien und digitalen Kunst arbeiten. Über 100 Künstler*innen aus 13 verschiedenen Ländern haben 2023 ihre Beiträge für die CIFO x Ars Electronica Awards eingereicht, von denen drei im Rahmen des Awards ausgezeichnet wurden: Ana María Gómez López, Jonathan Torres Rodríguez and Joaquín Aras. Aus den geschaffenen Werken entstand die Ausstellung Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America, die im Rahmen des Ars Electronica Festival 2023 im LENTOS Kunstmuseum Linz präsentiert wurde. Neben den Projekten der Künstler*innen, die im Rahmen der CIFO x Ars Electronica Awards honoriert wurden, wurde die Ausstellung im LENTOS noch durch die Beiträge der sechs Gewinner*innen der CIFO Awards ergänzt.

Ladhamba Tayem; Future Continuous, Credit: Subash Thebe Limbu

Doch damit nicht genug, auch heuer wurden wieder fünf Kunstwerke im Rahmen des VH AWARD, einer führenden asiatischen Award-Plattform für aufstrebende Medienkünstler*innen, ausgezeichnet. Die 2016 von der Hyundai Motor Group ins Leben gerufene Plattform hat sich zum Ziel gesetzt, Künstler*innen zu fördern, die sich mit Asien und seiner Zukunft auseinandersetzen. Die Preisträger*innen erhalten die Gelegenheit, ihre künstlerischen Konzepte und Experimente während der Eyebeam Online Residency weiterzuentwickeln. Darüber hinaus bietet der VH AWARD den Künstler*innen Zugang zu verschiedenen globalen Kunstplattformen, auf denen sie ihre Arbeiten präsentieren können, so wie das Ars Electronica Festival 2023, wo die Werke der Finalist*innen des 5. VH AWARD gezeigt wurden.

Der ostnepalesische Künstler Subash Thebe Limbu gewann den Preis mit seiner Arbeit Ladhamba Tyem; Future Continuous. Der Film untersucht die Präsenz indigener Völker im Raum-Zeit-Kontinuum durch Dialoge zwischen einem Yakthung-Krieger aus dem 18. Jahrhundert und einem indigenen Astronauten oder Zeitreisenden aus der Zukunft. Ziel ist es, das Bewusstsein für den andauernden Kampf gegen den Kolonialismus zu schärfen. Gleichzeitig werden die Zuschauer*innen dazu angeregt, ihre eigene Rolle in der aktiven Mitgestaltung der Zukunft zu reflektieren.

Ein Kaleidoskop der Kreativität

Nach drei Jahren am grünen Campus der Johannes Kepler Universität, gastierte das Ars Electronica Festival 2023 wieder den Hallen des ehemaligen Postverteilerzentrums am Stadtrand von Linz – der POSTCITY. 1542 Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Entwickler*innen, Designer*innen und Aktivist*innen aus 88 Ländern wirkten am Festival mit. Die Themenausstellung (Co) Owning More-than-Truth des Festivals zielte darauf ab, dominierende Normen herauszufordern und zu einer kritischen Reflexion über den Eigentumsbegriff in einem globalen Kontext anzuregen.

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Špela Petrič (SI) und Studio Teratope (NL) beschäftigen sich im Rahmen von AIxxNOSOGRAPHIES, einem durch die Zusammenarbeit von Ars Electronica und der Deutschen Telekom ermöglichten Projekt, mit dem Einsatz von KI im Gesundheitswesen. Teilnehmer*innen schlüpfen in die Rolle von Amateur-Ethnograph*innen und begeben sich auf eine Tour durch Infrastrukturen, die auf Anwendungen von KI im Gesundheitswesen abzielen.

Organ of Radical Care. Charlotte Jarvis (UK) Charlotte Jarvis in collaboration with Dr. Patricia Saragueta (AR) & Prof. Susana Chuva de Sousa Lopes (NL), Credit: Ars Electronica-Birgit Cakir

Im Rahmen von Organ Of Radical Care: Una Matriz Colaborativa, unterstützt durch die Europäische Initiative EMAP und kreiert von Charlotte Jarvis (GB) und Dr. Patricia Saragüeta (AR), wurde Menstruationsblut gesammelt und eine kollaborative Gebärmutter aufgebaut. Das von EMAP-geförderte Projekt Biosymbiotic Exoskeleton von Dorotea Dolinšek (SI), versucht einen Raumanzug als Lebenserhaltungssystem zu gestalten, welcher nicht nur die symbiotischen Allianzen zwischen Menschen, Technologie und nicht-menschlichen Lebewesen behandelt, sondern setzt sich auf diesem Weg auch mit unserer Fähigkeit, auf ökologische Herausforderungen zu reagieren, auseinander. 

Seit 1987 präsentiert der Prix Ars Electronica jedes Jahr Medienkunst aus aller Welt. Als Trendbarometer bietet er inspirierende, aktuelle und zukunftsweisende Einblicke an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Gesellschaft. Auch dieses Jahr bot das Ars Electronica Festival den Gewinner*innen des Medienkunstpreis ein Bühne, um ihre Visionen, Ideen und Projekte einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Schauplätze waren unter anderem die Prix Ars Electronica Exhibition, welche preisgekrönte Medienkunst zeigte, sowie das Prix Ars Electronica Forum, wo ebendiese Kunst zwischen Expert*innen und mit dem Publikum diskutiert wurde. 3.176 Projekte aus 98 Ländern wurden beim Prix Ars Electronica 2023 eingereicht. Die Gewinner*innen in den Kategorien New Animation Art, Digital Musics & Sound Art, Artificial Intelligence & Life Art und u19 – create your world waren: Ayoung Kim, Atractor Estudio + Semantica Productions, Winnie Soon und Sonja Höglinger.

OSZILOT / Luc Gut (CH), Rolf Hellat (CH), OSZILOT (CH), Photo: tom mesic

Schweizer Kunst auf österreichischem Boden inmitten des inspirierenden Ambientes eines internationalen Festivals konnte man dieses Jahr während des Ars Electronica Festivals erleben. Möglich gemacht wurde dies durch den ArTS Production Grant, welcher Einzelkünstler*innen oder Künstler*innengruppen mit Schweizer Staatsbürgerschaft oder Wohnsitz in der Schweiz bei der Entwicklung eines neuen Projekts oder der Erweiterung eines bestehenden Projekts unterstützt. Die im Rahmen des Festivals präsentierten prämierten Projekte zeichneten sich durch ihre faszinierenden und einzigartigen Perspektiven auf zeitgenössische Themen und Herausforderungen aus. Sie boten dem Publikum eine spannende Gelegenheit, die Schnittstelle von Kreativität und Innovation zu erleben und zu erforschen. Dieser Fokus auf Schweizer Kunstschaffende wurde in Zusammenarbeit mit der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia realisiert. Die Vielfalt und Qualität der gezeigten Werke unterstrichen eindrucksvoll die Bedeutung der Schweizer Kunstszene im internationalen Kontext und boten einen tiefen Einblick in die kreative Landschaft des Landes.

BROOD (The Second Body), 2023 Still from the video installation @Dorota Gawęda and Eglė Kulbokaitė, BROOD (The Second Body), credit: Dorota Gawęda and Eglė Kulbokaitė

Dieses Jahr wurde das Werk BROOD (The Second Body) von Dorota Gaweda und Eglė Kulbokaitė ausgewählt. BROOD kombiniert verschiedene Elemente in Form einer Mehrkanal-Videoinstallation. Dazu gehören vor Ort gedrehte Szenen, inszeniertes Green-Screen-Material, CGI, algorithmisch generierte Sequenzen und gefundenes Filmmaterial. BROOD erforscht die integrale Seltsamkeit der Welt und untersucht die Interaktionen und Prozesse zwischen fundamentalen Partikeln der Natur und einer Vielzahl von Geistern des Volksglaubens. Diese Interaktionen werden nicht nur metaphorisch betrachtet, sondern als Prozesse, die das Potential für eine Neugestaltung unserer Welt haben.

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Doch nicht nur Projekte aus der Schweiz, sondern auch die zahlreichen Kunstprojekte aus Taiwan luden zu einer spannenden Reise in die Welt der Kreativität, der Innovation und des interkulturellen Austauschs ein. Taiwans dynamische Präsenz beim Festival, mit einer Reihe von Performances, Panels und Ausstellungen, zeugte eindrucksvoll von seinem reichen künstlerischen und technologischen Erbe.

The Mirage Replicas 2.0 / Yen-Tzu Chang (TW), Photo: vog.photo

Im besonderen Ambiente des Mariendoms konnte während des Ars Electronica Festival die Media Dance Performance Mirage Replicas 2.0 von Yen Tzu Chang erlebt werden. Die Medienkunst-Tanzperformance untersucht die Generationenunterschiede von Familie und Kultur.

KuoHsuehHu, credit: Wen-Chieh Chang

Auch am Ars Electronica Campus war die taiwanesische Präsenz unübersehbar. An der Kunstuniversität Linz war die Taipei National University of Arts als Featured University des Festivals vertreten und zeigte im Splace ihre Ausstellung mit dem Titel Epicentrum. Das Thema verdeutlichte die besondere Lage Taiwans inmitten einer angespannten globalen Situation und an der geologischen Schnittstelle tektonischer Platten. Darüber hinaus war die National Tsing Hua University, Center for Technology and Art Teil der Campus Exhibition in der POSTCITY. Die Ausstellung trug den Titel A Face Drawn in Sand und griff damit eine Vorhersage von Michel Foucault auf, dass, wenn sich das Design des Wissenssystems ändert, auch das menschliche Zeitalter zu Ende gehen wird.

DEEPSPACE, Last Supper Interactive; Credit: Ars Electronica / Magdalena Sick-Leitner

Virtuelle Spaziergänge und die Zukunft der Medienkunst

Das Ars Electronica Center hat sich über die Jahre als eine führende Plattform für zeitgenössische Künstler*innen und die Erforschung virtueller Kunst etabliert. Im Herzen von Linz gelegen, bildet es eine kreative Schnittstelle, die innovative Kunstprojekte und zukunftsweisende Medientechnologien zusammenbringt. Im Jahr 2023 hat das Center erneut seine Rolle als Inkubator für künstlerische Visionen und als Schaufenster für bahnbrechende Entwicklungen in der Medienkunst unter Beweis gestellt.

Durch die Entscheidung, die Kunstuniversität Linz an einem innerstädtischen Standort zu zentralisieren, wurden wichtige Akzente in der Stadtentwicklung von Linz gesetzt. 2023 feierte die Kunstuniversität ihr 50-jähriges Bestehen und zelebrierte dieses Jubiläum neun Monate lang mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten. Zwei dieser Höhepunkte, TIME OUT und Best Off, machten auch im Ars Electronica Center Station.

Environment, credit: Carlotta Borcherding, Semi Lim, Veronika Maidukova

Best Off, ein innovatives Präsentationsformat, zeigte ausgewählte Arbeiten von Kunststudierenden und Absolvent*innen der Kunstuniversität Linz. Eine breite Palette an Projekten, Ideen und Installationen aus der Produktion des vergangenen Studienjahrs wurde dabei zur Diskussion gestellt. Die ausgewählten Arbeiten spiegeln die Vielfalt und Dynamik der Studierenden wider und umfassen eine breite Palette von Disziplinen, von traditioneller bildender Kunst über Design und Fotografie bis hin zu digitalen Medien.

Bereits zum zwölften Mal eröffnete die Ausstellungsreihe TIME OUT im Ars Electronica Center und präsentierte eine Auswahl der spannendsten Arbeiten der Studierenden der Kunstuniversität. Ob interaktive Installationen, Filmexperimente, Visual & Sonic Arts, Deep Space Applications oder Performances – die Studienrichtung Zeitbasierte und Interaktive Medienkunst lässt ihren Studierenden viel Freiraum, sich als Medienkünstler*innen zu entwickeln und zu experimentieren. Und so vielfältig wie das Studium selbst sind auch die Arbeiten, die dabei entstehen. Den Besucher*innen des Ars Electronica Center boten sie neue Perspektiven und den Zugang zu unkonventioneller, junger Kunst.

Venice Revealed, Credit: Ars Electronica: Magdalena Sick-Leitner

Ein weiteres Highlight bot der Deep Space 8K mit seinen virtuellen Reproduktionen von Kulturschätzen, die kunsthistorische Details enthüllten, welche in der analogen Realität verborgen bleiben. Die virtuellen Erlebnisse reichten von der Entdeckung der Zentralperspektive, die Leonardo da Vinci einst mit einem Nadelstich konstruierte, bis hin zu virtuellen Spaziergängen durch die Gassen Venedigs und in die Krypta des Linzer Mariendoms. Diese digitalen Erfahrungen eröffnen eine neue Dimension der Kunstbetrachtung und unterstreichen die Bedeutung der Medienkunst für die Zukunft.

Wer uns auch nächstes Jahr wieder auf unserer spannenden Reise begleiten und Teil der Plattform Ars Electronica sein will, ist herzlich eingeladen uns auf unseren Social Media Kanälen wie MastodonFacebookInstagramLinkedIn, und Youtube zu folgen, unseren Newsletter zu abonnieren, oder uns im Ars Electronica Center zu besuchen.

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