Nach zwei ruhigeren Jahren wurlte es heuer wieder am Ars Electronica Festival, besser kann man es wohl nicht beschreiben: 71.000 Besuche an 11 Locations, verteilt über 5 Tage und 425 Veranstaltungen. 953 Künstler*innen, Forscher*innen und Aktivist*innen, gemeinsam mti 337 Kooperationspartner*innen und auf die Welt gebracht von 439 Mitarbeiter*innen.
Bei all dem Überfluss darf aber nicht auf das Kernthema des Festivals vergessen werden. „Wer bei der diesjährigen Ars Electronica war und die 24-jährige Selina Neirok Leem von den Marshall Inseln gehört hat, weiß zwei Dinge: Erstens, dass wir noch immer keinen blassen Schimmer davon haben, was die Klimakrise für uns bedeuten wird. Und zweitens, dass der anstehende Wandel ein ganz grundlegender sein muss“, sagt Gerfried Stocker. „Wer beim Festival war, hat aber auch erlebt, dass diese Wahrheit zumutbar ist und die Menschen weder in Panik noch in Resignation verfallen lässt. Im Gegenteil –überall auf der Welt setzen Künstler*innen, Forscher*innen, Aktivist*innen und Studierende längst alles daran, die notwendige Veränderung einzuleiten. Die Entschlossenheit und Kreativität, mit der sie das tun, macht Mut.“
Wir möchten euch in zahlreichen Bildern, Anekdoten und Videos hier auch noch einmal einladen, die letzten fünf Tage Revue passieren zu lassen. Noch einmal die vielen Eindrücke zu verarbeiten, die Inspirationen, die man gewonnen hat, wirken zu lassen und nicht zuletzt folgendes Datum gleich fett im Kalender zu markieren: Wir sehen uns wieder von 6. bis 10. September 2023!
Beginnen wir am Vorabend vor der eigentlichen Eröffnung der Ars Electronica: Am Dienstag, 6. September, lud die Ars Electronica gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz, dem Mariendom, dem Lentos und dem Salzamt an ebendiesen Stationen zum Pre-Opening-Walk durch die bereits voll auf Festival getrimmte Linzer Innenstadt ein. Vor allem das lokale Publikum konnte einen ersten Blick auf Projekte werfen. Der Abend gipfelte dann im Ars Electronica Center, wo der Deep Space 8K zur Bühne für Medienkunst wurde.
Besonders viele Menschen wollten sich von der Qualität der Medienkunst aus Lateinmaerika überzeugen, die im Lentos in Kooperation mit CIFO und Ars Electronica präsentiert wurde. Die ausgestellten Arbeiten sind das Ergebnis des CIFO Ars Electronica Awards und sind noch bis 29. September zu sehen.
Der Mariendom diente einmal mehr als spektakulärre sakrale Kulisse für LightSense, eine begehbare Architektur, die mit der*dem Besucher*in kommuniziert und sich je nach Gefühlslage als Pavillon der Liebe, der Wut, der Neugier oder der Freude präsentiert.
Seit 2002 lädt die Linzer Kunstuniversität im Rahmen der Ars Electronica Kunstuniversitäten aus aller Welt nach Linz. 2022 folgen nicht weniger als 24 akademische Institutionen dieser Einladung und präsentieren Arbeiten ihrer Professor*innen und Studierenden, darunter die Aalto University School of Arts, Design and Architecture, die Arizona State University, die Bauhaus Universität Weimar, die Birmingham City University, die Korea National University of Arts (K-ARTS), die Musrara the Naggar School of Art and Society, die Technische Universität Berlin, die Universidad Austral de Chile, die Universität der Künste Berlin (UdK), die University of Auckland, das University College London, die University of Applied Sciences Berlin, die University of the Arts London oder die University of Tokyo.
Die Vielzahl der ausgestellten Beiträge, die es fast unmöglich macht, alles zu erleben, haben eine unglaubliche Qualität, besonders ansprechend sin die interaktiven Werke, die das Publikum zum mitmachen einladen. Abends lud der Sound Campus im Innenhof der Kunstuni, kuratiert von Fadi Dorninger und Stefan Tiefengraber, zum Lauschen von teils tanzbaren, teils experimentellen Klängen und kühlen Getränken ein.
Mittwoch, 7. September, oder: Der Opening Day
Zum Ausschlafen blieb aber keine Zeit, denn am Mittwoch war bereits morgens an einigen Locations Startschuss für die kommenden Tage. Mittags dann öffnete Kepler’s Garden am Campus der JKU erstmals seine Tore und Besucher*innen strömten herbei, um die ersten zu sein, die einen Blick auf die Ausstellungen werfen konnten.
Nicht zuletzt lockte auch das gute Wetter das Publikum aufs Festivalgelände, wo vor allem der Sound Park zum Verweilen, zum Innehalten nach den vielen Endrücken oder zum Genießen von regionalen und großteils vegetarischen Snacks der Foodtrucks des Festivals, einlud.
Weiter geht’s mit der Themenausstellung, die sich unter dem Titel STUDIO(dys)TOPIA dem Leben auf Planet B und somit dem Festivalthema widmete. Die Künstler*innen hier warfen gekonnt das Licht auf einzelne Aspekte der Klimakrise, die weniger Aufmerksamkeit bekommen (wie etwa Methan in den Mooren Schottlands, Mikroplastik in den Ozeanen oder Pflanzen, die auszusterben drohen, weil kein weibliches Exemplar mehr gefunden werden kann) und verwandelte die Räumlichkeiten des Science Park 4 in eine einzigartige Ausstellungslocation.
Die Ars Electronica Gardens, in den Jahren 2020 und 2021 als dezentrales, hybrides Kommunikationsexperiment und sozusagen „Korrespondenzstandorte“ der Ars Electronica eingeführt, zeigten heuer vor Ort in Linz, welche Folgen die Klimaerwärmung rund um den Globus hat und wie Menschen in Auckland, Barcelona, Bologna, auf den Bahamas, in New York, Seoul, Tokyo oder Utrecht damit umgehen.
Genau 2.338 künstlerische Projekte von Künstler*innen aus 88 Ländern wurden beim Prix Ars Electronica 2022 eingereicht – eine kleine, äußerst feine Auswahl daraus wurde im Rahmen der CyberArts Ausstellung – heuer erstmals von der Ars Electronica selbst präsentiert – gezeigt. Die Räume zählten zu den meistbesuchtesten des Festivals.
Wie Innovation im 21. Jahrhundert aussehen soll, zeigte die Ausstellung zum diesjährigen S+T+ARTS Prize der Europäischen Kommission. Präsentiert wurden elf Projekte an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Kunst, die nicht bloß ökonomischen, sondern vor allem ökologischen und gesellschaftlichen Benefit versprechen.
Kunst und Wissenschaft nachhaltig zu verweben, einen offenen Wissenstransfer anzustoßen und einen Technologiebegriff zu etablieren, der uns Menschen in den Mittelpunkt stellt – das sind die Kernanliegen der Zusammenarbeit des Linz Institute of Technology (LIT) und Ars Electronica. Sichtbar wurde das heuer einmal mehr in Gestalt der Ausstellung, die das LIT wieder zum Festival beitrug. Thematisiert wurden dabei digitale „Black Holes“, deren Algorithmen eine Gravitation entfalten, die alles andere verschlingt, Kunst wird nicht länger für uns Menschen, sondern für die omnipräsente Technologie gemacht oder eine Lanze für die Kreislaufwirtschaft gebrochen und alle Besucher*innen zum kreativen Recyceln von Kunststoff eingeladen.
Weil visuell sehr ansprechend, war das nächste Projekt eine der gefragtesten Festival-Performances – 4D Box, SH4D0W – An AI Performance in 3D: Es ist die erste Theaterproduktion, in der ein KI-System die Hauptrolle spielt. Das Stück von Mikael Fock (DK) ist inspiriert vom klugen Gelehrten und seinem Schatten im gleichnamigen Märchen von H.C. Andersen. Im Mittelpunkt steht die Begegnung des Menschen mit seinem virtuellen Schatten, der durch datengesteuerte KI-Systeme repräsentiert wird.
Unweit der 4D Box stolperten Besucher*innen über ein riesiges Gerüst, das ebenfalls zu fixen Performance-Zeiten von Mensch und Hund (!) erobert wurde: Maja Smrekars !brute_force agierte an der Schnittstelle zwischen Robotik, Künstlicher Intelligenz, Menschen und Hunden.
Und noch eine Performance, diesmal als Teil der Campus Ausstellung, hat uns sehr inspiriert: Ballet Metanique von K-ARTS wies spielerisch auf die Folgen des Klimawandels hin und nutzte dafür abermals die Verbindung von Technologie und Kunst – beziehungswiese in diesem Fall auch Ballet.
Und weil wir schon dabei sind, die zahlreichen Performances hervozuheben, sei nicht zuletzt noch Kat Austens „This Land is Not Mine“ erwähnt, die das Publikum am Mittwoch in den Bann zog, sodass sie ihre Plätze vor der Festival University Stage gar nicht mehr verlassen wollten: Mit einer Hommage an eine Landschaft, bestehend aus Klängen des Alltags wie Wasser oder Verkehr und nicht zuletzt mit ihrer eigenen Präsenz verzauberte sie ihre Zuhörer*innen.
Am Abend stand dann das Opening auf dem Programm, die offizielle Eröffnung, wenngleich wir hier einiges an Programm bereits vorweggenommen haben. Karl Markovics und Julia Franz Richter lasen Auszüge aus „Die Sternstunden der Menschheit“ von Stefan Zweig und erzählten eine Sage, die von Aufstieg und Fall, vom Anfang und Ende handelt. Die so unergründlichen und tiefen Ozeane dienten dabei als Projektionsflächen für all unsere Träume, Ängste, Grausamkeiten und Sehnsüchte, waren Schauplätze unserer großen Taten und Errungenschaften, aber auch Opfer von Zerstörung, Ausbeutung und Ausrottung durch uns Menschen – veranschaulicht etwa durch Videos von Sea Shephard und verstärkt durch die Stimme Stuart Freemans, bekannt von FM4.
Richtig bedrückend wurde die Stimmung, als Selina Neirok Leem, Aktivistin und Künstlerin der Marshall-Islands, die Bühne betrat, und in einer Rede emotional beschreibt, wie ihren Landsleuten und ihr das Wasser bereits bis zum Hals steht – wortwörtlich! Insgesamt hatte der Abend eine poetische, ebenso wie aufrüttelnd schockierende Botschaft: Wir Menschen haben die Ressourcen der Welt, des Ozeans aufgebraucht und wir müssen jetzt in eine andere Richtung steuern, um noch etwas verändenr zu können. Am Ende stand dann aber auch die optimistische Botschaft der Festival University Students, die das Publikum zu “We will save the planet” und somit der Rettung des Planeten einklatschen.
Donnerstag, 8. September, oder: Der Futurelab Day
Wie können Kreativität, Kunst und Technologie uns helfen, die allgegenwärtigen Krisen zu bewältigen, vor uns liegende Herausforderungen zu meistern und eine andere, positive Zukunft zu gestalten? Unter dem Motto „Creative Resilience for a Planet B“ lud das Ars Electronica Futurelab einen ganzen Tag lang zu „Runden Tischen“, Workshops und immersiven Präsentationen, die allesamt den Blick nach vorne richteten. Mit dabei waren die Künstler*innen, Forscher*innen und Entwickler*innen des Linzer Thinktanks, genau wie viele ihrer Kolleg*innen und Forschungspartner*innen aus aller Welt.
Als Vertreter*innen der Industrie nahmen Expert*innen wie Adrian van Hoodydonk (Senior Vice President BMW Group Design (NL)), Gianpaolo Barozzi (Cisco People Experience Global Lead (IT)) und Nobuyuki Oishi (Sr. Producer, Digital Business in Nikkei Inc. (JP)) teil. Perspektiven aus Kunst und Wissenschaft wiederum brachetn etwa Martina Mara (Professorin für Robopsychology an der Johannes Kepler Universität Linz (AT)), Hiroshi Ishiguru (PhD Professor an der Graduate School of Engineering Science der Osaka University and Director der Hiroshi Ishiguro Laboratories (JP)), Natalia Rivera (TW) and Jung Hsu (US) (beide von “Bi0film.net: Resist like bacteria”) oder Yuima Nakazato (Modedesigner and Gründer von Yuima Nakazato Co., Ltd. (JP)) ein.
Ein Highlight war jedenfalls der fesselnde Vortrag Ernst Ulrich von Weizsäckers (Wissenschaftler, Autor und Politiker (DE)), der den neuesten Bericht des Club of Rome präsentierte und den Zuhörer*innen eine Kernbotschaft mit auf den Weg gab: „If growth means destruction, it is a big mistake!“
Abends standen schließlich noch die Night Performances im Deep Space 8K am Programm, zu denen alle Festival-Besucher*innen herzlich eingeladen waren. Konzerte, Präsentationen und Performances zeichneten sich durch die ganz besondere Lust am Experimentieren aus, die das Futurelab prägt. Der rappelvolle Deep Space 8K gibt ihm Recht darin, diesen Weg auch weiterhin unter Einbindung der Öffentlichkeit weiterzugehen.
Blicken wir aber noch einmal kurz zurück auf ein paar andere Programmpunkte, die parallel zum Futurelab Day stattfanden, wie zum Beispiel ein vielfältiges Workshop-Progamm: Kat Austen und Fara Peluso sprachen bei „Dive into Plastic“ über Bioplastik. Das Interesse war sehr groß, so groß, dass für die zahlreichen Teilnehmer*innen noch ein extra Tisch herbeigebracht werden musste. Oder der Workshop Water in (post)Anthropocene, bei dem mit den Besucher*innen gemeinsam an der Donau Wasserproben genommen und analysiert wurden.
In Kepler’s Garden stand am Abend noch ein Konzert, ein Kooperationsprojekt zwischen Zirkus des Wissens und Ars Electronica am Plan: Lullaby for Mariupol. Das Stück, welches speziell für den Zirkus des Wissens und das Ars Electronica Festival 2022 geschaffen wurde, enthielt seltene Aufnahmen von Mariupol-Mosaiken aus dem 6. und 7. Jahrhundert, die während der Belagerung der Stadt im März 2022 durch die russischen Streitkräfte größtenteils zerstört wurden. Eine sehr aufwühlende und emotionale Aufführung mit mikrotonalen Streichinstrumenten, Live-Video und Chor.
Bleiben wir in der Ukraine. 357 Einreichungen aus 40 Ländern zählte der State of the Art(ist) Open Call, den Ars Electronica und das Bundesministerium für internationale und europäische Angelegenheiten angesichts der russischen Invasion in die Ukraine diesen Sommer ausschrieben. Es war ein weltweiter Open Call, der sich an alle Künstler*innen richtete, die der politischen Dimension ihrer Werke wegen bedroht, verhaftet oder verfolgt werden. Björn Geldhof, künstlerischer Leiter des PinchukArtCentre in Kiew, Boris Magrini, Kurator am HEK in Basel und Marita Muukkonen, Mitbegründerin und Co-Direktorin von Artists at Risk prüften alle 357 Einreichungen und wählten elf aus, die den „State of the ART(ist)“ 2022 widerspiegeln und seit 23. August in einer virtuellen Kunsthalle gezeigt wurden. Einige der Künstler*innen kamen auch zur Ars Electronica und haben hier davon erzählt, wofür sie sich einsetzen und warum sie trotz noch so großer Gefahr für Leib und Leben nicht willens sind, ihren Widerstand aufzugeben.
Freitag, 9. September, oder: Der S+T+ARTS Day
Wissenschaft (Science), Technologie (Technology) und Kunst (Arts) bilden das inhaltliche und namensgebende Dreieck der S+T+ARTS Initiative der Europäischen Kommission. Ziel ist es, zeitgemäße Innovationen in und für Europa zu befördern. Mit dem S+T+ARTS Prize verfügt man dabei über ein öffentlichkeitswirksames Instrument, um Best-Practice-Beispiele vor den Vorhang zu holen, mit dem S+T+ARTS Day über ein alljährliches Format, das Netzwerkpartner*innen aus ganz Europa als Forum dient. Das ganztägige Programm umfasste Lectures, Podiumsdiskussionen, Führungen und Workshops.
Auch hier begeisterte schmerzhaft wieder die 24-jährige Aktivistin und Künstlerin Selina Neirok Leem, die ihren Vortrag über die Marshall Islands als Sinnbild für die Klimakrise mit vielen persönlichen Bildern, wie zum Beispiel einem Friedhof, der vom ansteigenden Ozean zerstört wird, untermalte.
Nach den STARTS Prize Gewinnerinnen Guilia Foscari sowie Holly Herndon und Mat Dryherst betritt dann auch erstmals eine die Bühne der heurigen Ars Electronica, die von den ersten Sätzen weg das Publikum in ihren Bann zog – und dafür nicht einmal Bilder, Sound oder andere Untermalung brauchte: Laurie Anderson, Visionary Pioneer of Media Arts der Ars Electronica, ließ den vollgepackten Hörsaal 1 der JKU an ihren Lippen hängen.
Während im Hörsaal spannende Diskussionen passieren, kann man direkt vor der Tür im Keplergebäude bei create your world – dem „Festival im Festival“, Neues ausprobieren, experimentieren und an Workshops teilnehmen, z.B. den Midi-Controller Push 2 von Ableton, diverse Brettspiele des Vereins “Paradice – Verein zur Förderung sozialer Spielkultur” und Mobiler Maker*Space des Technischen Museum Wien roadLAB.
In der Transformation Lounge, ein Gebäude weiter, trafen die Bestrebungen der Ars Electronica für Veränderung und mehr Nachhaltigkeit auf die Projekte, die in Kooperation mit zahlreichen Partnern, wie zum Beispiel mit BMW in Form eines „Mobility of the Future“ Workshops, umgesetzt wurden. Außerdem war dieser Bereich am Sonntag sehr beliebt, weil die Kräuter, die von bellaflora bereitgestellt wurden, darauf warteten, von den Besucher*innen mit nach Hause genommen zu werden.
Seit 2003 proben Ars Electronica und das Bruckner Orchester Linz allerhand ungewöhnliche Brückenschläge zwischen Analog und Digital, zwischen der Musik der Vergangenheit und den Klängen der Gegenwart, zwischen Kunst und Wissenschaft. 2022 präsentierte sich das gemeinsame Projekt – wieder einmal – gänzlich anders: Ensembles und Solist*innen des Bruckner Orchester Linz hatten mit ihrem künstlerischen Direktor Norbert Trawöger ein dreistündiges Programm zusammengestellt, das „Kepler‘s Garden“ in „Kammergärten der Musik“ verwandelte. Die Musiker*innen spielten draußen und wanderten zwischen Stücken, Stilen und Epochen. Nicht zuletzt gehörte auch die Atmosphäre und die Location selbst zum Programm dazu bzw machte den Reiz des Dargebotenen aus, wie zum Beispiel am Somnium, was auch akustisch ein einmaliges Erlebnis war.
Springen wir in den Deep Space 8K ins Ars Electronica Center: Im Rahmen des Festivals wurde der immersive Raum zum Schauplatz eines Tête-à-Tête mit der hochaufgelösten Mona Lisa (The Mona Lisa / Vincent Delieuvin (FR), Christelle Terrier (FR), Roei Amit (FR)). Auch Fresken der Sixtinischen Kapelle wurden riesengroß in Szene gesetzt und eröffneten Einblicke ins Schaffen und Leben des großen Pietro Perugino, präsentiert von der Direktorin des Vatikanischen Museums höchstpersönlich! (Gigapixel Images from the Vatican Museums — The Frescoes by Pietro Perugino in the Sistine Chapel: Beauty Leading to Faith / Dr. Barbara Jatta (IT), Dr. Rosanna Di Pinto (IT))
Zwei spezielle Kooperationsprojekte möchten wir euch noch vorstellen, die ebenfalls im Deep Space 8K gezeigt wurden:
Taiwan ist eine Insel voller digitaler und humanistischer Kompetenz, ein einzigartiges Ökosystem, in dem alle Akteur*innen – von Technologieherstellern bis hin zu Content-Schaffenden – an einem Ort zu finden sind. Im Rahmen eines Taiwan-Specials stellte die Taiwan Creative Content Agency (TAICCA) taiwanesische Kunstwerke in einer immersiven Sammlung vor. Nach einer Einführung in das Projekt folgte die Präsentation von Project %, Blue Tears and Sandbox. Der Deep Space bot den Werken eine optimale Bühne, weil man hier geradezu in die Arbeiten hineingezogen wurde, beziehungsweise in die Geschichte, die erzählt wurde.
Der VH AWARD würdigt und unterstützt aufstrebende Künstler*innen, die sich kontextuell mit Asien auseinandergesetzt haben. Der Preis ermutigt Künstler*innen, die die Grenzen der audiovisuellen Künste überschreiten und unser Verständnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Frage stellen. Die gezeigten Werke waren eher ernsthaft, die Stimmung im Deep Space düster und bewegend.
Wieder zurück in Kepler’s Garden: Abends standen schließlich die Preisträger*innen des Prix Ars Electronica, des S+T+ARTS Prize der Europäischen Kommission und des Ars Electronica Awards for Digital Humanity des Österreichischen Ministeriums für Internationale und Europäische Angelegenheiten im Zentrum der Aufmerksamkeit: Zeit für die Award Ceremony! Unter den Gratulant*innen waren auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Vizekanzler Werner Kogler, Außenminister Alexander Schallenberg sowie Doris Schmidauer, Initiatorin der Initiative Digitalisierung Chancengerecht (IDC).
„Ich bin von der Fähigkeit der Menschen, dazu zu lernen zutiefst überzeugt. Ich bin der festen Ansicht, dass wir dazu in der Lage sind, die Gegenwart zu meistern – und zwar im Sinne der Zukunft und kommender Generationen.“ – Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Samstag, 10. September, oder: Der Plan B Day
Der Samstag begann, wie der Vorabend geendet hatte: Mit Gewinner*innen! Diesmal sind sie u19 Jahre alt und haben sich in der u19-create your world Kategorie des Prix Ars Electronica sowie im neuen Klasse! Lernen. Award in Kooperation mit dem Bildungsministerium ausgezeichnet. Ihre Arbeiten sind während des Festivals im Mensagebäude in der Prix Ausstellung zu sehen gewesen.
Für die nötige Stärkung nach mehreren vollgepackten Festivaltagen sorgten Samstagmorgen die BioBäuer*innen Austria mit ihren Produkten in bereits gewohnter Manier am Bio Austria Bauernmarkt.
Dementsprechend gestärkt ging es weiter in den Hörsaal 1, wo der „Studiotopia Day“ am Programm stand, die Themenkonferenz des heurigen Festivals. STUDIOTOPIA — Art meets science in the Anthropocene ist eine Initiative, die darauf abzielt, die Zusammenarbeit zwischen Kultur- und Forschungseinrichtungen, Universitäten, Innovationszentren, Kreativen und Bürger*innen zu fördern. Im Sinne des Festivalthemas waren sowohl die Redner*innen als auch das Publikum aufgefordert, kreativ und kritisch über die ökologischen und soziopolitischen Auswirkungen des Anthropozäns nachzudenken.
Es war ein Experiment – und es hat funktioniert. Das erstmals mit dem AMS OÖ durchgeführte „Jobbuffet“ sollte Arbeitgeber*innen und Arbeitsuchenden die Chance eröffnen, einander auf ganz anderem Terrain kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. Samstag, 9. September, war es so weit und Vertreter*innen von den Unternehmen Schwarzer Bär, IKEA, Habau Group, HAKA Küche, Kreisel, Reform, Lenze, OÖG, Diakoniewerk, AfB, Familienbund OÖ, Teufelberger und Ars Electronica selbst mischten sich im Uni-Center unter die Leute. Ergebnis waren interessante Gespräche auf Augenhöhe, die noch in dieser Woche in eine Reihe konkreter Vorstellungsgespräche münden werden.
Einer der Tageshöhepunkte stand dann (zweimal) abends am Programm: Laurie Anderson betrat wieder die Bühne! Gemeinsam mit der Filharmonie Brno (CZ), Dennis Russell Davies (US/AT) und Rubin Kodheli (US) wurden drei Kompositionen gespielt: “Study for String Orchestra”, komponiert vom tschechischen Komponisten Pavel Haas im Jahre 1943 und “Symphony No. 3” von Phillip Glass von der Filharmonie Brno unter der Leitung von Dennis Russell Davies sowie “Songs for Amelia Earhart” mit Laurie Anderson, gemeinsam.Tosenden Applaus gab es für alle Beteiligten, aber Laurie Anderson ist zweifellos der Liebling des Publikums.
Sonntag, 11. September, oder: Der Prix Day
Der Sonntag stand ganz im Zeichen des Prix Ars Electronica, des traditionsreichsten Medienkunstwettbewerbs der Welt. Das Prix Forum ist neben der CyberArts-Ausstellung einer der Höhepunkte des Ars Electronica Festival und eine gute Gelegenheit, die Preisträger*innen des Prix Ars Electronica kennen zu lernen. Das Publikum erfuhr mehr darüber, was die Künstler*innen neugierig macht, welche Themen oder Technologien sie erforschen und welche kreativen Prozesse ihre Projekte prägen. Das Aufeinandertreffen von Künster*innen und Jury, die zuvor die Werke ausgezeichnet hat, ist dabei jedes Jahr aufs Neue aufregend.
Am Nachmittag wurde sich im create your world Bereich gematchet: Bei „Hebocon Reloaded“ war das Ziel, aus verschiedenen Materialien eigene Low-Tech-Roboter als “Alter Ego” zu bauen und diese in einem Wettkampf gegeneinander antreten zu lassen. Hierbei ging es aber nicht um den Sieg, sondern um das Zusammenkommen und das gemeinschaftliche kreative Tun – und der Spaß kam sicherlich auch nicht zu kurz.
Ein perfektes Sonntagsprogramm bei Regenwetter stellte auch das Animation Festival dar (das über den gesamten Festivalzeitraum stattfand). Hier wurden – auch wenn man es sich als Betrachter*in gemütlich machen konnte – aber vor allem aufrüttelnde Werke gezeigt, wie das nachstehende Absence von Marc Hericher, das einen Award of Distinction in der Kategorie Computer Animation gewonnen hat und die Geschichte eines obdachlosen Menschen zeichnet.
In bewährter Tradition endete das Festival (obwohl es eigentlich noch bis am Abend weiterging) mit Pianographique, einem Klavierkonzert von Maki Namekawa mit Echtzeit-Visualisierungen von Cori O’lan. Nach Ligeti und Chick Corea im letzten Jahr nahm uns Maki Namekawa einmal mehr mit auf ihre Erkundungen der Musik unserer Zeit und präsentierte eine Wiederentdeckung und eine neue Auftragskomposition: Joe Hisaishi, Toccata und Keith Jarrett, Ritual for piano solo (1974).
Spannend verlief das – sehr öffentliche – Finale der Festival University. Nach Ausflügen in ganz Oberösterreich, Workshops und Lectures mit hochrangigen Expert*innen aus dem Ars Electronica Kosmos luden die 200 Studierenden aus 70 Ländern zur fiktiven internationalen Umwelt-& Klima-Gerichtsverhandlung. Den Vorsitz dieses Feldversuchs führte Mathis Fister, Professor für Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht an der Johannes Kepler Universität Linz, öffentlich verhandelt wurden die Fragen, ob Wasser ein privates oder öffentliches Gut sein soll, ob Atomenergie als grün gelten kann und wie der Status „Klimaflüchtling“ zu definieren ist. Egal ob die Gruppen der „Applicants“ oder „Defendants“ am Ende gewonnen oder verloren haben – alle fühlten sich als Sieger*innen.
Zum Schluss möchten wir uns bei den 337 Kooperationspartnern bedanken, die dieses Festival möglich gemacht haben, und mit denen wir hoffentlich auch zukünftig großartige Projekte gemeinsam umsetzen werden. Darunter zum Beispiel Stadt Linz, Europäische Kommission, Johannes Kepler Universität, Kunstuniversität Linz, Lentos Kunstmuseum Linz, ÖAD, BMKÖS (Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport), BMEIA (Bundesministerium für Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten der Republik Österreich), Hakuhodo, BMW, Ramon Llull Institute, CIFO, Hyundai, AfB, Teufelberger, OÖ Tourismus. Herzlichen Dank!
Wir hoffen, euch hat unsere Reise durch fünf Festivaltage, an verschiedene Locations und durch viele verschiedene Themen und Ausstellungsformate gefallen. In diesem Sinne wünschen wir geruhsame Tage zur Verarbeitung dieser Eindrücke, anregende Gespräche über das Gesehene und Erlebte sowie viele neue Ideen und Projekte, die daraus entspringen mögen und zum Beginn jenes Wandels beitragen, den wir so dringend brauchen! Wir freuen uns schon darauf, euch alle von 6. bis 10. September 2023 wieder willkommen zu heißen!