Warum uns Technologie so fasziniert

Life Ink, developed by the Ars Electronica Futurelab, shows how concentrated the lab’s Researcher and Artist Susanne Kiesenhofer is while coding, Credit: Jochen Manz / Wacom Co., Ltd.

Wie entsteht eigentlich ein Werkzeug? Haben wir am Anfang schon die genaue Vorstellung davon oder ist es eher ein Ausprobieren, ein sich schrittweises Herantasten an ein Tool, das vielleicht schon zum nächsten Schritt oder gar zum nächsten Werkzeug führt? Oder kann das neue Werkzeug vielleicht für andere Zwecke verwendet werden, oder in Kombination mit anderen? Technologie begeistert uns als Plattform für Kunst, Technologie und Gesellschaft schon seit über 40 Jahren – in über vier Jahrzehnten, in denen sich in all unseren drei Themenfeldern große Veränderungen vollzogen haben.

Das Jahr 2022 war nicht nur ein weiteres Jahr in dieser historischen Reihe. Wir haben getestet, experimentiert, Neues geschaffen, Bestehendes verändert, uns von anderen inspirieren lassen, viele Ideen aufgegriffen und wieder verworfen, mit Partnern zusammengearbeitet, diskutiert und zugehört, von uns selbst erzählt, von anderen erzählt, unterstützt, Hilfe bekommen, zusammengearbeitet. Ob zuhause in Linz, Österreich, in Berlin, Dubai oder anderen Teilen der Welt – mit internationalen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen, und mit Kooperationspartnern und Auftragsgebern wie Wacom Inc., Siemens Healthineers, ZEISS, Nikkei Inc., BMW, Cisco oder Rosenbauer.

Sounding Letters / Florian Berger, Ali Nikrang, Raphael Schaumburg-Lippe, Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl

Wir experimentieren mit Technologie – Neues ausprobieren und kreativ kombinieren

Der Flügel des schwarzen Klaviers ist geöffnet. Mehrere Kabel ragen aus dem Tasteninstrument, bündeln sich auf dem Boden zu einem Kabelbaum, um schließlich in einem etwas entfernten Mischpult aufeinanderzutreffen. Es ist still geworden im Raum, das Publikum wartet gespannt auf den Beginn. Der Pianist betritt die Bühne und noch bevor er sich setzt, beginnt das Klavier von selbst zu spielen. Nur wenige Takte später setzt auch er mit seinen Händen ein. Die Begegnung von Technologie und Mensch entwickelt sich zu einem inspirierenden musikalischen Konzert. Auf der einen Seite: Künstliche Intelligenz, die Datenmaterial braucht, um ein Musikstück komponieren zu können, und ein Controller, der das analoge Klavier ansteuert. Auf der anderen Seite sitzt Ali Nikrang, Künstler und Forscher des Ars Electronica Futurelab. Er steckt hinter der Idee von „Sounding Letters“ – ein Projekt, das er mit seinem Team im Deep Space 8K des Ars Electronica Center präsentiert hat.

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Die Petrischale ist geöffnet. Und auch hier ist es still geworden im Raum – oder besser gesagt, im hauseigenen Labor des Ars Electronica Center. Die Forscherin untersucht und analysiert die über mehrere Tage zu einer faszinierenden Landschaft herangewachsenen Mikroorganismen. Sie wurden zuvor musikalischen Daten ausgesetzt und bilden nun die Grundlage eines durch Künstliche Intelligenz generierten Musikstücks. Hinter dem Projekt „SonoSynthesis“, dem gemeinsamen kreativen Schaffen zwischen Mensch und Technologie, steckt Forscherin und Künstlerin Yoko Shimizu. Auch sie ist Teil des Teams im Ars Electronica Futurelab, das sich mit dem Thema dieser „Ko-Kreation“ näher auseinandersetzt.

Zurück im stillen Raum mit dem Klavierflügel, im Deep Space 8K. Diesmal hat Pianistin Maki Namekawa am Instrument Platz genommen, und diesmal ist sie es, die verkabelt ist. Sie trägt das von Ars Electronica Futurelab gemeinsam mit dem Gerätehersteller Wacom Inc. entwickelte Headset, das Gehirnströme und Körpersignale in Echtzeit messen und an ein Programm weitergeben kann. Aus den menschlichen Daten, im weitesten Sinne aus ihren Gefühlen und Gedanken, entsteht bei „Life Ink“ so ein dreidimensionales Gemälde aus neuartiger „Tinte“ – wie aus Zauberhand während sie sich voll und ganz auf ihr Klavierspielen konzentrieren kann.

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Wir entwickeln Technologie – neue Werkzeuge erschaffen und damit arbeiten

Noch immer sind wir im Deep Space 8K, blättern von der musikalischen Seite zum Kapitel der Medizin, genauer gesagt zum menschlichen Körper. Technologie hat uns geholfen, uns besser zu verstehen. Dank des Langzeitforschungsprojekts „Virtual Anatomy“, das von Ars Electronica Futurelab gemeinsam mit Siemens Healthineers und der JKU Linz entwickelt wurde, ist es nun möglich, realistische Einblicke in das Innere von uns Menschen zu erhalten.

Virtual Anatomy / Ars Electronica Futurelab, Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Fellner, Siemens Healthineers, Johannes Kepler Universität, Kepler Universitätsklinikum, Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl
Virtual Anatomy / Ars Electronica Futurelab, Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Fellner, Siemens Healthineers, Johannes Kepler Universität, Kepler Universitätsklinikum, Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl
Virtual Anatomy / Ars Electronica Futurelab, Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Fellner, Siemens Healthineers, Johannes Kepler Universität, Kepler Universitätsklinikum, Credit: vog.photo

Hier treffen das Cinematic Rendering der Unterhaltungsindustrie und bildgebende Verfahren aus dem medizinischen Bereich aufeinander und schaffen ein völlig neues Verständnis abseits herkömmlicher Anatomiebücher. In dreidimensionalen Bildern können die vielen Schichten vom Skelett bis zu den Organen – ansprechend visuell aufbereitet, dreidimensional und in Überlebensgröße – betrachtet werden. Nicht umsonst ist dieses Projekt erst kürzlich mit dem „Best Emerging Technology of the Year“ des renommierten E&T Innovation Awards ausgezeichnet worden.

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Einen Einblick in den Umgang mit neuen Werkzeugen gibt das mehrjährige Forschungsprojekt „CoBot Studio“, an dem sich das LIT Robopsychology Lab der JKU Linz, Ars Electronica Futurelab und fünf weitere Partner beteiligen. Auch hier spielt der Deep Space 8K als Forschungsumgebung eine wichtige Rolle. Getestet werden das Zusammenspiel und die Kommunikation zwischen Mensch und Roboter. Dank Augmented Reality tauchen die Testpersonen in eine virtuelle Unterwasserwelt ein, in der sie gemeinsam mit einem realen Roboter versuchen, Plastikmüll zu beseitigen. Reichen einfache Gesten wie das Hochheben der Hand als Zeichen für „Halt“ aus? Wer geht beim gemeinsamen Arbeiten wem aus dem Weg? Der Roboter oder der Mensch? Und wie kann Technologie hier Hilfsmittel sein oder steht sie am Ende des Tages nur im Weg?

Der vom Ars Electronica Futurelab entwickelte Projektionsraum „Deep Space 8K“ im Ars Electronica Center in Linz mit seinen 16 mal 9 Meter großen Wand- und Bodenprojektionen in 8K-Auflösung wird seit seinem Bestehen immer wieder weiterentwickelt. So auch im Jahr 2022, als unter dem Motto „Deep Space EVOLUTION“ neue Laserprojektoren die bisherige Technologie ablösten, ein neues Tracking-System der Betrachter*innen eingeführt und zeitgleich die leistungsfähigsten Grafikkarten eingebaut wurden, die zurzeit erhältlich sind.

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Wir erzählen mit Technologie – Geschichten weitergeben und Wissen vermitteln

Doch nicht nur die Technik für den im Jahr 2022 runderneuerten und begehbaren Deep Space 8K steuert das Ars Electronica Futurelab bei. Auch an den dazu passenden audiovisuellen Inhalten, interaktiven Programmen und 3D-Applikationen, die tagtäglich im Ars Electronica Center und an speziellen Themenwochenenden zum Einsatz kommen, ist das Labor und Atelier für Zukunftsentwürfe beteiligt.

So rücken die Animationen in „Welcome to Planet B“ das Thema Klimakrise in den Fokus der Besucher*innen. Damit können sie anschaulich nachvollziehen, welche Auswirkungen heutige Maßnahmen gegen Treibhausgasemissionen in der Zukunft haben werden.

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Dass unsere Erde ein besonderer Planet ist, den es zu schützen gilt, ist eine Erkenntnis, die sich hoffentlich spätestens bei den Weltraumreisen mit dem neuen Uniview 3.0 von ZEISS einstellt. Im Jahr 2022 hat auch dieses beliebte Präsentationsformat in Deep Space 8K ein visuelles Update erhalten. Die Planeten unseres Sonnensystems, ferne Galaxien und Visualisierungen wie die des mächtigen Schutzschildes der Erde sind dank Laserprojektionen in 3D jetzt noch viel schärfer und immersiver.

Uniview 3.0 / ZEISS, Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl
Uniview 3.0 / ZEISS, Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl
Uniview 3.0 / ZEISS, Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl

Gerade das Ars Electronica Festival im September ist immer wieder ein bereichernder Moment für dieses Stück Technologie, wenn Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sich, ihre Arbeiten und Inhalte nach Linz bringen und bei Veranstaltungen im Deep Space 8K den Festivalbesucher*innen präsentieren. So hat das Ars Electronica Futurelab in Zusammenarbeit mit dem Innovation Lab des japanischen Unternehmens Nikkei Inc. mit dem Projekt „Dataspace“ Daten über die globalen Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine gesammelt und sie visuell und in 3-D für den Deep Space 8K aufbereitet.

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Das Festival ist nicht nur das Highlight eines Ars-Electronica-Jahres, es ist auch die beste Gelegenheit, aktuelle Projekte und Themenfelder aus dem hauseigenen Forschungs- und Entwicklungslabor selbst zu erleben und zu erkunden. Der Futurelab Day bot auch 2022 eine inspirierende Mischung an Workshops, Führungen, Präsentationen, Vorträgen und Diskussionen. Dieser persönliche Austausch von Ideen, sich von anderen inspirieren zu lassen und nicht nur alleine, sondern auch gemeinsam an Projekten zu arbeiten, zeigt einmal mehr, wie Technologie weiterentwickelt werden kann.

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Ein weiteres Beispiel dieses Diskurses über Technologie war die Transformation Lounge beim Ars Electronica Festival 2022. Gemeinsam mit dem Automobilhersteller BMW und dem Experimentierlabor Supersense haben sich die Teilnehmer*innen des Workshops „Mobility of the Future“, der Soziologe Bernhard Böhm und das Ars Electronica Futurelab über die Mobilitätsformen einer nachhaltigen Zukunft ausgetauscht.

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Einen Wissensaustausch zwischen Unternehmen, Organisationen und Forschungseinrichtungen gab es im Rahmen der Gigabit Academy 22, die vom österreichischen Bundesministerium für Finanzen & der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft veranstaltet wurde. Das Ars Electronica Futurelab gab bei Vorträgen und Workshops Einblick in die Schwarmtechnologie und zeigte bei Präsentationen im Studio wie Bodenroboter und Drohnen zusammenarbeiten.

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Wie Menschen in der digital vernetzten Welt zusammenarbeiten, darüber wollte das internationale IT-Unternehmen Cisco mehr herausfinden. Es sammelte anonymisierte Daten seiner mehr als 100.000 Mitarbeiter*innen, die die von Cisco selbst entwickelte Kommunikationssoftware WebEx nutzten, und übergab sie dem Ars Electronica Futurelab. Das Ergebnis nennt sich „WebEXPRESSION“ und ist eine vom Komponisten Rupert Huber musikalisch untermalte sowie visuell ansprechende Datenvisualisierung digitaler Zusammenarbeit, die tagtäglich in verschiedenen Ländern, Sprachen und Zeitzonen rund um den Globus stattfindet.

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Aber auch der Feuerwehrtechnikhersteller Rosenbauer wollte Geschichten über seine Technologien erzählen und wandte sich an Ars Electronica Solutions, um diese bei „Interschutz“, der internationalen Weltleitmesse für Feuerwehr, Rettungswesen, Bevölkerungsschutz und Sicherheit, gemeinsam mit dem Unternehmen Garamantis ins rechte Licht zu rücken. Nicht nur beim Feuerlöschen ist Wasser ein zentrales Element: Um den Besucher*innen den Prozess des Bierbrauens und die Geschichte des Linzer Bieres näher zu bringen, beauftragte die Brau Union Österreich Ars Electronica Solutions interaktive Installationen umzusetzen. Diese kommen seither bei Führungen durch die Brauerei in der ehemaligen Tabakfabrik in Linz zum Einsatz.

Rosenberger Interschutz 2022, Credit: Garamantis/Jules Döring
Rosenberger Interschutz 2022, Credit: Garamantis/Jules Döring
Linzer Bier, Credit: Ars Electronica Solutions / My Trinh Müller-Gardiner

Von Linz nach Dubai. Denn auch hier gibt es eine Geschichte zu erzählen – diesmal nicht nur von einem Unternehmen, sondern gar von einem ganzen Land. Für die EXPO in Dubai, die bedingt durch die Pandemie im Jahr 2022 endete, realisierte Ars Electronica Solutions im Auftrag der österreichischen Wirtschaftskammer gemeinsam mit querkraft, bleed und büro wien im Österreich-Pavillon mehrere interaktive Erlebnisräume in meterhohen Lehmkegeln.

Austria Pavillion EXPO 2020 Dubai, Credit: Omar Marques/Expo 2020 Dubai
Austria Pavillion EXPO 2020 Dubai, Credit: Expo Austria © www.keller-fotografie.de
Austria Pavillion EXPO 2020 Dubai, Credit: Expo Austria © www.keller-fotografie.de

Andere Zeit, anderer Ort, eine andere Geschichte. Peter Janssen, Sammler und Museumsgründer, hat beschlossen, seine Sammlung und Begeisterung für die japanische Kultur und die Geschichte der Samurai mit der Öffentlichkeit zu teilen und sich ebenso an die Ars Electronica Solutions gewandt. Das Ergebnis ist das 2022 neu eröffnete Samurai-Museum in Berlin und seitdem mit spielerischen Elementen die vergangene Epoche für die Besucher*innen zum Leben erweckt und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar macht.

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Blicken wir von der Vergangenheit aber wieder hin zur Zukunft. Welche Themen, welche Technologien werden uns in den kommenden Jahren beschäftigen? In welche Richtung wird sich die Welt drehen und haben wir die passenden Werkzeuge dafür? Wie werden wir Technologie einsetzen, welche werden wir noch erfinden? Kann uns Künstliche Intelligenz dabei eigentlich retten? Und was ist das überhaupt? Vor allem die letzte Frage könnte nicht nur ein Besuch der Ausstellung „Understanding AI“ im Ars Electronica Center beantworten. Die vom Ars Electronica Futurelab entwickelten Stationen haben mittlerweile auch Einzug in andere Museen gefunden – wie zum Beispiel im Deutschen Museum Bonn in der Ausstellung „Mission KI“.

Mission KI, Credit: Deutsches Museum / Lichtenscheidt
Mission KI, Credit: Deutsches Museum / Lichtenscheidt
Mission KI, Credit: Ars Electronica Futurelab / Peter Freudling

Wie es mit Werkzeugen wie Künstlicher Intelligenz weitergeht, wie sich Mensch und Maschine gegenüberstehen oder miteinander agieren, welche Fortschritte aber auch Rückschritte wir im Zusammenleben mit Technologie machen und wie uns Kunst dabei zur Seite stehen oder gar Wegbereiter sein kann – auf diese Antworten sind wir genauso gespannt wie all jene, die uns schon seit vielen Jahren begleiten oder uns erst kürzlich kennengelernt haben. Auch im nächsten Jahr werden wir mit Technologie experimentieren, entwickeln und erzählen.

Wer uns dabei begleiten oder gar mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen uns auf unseren Social-Media-Kanälen wie Mastodon, Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn oder YouTube zu folgen, unseren Newsletter zu abonnieren oder uns im Ars Electronica Center und beim Ars Electronica Festival im September zu besuchen.

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